Drucksache 18 / 10 021 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gunnar Lindemann (AfD) vom 07. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2016) und Antwort Gesundheitszustand der in Berlin ankommenden Asylbewerber Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse gibt es über den gesundheitlichen Zustand der in Berlin in 2015 und 2016 angekommenen Asylantragsteller? Wie viele Asylbewerber hatten in 2015 und in 2016 bei Ihrer Ankunft ansteckende und wie viele Asylbewerber hatten meldepflichtige Krankheiten ? Wurden hierdurch ansteckende bzw. meldepflichtige Krankheiten auf weitere Personen übertragen? Zu 1.: Bis zur 40. Kalenderwoche 2015 wurden meldepflichtige Infektionskrankheiten bundesweit ohne die zusätzliche Information erfasst, ob es sich um asylsuchende Personen handelt. Von der 40.Kalenderwoche 2015 bis zur 43. Kalenderwoche 2016 wurden der Landesmeldestelle am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) 735 meldepflichtige Infektionskrankheiten von Asylsuchenden übermittelt. Dieses ent-spricht 3,5 % aller in diesem Zeitraum gemeldeten Infektionskrankheiten bzw. <1,5 % der 55.000 im Durchschnitt in Berlin untergebrachten Flüchtlinge für den Zeitraum von der 40. Kalenderwoche 2015 bis zur 43. Kalenderwoche 2016. Es handelte sich in der Mehrzahl um impfpräventable Erkrankungen (>50 % Windpocken). Die Mehrzahl der festgestellten Infektionskrankheiten wurde nach Einreise in Deutschland erworben. Insgesamt wurden in dem Zeitraum 64 Krankheitshäufungen in Gemeinschaftsunterkünften übermittelt, wobei 2/3 dieser Häufungen durch Windpocken verursacht wurden. Windpocken sind sehr ansteckend und werden über die Luft durch Tröpfchen sowie durch Verschmieren des Inhalts der Hautbläschen übertragen. 2. Welche Maßnahmen hat der Senat in 2015 und 2016 gegen die Verbreitung ansteckender Krankheiten und zum Schutz der Bevölkerung unternommen? Welche Maßnahmen sind in Zukunft geplant? Falls keine Maßnahmen unternommen wurden, bzw. geplant sind, warum nicht? