Drucksache 18 / 10 017 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) vom 05. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2016) und Antwort Rettung der Berliner Obdachlosen vor Kältetod Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Laut RBB-Sendung vom 03.11.2016 (Interview mit der Berliner „Kältehilfe“) fehlt pro Obdachlosem im Winter 2016/2017 die Differenz zwischen 17 und 25 EUR für eine beheizte Übernachtung. Dies sind 8 EUR pro Person und Tag. Des Weiteren fehlen bis zu 250 Schlafplätze, die aufgrund der hohen Mietpreise nicht finanzierbar seien. Wie will der Berliner Senat diese Kosten aus anderen Haushalten freisetzen? 2. Warum werden für die Obdachlosen keine Sporthallen belegt, keine Tempohomes gebaut? Allein die Tempohomes in Französisch-Buchholz (Elisabeth-Aue), welche noch nicht belegt sind, könnten 1.000 Personen aufnehmen . 3. Selbst geduldeten Personen, deren Asylanträge negativ beschieden wurden und die per Gesetz zur Ausreise verpflichtet wären, wird der Lebensunterhalt finanziert. Wie will der Berliner Senat diese Ungleichbehandlung begründen? Zu 1. bis 3.: Die „Kältehilfe“ ist ein im Winter 1989/1990 ins Leben gerufenes Sonder-Programm der Berliner Bezirke. Die „Kältehilfe“ richtet sich an wohnungslose , auf der Straße lebende Menschen und bietet eine unbürokratische Übernachtungsmöglichkeit während der kalten Jahreszeit in der Zeit von Anfang November bis Ende März. Zahlreiche Kirchengemeinden, Vereine und Initiativen beteiligen sich zum Teil über die Übernachtungsmöglichkeit hinaus mit weiteren Angeboten wie z.B. Nachtcafés, Suppenküchen und Treffpunkten. Die „Kältehilfe“-Saison im Winter 2016/2017 hat am 01.11.2016 begonnen und endet am 31.03.2017. Rund 30 Freie Träger und Kirchengemeinden stellen derzeit rd. 550 Notschlafplätze für wohnungslose Menschen zur Verfügung. Das Angebot wird Anfang Dezember 2016 auf rd. 700 Notschlafplätze erhöht. Unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme im vergangenen Jahr sieht die Planung eine vorläufige Zielgröße für diesen Winter von rd. 800 Notschlafplätzen vor. Die derzeitige Auslastung liegt bei 90 %. Das Angebot wird bei sich erhöhendem Bedarf entsprechend nachgesteuert. Die 12 Bezirke stellen diese Aufgabe administrativ sicher . Der Berliner Senat unterstützt die Bezirke bei der Finanzierung sowie bei der Kapazitätssteuerung. Die Besonderheit der „Kältehilfe“ besteht in einem sehr niedrigschwelligen Angebot an wohnungslose Menschen , die die Angebote der Regelversorgung der Bezirke – also auch der längerfristigen Unterbringung – nicht oder noch nicht in Anspruch nehmen können. Für die Angebote der „Kältehilfe“ ist keine Legitimation oder Bedarfsprüfung erforderlich. Das Notprogramm „Kältehilfe“ bietet einen Notschlafplatz über eine sehr begrenzte Zahl an Übernachtungen. Ein Vergleich der „Kältehilfe“ mit den Unterbringungsformen für Wohnungslose oder Asylbewerber/innen bietet sich schon aus konzeptionellen Gründen nicht an. Entscheidend ist, dass alle wohnungslosen Menschen, die ihre Bedürftigkeit erklären, auf Wunsch - zur Abwendung akut drohender Obdachlosigkeit - einen Unterkunftsplatz erhalten. Diese Maßnahme dient der Behebung der mit der Obdachlosigkeit verbundenen Gefahr für Leib oder Leben der Person. Der Rechtsanspruch wird durch das für die Aufgabe der Unterbringung zuständige Bezirksamt nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Berlin ) umgesetzt. Die Unterbringung selbst erbringen gewerbliche und gemeinnützige Anbieter. Die Standards dieser Unterkünfte im Rahmen der kommunalen/ ordnungsbehördlichen Unterbringung für Wohnungslose sind mit den Unterkünften für Asylbewerberinnen und Asylbewerber bzw. Flüchtlinge vergleichbar. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 017 2 Bei der Unterbringung der in der Fragestellung zu 3. genannten ausländischen Personengruppen vollzieht das Land Berlin geltendes Bundesrecht: nach § 1 Absatz 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind Ausländerinnen und Ausländer, die eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besitzen, leistungsberechtigt nach diesem Gesetz. Gleiches gilt nach Nr. 5 dieser Vorschrift für vollziehbar ausreisepflichtige Personen , auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, sowie die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personengruppen. Zum Umfang der danach zu gewährenden Leistungen gehört nach § 3 Abs. 2 AsylbLG auch der notwendige Bedarf an Unterkunft . Eine rechtlich unzulässige Ungleichbehandlung mit anderen wohnungs- bzw. obdachlosen Personen im Sinne der Fragestellung liegt somit schon deshalb nicht vor, weil der Bedarf an Unterkunft für diese Personengruppen nicht auf der Grundlage des AsylbLG zu decken ist. Vielmehr kommt für diese Personen die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, insbesondere die Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27ff. SGB XII in Betracht. Zuständig für die Prüfung diesbezüglicher Leistungsansprüche und für die entsprechende Leistungsgewährung sind in Berlin - soweit es sich um kommunale Aufgaben handelt - die bezirklichen Leistungsbehörden, die diese Aufgabe eigenverantwortlich wahrnehmen. Dies gilt ebenso für die Ordnungsaufgaben zur Vermeidung von Obdachlosigkeit, soweit nicht die Hauptverwaltung zuständig ist. Unabhängig von den verschiedenen sozialrechtlichen Leistungsgrundlagen strebt der Senat von Berlin die menschenwürdige Unterbringung aller Asylbegehrenden und aller wohnungs- bzw. obdachlosen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus an. Vorrangig soll dabei der Bezug einer selbst genutzten Wohnung ermöglicht werden, soweit die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Der Senat hat deshalb am 07. Juni 2016 auf Vorlage der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales den Beschluss zur Gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringungsangebote und Bedarfsermittlung für die im Jahr 2016 einschl. Folgejahre benötigten Kapazitäten im Bereich der Asylbegehrenden und der Wohnungslosen gefasst. Berlin, den 29. November 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Nov. 2016)