Drucksache 17 / 19 088 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Taş (LINKE) vom 15. September 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2016) und Antwort Interimsvergaben beim Betrieb von Flüchtlingsunterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Flüchtlingsunterkünfte werden derzeit „interimsweise “ betrieben, weil Nachprüfungsverfahren im Hauptvergabeverfahren zur Betreiberleistung laufen (bei den sog. Tempohomes) oder es noch gar keine neue Ausschreibung der Betreiberleistung bei Bestandsunterkünften gegeben hat (z.B. bei ehemaligen PeWoBe- Unterkünften, ausgelaufenen Betreiberverträgen) etc.? (Bitte nach Unterkunft und Betreiber aufschlüsseln.) 2. Wann hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bzw. Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die oben genannten „Interimsvergaben“ jeweils durchgeführt? (Bitte nach Unterkunft und Datum aufschlüsseln.) 3. Wie lange sollen die oben genannten Unterkünfte jeweils „interimsweise“ betrieben werden? (Bitte nach Unterkunft, Beginn und beabsichtigtes Ende des „interimsweisen “ Betriebes aufschlüsseln.) Zu 1. bis 3.: Zur Beantwortung wird auf die Anlage 1 verwiesen. 4. Wie definiert der Senat „Interimsvergaben“ und auf welcher Rechtsgrundlage finden diese statt? 5. Nach welchem Verfahren erfolgen „Interimsvergaben “? Zu 4. und 5.: In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die öffentliche Hand ihre gesetzliche Verpflichtung zur Unterbringung von Geflüchteten angesichts der unkalkulierbaren Schwankungen von Asylbewerber - und Flüchtlingszahlen für gewisse Übergangszeiträume durch die Interimsvergabe von Leistungen erfüllen kann (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 7.7. 2015 – Verg 3/15 –, juris). Berlin macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Inbetriebnahme von Standorten für einen Übergangszeitraum durch eine Interimsvergabe von Betreiberdienstleistungen zu gewährleisten, um auf diese Weise eine Notlage bei der Unterbringung von Geflüchteten zu verhindern. Die Interimsvergabe erfolgt auf Grundlage des § 14 Abs. 4 Ziff. 3 Vergabeverordnung (VgV). Hiernach kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (VoT) vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, vorliegen, die es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind. Die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein. Die besondere Dringlichkeit der Interimsvergabe rechtfertigt jedoch nicht ohne weiteres, dass der Wettbewerb vollständig und auf längere Dauer eingeschränkt wird, indem bspw. nur ein einziger von mehreren interessierten Bieterinnen und Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.1.2014 – 11 Verg 15/13 –, Rn. 51, 52 m.w.N.; VK Bund, Beschl. v. 12.11.2012, VK 1 - 109/12, juris). Diese Vorgabe wird vom Land Berlin berücksichtigt. 6. Welche Betreiber werden bei „Interimsvergaben“ angefragt, wenn der Senat den „Betreiberpool“ seriöser Heimbetreiber abgeschafft hat, um kurzfristig in Notsituation Betreiberleistungen beauftragen zu können (vgl. Drucksache 17/18958)? 7. Welche Betreiber sind für den „interimsweisen“ Betrieb der oben genannten Unterkünfte jeweils durch das LAGeSo/LAF jeweils angefragt worden und nach welchen Kriterien erfolgte jeweils die Auswahl? (Bitte nach Unterkunft und Betreiber aufschlüsseln.) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 088 2 Zu 6. und 7.: Die Auswahl der Betreiberinnen und Betreiber aus dem Gesamtbieterkreis, die in dem Verhandlungsverfahren ohne Teilnehmerwettbewerb (VoT) zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden, erfolgt an Hand folgender Kriterien: Zum einen sind dies Qualitätskriterien über die Erfahrungen aus dem Betrieb und den Begehungsergebnissen der Qualitätssicherung, der Sozialraumvernetzung sowie Referenzen und Kooperationen in der entsprechenden Region. Weitere Auswahlkriterien sind die Leistungsfähigkeit der Betreiberinnen und Betreiber in Bezug auf die vor allem schnelle Handlungsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit . Der Gesamtbieterkreis, aus dem die Auswahl der Betreiberinnen und Betreiber erfolgt, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, umfasst sämtliche Betreiberinnen und Betreiber, die mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bzw. Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) bereits in einem Vertragsverhältnis stehen, sowie auch Neubetreiber/innen, die gegenüber dem LAF ihr Interesse bekundet haben. Die Anzahl der bisher beteiligten Betreiber/innen bei den Interimsvergabeverfahren bzw. VoT-Verfahren lag bislang teilweise bei 3 bis 5 bzw. bei bis zu 19. Aktuell und zukünftig werden einheitlich pro Verfahren 10 Betreiber /innen angeschrieben und aufgefordert, ein entsprechendes Angebot abzugeben, wobei das Verfahren als Übergangslösung dient und durch eine europaweite Ausschreibung dann ersetzt wird. Hinsichtlich der Frage, welche Betreiber/innen konkret angeschrieben wurden, können aus Gründen der Wahrung der Vertraulichkeit gemäß § 5 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) keine konkreten Angaben in diesem Rahmen erfolgen . Der öffentliche Auftraggeber muss gemäß § 5 Abs. 2 Sartz 1 VgV bei der gesamten Kommunikation sowie beim Austausch und der Speicherung von Informationen die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Interessenbekundung ; Interessenbestätigung, Teilnahmeanträge und Angebote einschließlich ihrer Anlagen gewährleisten . Diese Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit obliegt dem öffentlichen Auftraggeber auch noch nach Abschluss des Vergabeverfahrens, das heißt mit Zuschlagserteilung. Somit kann lediglich die Bieterin/der Bieter benannt werden, der letztlich auch den Zuschlag erhalten hat, soweit das jeweilige Vergabeverfahren bereits abgeschlossen ist (siehe hierzu Anlage 1). 8. Nach welchen Kriterien erfolgt der Zuschlag bei „Interimsvergaben“ von Betreiberleistungen? Zu 8.: Nach einer voran gestellten formalen Prüfung wird der Zuschlag auf Grundlage einer fachlichen Prüfung in Form einer vom LAF erarbeiteten Bewertungsund Punktematrix erteilt. Diese fachliche Prüfung beinhaltet im Wesentlichen die Aspekte Qualität und Wirtschaftlichkeit , wobei die Bewertung der Qualität allein 70 % der fachlichen Prüfung ausmachen. Zur Beurteilung der Qualität ist die Bieterin/der Bieter angehalten, diverse Konzepte und Referenzen unter anderem zur bisherigen Erfahrungstiefe, der Einbindung von Ehrenamtlichen und der Zivilgesellschaft, der Information und Bereitstellung von Angeboten für die Geflüchteten sowie zur Unterbringung und zum Personal dem Angebot beizufügen. 9. Wie wird der Senat sicherstellen, dass Betreiberdienstleistung zukünftig regulär über öffentliche Ausschreibungen vergeben werden statt zunehmend über „Interimsvergaben“? Zu 9.: Bei der Interimsvergabe handelt es sich lediglich um eine zeitlich begrenzte Vergabe des Betriebs, um den Betrieb von belegungsfähigen Unterkünften zu gewährleisten bzw. fortzuführen und somit vorhandene Kapazitäten auch im Hinblick auf den Turnhallenfreizug vollständig nutzen zu können. Die Interimsvergabe ist auf 6 Monate ausgelegt, die maximal weitere drei Monate verlängert werden kann. Innerhalb dieser Zeit hat die Durchführung einer regulären Vergabe zu erfolgen. Berlin, den 05. Oktober 2016 Mario C z a j a _____________________________ Senator für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2016) Betreiber Gegenstand der Vergabe Art der Vergabe Datum der Ausschreibungen Sachstand (Anzahl Angebote) Laufzeit Geplantes Zuschlagsdatum Bei Vergabekammer anhängig Neuvergabe Pilotstandort Zossener Str. offenes Verfahren 31.05.2016 15 3 Jahre offen Neuvergabe Pilotstandort Zossener Str. