Drucksache 17 / 19 103 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Brigitte Lange (SPD) vom 13. September 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. September 2016) und Antwort Förderung Berliner Laienchöre Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass die Chorförderung für Laienchöre des Landes Berlin seit der Kürzung um 90.000 € auf 910.000 € im Jahre 2007 trotz gleichzeitiger erheblicher Steigerungen bei den Sachkosten, insbesondere für Saalmieten , auf nahezu gleichem Niveau stagniert? Falls ja, mit welcher Begründung? Ist beabsichtigt, den Etat für die Chorförderung ab 2018 zu erhöhen? Zu 1.: Der Etat entwickelte sich seit 2007 wie folgt: 2017 945.447 € Tariferhöhung für den Berliner Chorverband 2016 940.700 € Tariferhöhung für den Berliner Chorverband 2012 - 2015 936.000 € 2007 - 2011 910.000 € Aufgrund der knappen Haushaltsmittel konnte eine substanzielle Erhöhung der Mittel der Chorförderung bislang nicht vorgenommen werden. Ob eine Erhöhung im Entwurf der Haushaltsberatungen 2018/2019 berücksichtigt werden kann, ist derzeit noch nicht abzusehen. 2. Trifft es zu, dass die Förderbedingungen für die Chorförderung seit 2013 dahingehend geändert wurden, dass Chöre oder Ensembles institutionell gefördert werden können? Wenn ja, welche Bedingungen müssen dafür erfüllt werden? Zu 2.: Das derzeitige Modell der Chorförderung besteht weitgehend unverändert seit 2001. Seit dieser Zeit gibt es für Chöre die Möglichkeit der institutionellen Förderung (für den gesamten Betrieb), einer Basisförderung (für laufende Kosten) oder einer Einzelprojektförderung . Zur institutionellen Förderung sind Chöre berechtigt, wenn sie: in den 3 Kalenderjahren vor dem Förderjahr unter professioneller Leitung, jeweils mindestens 2 anspruchsvolle chorsinfonische Konzertprogramme auf hohem Niveau, unter regem Zuhörerinteresse dargeboten haben und in dem Kalenderjahr, für das sie die Förderung beantragen , mindestens 4 Konzertprogramme in eigener Regie aufführen. 3. Mit welcher Zielrichtung wurden die Förderbedingungen für die Chorförderungen seit 2013 geändert? Ist zuvor eine rechtliche Anpassung der Chorfördersatzung des Landes Berlin erfolgt, auf die diese neue Handhabung gestützt werden kann? Falls nein: warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 103 2 Zu 3.: Eine Chorfördersatzung ist hier nicht bekannt. Die Vergabe der Fördermittel erfolgt auf der rechtlichen Grundlage von §§ 23 und 44 Landeshaushaltsordnung (LHO). Die Mittel werden im Rahmen eines Juryverfahrens vergeben. Die Richtlinien dieses Verfahrens sind in der Ausschreibung enthalten. Sie wurden in den vergangenen Jahren in folgenden Punkten geändert: Chöre sind zur Erlangung einer institutionellen Förderung oder Basisförderung nicht mehr verpflichtet , eine bestimmte Anzahl von Konzerten in der Philharmonie oder im Konzerthaus durchzuführen . Diese Änderung wurde notwendig, weil selbst etablierte Konzert- und Oratorienchöre mit eigenen Abonnementreihen nicht mehr in der Lage sind, so große Säle kontinuierlich zu füllen. Die Chöre verfügen seitdem über mehr Flexibilität bei der Auswahl geeigneter Veranstaltungsorte. Es wird nicht mehr explizit vorgegeben, dass die Chöre aus Laien bestehen müssen. Es gibt in Berlin auch Chöre, deren Sängerinnen und Sänger eine professionelle Ausbildung haben. Sie sollen von der Förderung nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen werden. In der Praxis haben aber bislang noch keine professionellen Chöre eine Unterstützung aus Mitteln der Chorförderung erhalten. 2014 entfielen die bei der Basisförderung festgelegten Höchstgrenzen, die für bestimmte Kostenarten bestanden. Bis dahin war es üblich gewesen, zum Beispiel Ausgaben für Stimmbildung oder Chorleitung nur bis zu einer bestimmten Obergrenze zu fördern. Damit sollten die Basisförderungen und Einzelprojektförderungen einheitlicher werden und mehr Förderungsgerechtigkeit erzielt werden. Da diese Schemata weder die Größe eines Chores berücksichtigten noch die unterschiedliche Komplexität der Programme oder die Probenhäufigkeit , wurde beschlossen, diese Deckelungen wegfallen zu lassen. Von den basisgeförderten Chören wurden sie ohnehin als Wettbewerbsnachteil begriffen, da die institutionell geförderten Chöre mit solchen Begrenzungen nicht arbeiten mussten . 4. Trifft es zu, dass das Festival „chor@berlin“ des Deutschen Chorverbandes Fördermittel aus der Berliner Chorförderung erhält, obwohl damit direkt kein Berliner Chor in seiner eigenständigen Arbeit gefördert wird? Falls ja, mit welcher Begründung und Zielrichtung? Zu 4.: Die Fördermittel sind für Chöre und Chorprojekte bestimmt. Das Festival "chor@berlin" wird seit 2011 jährlich vom Deutschen Chorverband durchgeführt. Die Konzerte und Weiterbildungsangebote für Multiplikatoren ziehen jährlich ca. 3.000 Interessentinnen und Interessenten aus Berlin und anderen Bundesländern an. Die Jury sah in dem Festival eine Stärkung Berlins als Musikstandort und hat für 2017 eine Förderung in Höhe von 14.850 € zur teilweisen Finanzierung der Workshops empfohlen (Interpretation zeitgenössischer Chormusik, Chorarbeit mit Kindern, Stimmbildung, Urheberrecht, Konzertdramaturgie und anderes mehr). Die Förderung ist auf die Workshops beschränkt, da im Bereich der Konzerte diesmal kein Berliner Chor beteiligt sein wird. Von dem Weiterbildungsangebot profitieren auch Berliner Interessentinnen und Interessenten. 5. Ist zuvor eine rechtliche Anpassung der Chorfördersatzung des Landes Berlin erfolgt, auf die diese neue Handhabung gestützt werden kann? Falls nein: warum nicht? Ist auszuschließen, dass in den Jahren 2015 und 2016 Jurymitglieder aktiv bei dem Festival „chor@berlin“ mitgewirkt haben? Zu 5.: Die Richtlinien der Chorförderung sehen die Förderung von Chören und Chorprojekten vor. Das Festival "chor@berlin" entspricht somit den Richtlinien. Die Mitwirkung von Jurymitgliedern an Projekten kann nicht ausgeschlossen werden. Jedoch verlassen Jurymitglieder , die in Anträge involviert sind, während der Diskussion und während der Abstimmung den Raum und erhalten nach Rückkehr nur das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis. Diesbezügliche Stimmenthaltungen gab es bei jeweils einem Jurymitglied für die Verfahren der Haushaltsjahre 2015 und 2017. In "chor@berlin" 2016 war zwar ein Jurymitglied involviert , jedoch war dieses Jurymitglied zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens noch nicht berufen worden und somit nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt. 6. Wie ist die Jury, die jährlich Empfehlungen für die Chorförderung ausspricht, besetzt und welche Kriterien werden bei der anstehenden Neubesetzung herangezogen, insbesondere welche Kompetenzen müssen die Jurymitglieder aufweisen? Zu 6.: Die Jury Chorförderung besteht aus vier bis fünf Mitgliedern. Sie werden für drei Jahre berufen, wenn die Mitgliedschaft nicht aus persönlichen Gründen früher beendet wird. Eine Verlängerung ist möglich. Bei der letzten Vergabesitzung (für das Haushaltsjahr 2017) war die Jury wie folgt besetzt: Michael Betzner-Brandt, Donka Miteva, Ursula Stigloher und Sabine Wüsthoff. Für die Verfahren 2018 bis 2010 ist bislang nur Donka Miteva berufen worden. Für die noch offenen Mitgliedschaften sind Neuberufungen vorgesehen. Dabei werden entsprechend der "Verwaltungsvorschrift der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten zur Berufung und Arbeit von Beiräten und Jurys für die Förderungen von Künstlerinnen , Künstlern, Projekten und Freien Gruppen in Berlin " bei der Zusammensetzung der Jurys und Beiräte folgende Kriterien beachtet: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 103 3 Überblick über künstlerische und kulturelle Diskurse und Entwicklungen allgemein Erfahrung und Kenntnisse im jeweiligen kulturellen Feld Professionelle Erfahrung und Kenntnisse, die den Programmkriterien der Bewerbergruppe entsprechen Unabhängigkeit Überblick über die spezifische Szene, über die regionalen und internationalen künstlerischen Entwicklungen Erkennen und Umsetzung der Förderprogrammziele /Schwerpunktsetzungen unabhängig von eigenen Vorlieben „für die Sache“ Interesse und Engagement für die Weiterentwicklung /Förderung von Künstlerinnen/Künstlern und verschiedenen Kunstrichtungen Ausreichend Zeit, sich mit den Anträgen zu befassen Theoriefähigkeit, Fähigkeit zu kontextualisieren Fähigkeit Kostenpläne für die Forderung zu beurteilen Persönlichkeitsmerkmale: kommunikativ, entscheidungsfähig , respektiert Die Juryzusammensetzung sollte ausgewogen sein im Hinblick auf: Vielfalt der beruflichen Spezialisierungen (Kreative, Einrichtungsleiterin/Einrichtungsleiter, Wissenschaftlerin /Wissenschaftler, Kritikerin/Kritiker, Kunstvermittlerin /Kunstvermittler, Interpretin/Interpreten) Vielfalt der künstlerischen Praxis (eigene ästhetische Prägung, Genres, Stilrichtungen, Anschauungen) Geschlecht Alter. 7. Auf welcher Grundlage trifft die Jury ihre Entscheidungen ? Gibt es Vorgaben seitens der Kulturverwaltung des Berliner Senats an die Jurymitglieder? Ist umgekehrt die Juryentscheidung für den Senat verbindlich – selbst wenn die angestrebte Vergabepraxis im Widerspruch zur Chorfördersatzung stünde? Zu 7.: Die Jury erhält die Ausschreibung, in der folgende Ziele des Förderprogramms enthalten sind: Die Chorförderung soll dazu beitragen, den Ruf Berlins als internationale Musikstadt zu erhalten und auszubauen. Die finanzielle Förderung soll die Chöre dabei unterstützen , chorsinfonische Werke und innovative Chorprojekte in Berlin einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Zum einen ist die Ergänzung des Berliner Musikangebotes durch die Aufführung wenig bekannter Komponistinnen und Komponisten bzw. die Aufführung neuer Werke gewünscht sowie auch die Entwicklung innovativer Positionen im Bereich der Chormusik; gefördert werden aber auch Chöre, die sich der Präsentation von bereits eingeführten Werken der Chorsinfonik widmen. Diese Ziele sollen durch institutionelle Förderungen, Basisförderungen und Einzelprojektförderungen erreicht werden. Zweck der Einzelprojektförderungen sind insbesondere Uraufführungen, Aufführungen von Neuer Musik (20./21. Jahrhundert), Öffnung der Kunstform (zum Beispiel genreübergreifende Projekte), Aufführungen von Werken von unbekannten Komponistinnen und Komponisten , Aufführungen von unbekannten Werken, experimentelle Aufführungspraxis, Erschließung musikferner Veranstaltungsorte und Erreichen neuer Zielgruppen. Die Vergabe der Mittel der Chorförderung steht im Einklang mit diesen Richtlinien. Die Jury spricht Förderempfehlungen aus, denen die Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten folgt, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen. Da Jurys und Beiräte für Kunstfreiheit, Staatsferne und Transparenz bei Förderentscheidungen stehen, wird in der Regel den Förderempfehlungen dieser Gremien gefolgt. 8. Wie viele Konzerte der antragstellenden Chöre für die Chorförderung haben die Jurymitglieder als Grundlage für Ihre Empfehlungen besucht? Mit welchem zeitlichen Aufwand war dies verbunden? Zu 8.: Die Jurymitglieder erhalten die Möglichkeit, alle Konzerte der geförderten Chöre zu besuchen. Diese Konzertbesuche müssen der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten nicht gemeldet werden, eine Auflistung existiert daher nicht. Der zeitliche Aufwand für die Konzertbesuche kann von der Verwaltung deshalb nicht genau eingeschätzt werden. Jedoch bemühen sich die Jurymitglieder wenigstens jeden geförderten Chor einmal gehört zu haben. Davon ausgehend, dass mindestens 12 Chöre Basisförderung oder institutionelle Förderung erhalten, ergibt sich – ohne Zeiten für Anfahrtswege – ein Zeitaufwand von ca. 30 Stunden. Da Chorsinfonik thematisch oft an bestimmte Zeiten gebunden ist (Passionszeit, Trauerzeit, Weihnachten), häufen sich die Konzerte zu diesen Zeiten. Es kann dann auch sein, dass mehrere Chöre an einem Tag Konzerte durchführen. In den Sommermonaten hingegen finden kaum Aufführungen statt. Diese Umstände erschweren den Jurymitgliedern den Konzertbesuch. Berlin, den 30. September 2016 In Vertretung Tim Renner Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2016)