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 26.07.2016 11 9 Monate offen Neuvergabe Pilotstandort Zossener Str. Vergabeanforderung von Sen GesSoz an Präs 05.09.2016 2 offen Zuschlag: EJF Neuvergabe Pilotstandort Venusstraße offenes Verfahren 31.05.2016 18 3 Jahre offen Neuvergabe Pilotstandort Venusstraße Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 26.07.2016 11 9 Monate 08.08.2016/Zuschlag: WORKS gGmbH Neuvergabe Tranche 1 Am Oberhafen offenes Verfahren 04.06.2016 15 3 Jahre Artenschutz muss geklärt werden; bis dahin keine Zuschlagserteilung möglich Neuvergabe Tranche 1 Buchholzer Str./Elisabethaue offenes Verfahren 07.06.2016 15 3 Jahre Aufhebung erfolgt, zum 16.09.2016 Neuvergabe Tranche 1 Buchholzer Str./Elisabethaue Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 19.08.2016 15 9 Monate wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe Tranche 1 Gerlinger Str./Buckower Damm offenes Verfahren 07.06.2016 17 3 Jahre wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe Tranche 1 Gerlinger Str./Buckower Damm Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 19.08.2016 17 9 Monate wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe Tranche 1 Siverstorpstraße offenes Verfahren 04.06.2016 17 3 Jahre Aufhebung erfolgt, zum 16.09.2016 Neuvergabe Tranche 1 Siverstorpstraße Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 18.08.2016 16 9 Monate wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe Tranche 1 Wollenberger Str. offenes Verfahren 04.06.2016 21 3 Jahre wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe Tranche 1 Wollenberger Str. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 18.08.2016 19 9 Monate wird aufgehoben wegen wesentlicher Vertragsänderung (Kapazitätsabsenkung) Neuvergabe GU Heerstraße offenes Verfahren 29.06.2016 23 3 Jahre 20.09.2016/Zuschlag: Berliner Wohnforum GmbH PeWoBe GU Maxie-Wander-Str. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 30.08.2016 2 6+3 Monate 05.09.2016/Zuschlag: Prisod GmbH - PeWoBe NU Wassersportallee Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 29.08.2016 3 6+3 Monate 05.09.2016/Zuschlag: Apardo GmbH - PeWoBe GU Rognitzstr. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 30.08.2016 2 6+3 Monate 06.09.2016/Zuschlag: DRK-KV Schöneberg- Wilmersdorf - PeWoBe NU Colditzstr. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 30.08.2016 2 6+3 Monate 08.09.2016/Zuschlag: Albatros gGmbH - PeWoBe GU Haarlemer Str. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 31.08.2016 2 6+3 Monate Aufhebung erfolgt, zum 08.09.2016 - PeWoBe GU Haarlemer Str. Neu: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 09.09.2016 4 6+3 Monate offen PeWoBe NU Bornitzstr. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 31.08.2016 1 6+3 Monate Aufhebung erfolgt, zum 08.09.2016 - PeWoBe NU Bornitzstr. Neu: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb 09.09.2016 2 6+3 Monate 15.09.2016/Zuschlag: Volkssolidarität PeWoBe Schöneberger Ufer PeWoBe Scharnweber Str. PeWoBe Bühringstr. Anhängiges Verfahren bei der Vergabkammer wurde im Sinne des LAF entschieden(VK – B1-23/16 vom 16.8.2016), jedoch wurde vom Antragssteller eine Beschwerde gegen diese Urteil eingereicht, am 25.08.2016 offen, befindet sich in Klärung, noch keine Ausschreibung erfolgt offen, befindet sich in Klärung, noch keine Ausschreibung erfolgt offen, befindet sich in Klärung, noch keine Ausschreibung erfolgt Anlage 1 zur Schriftlichen Anfrage 17/19088 S17-19088 S1719088_Anlage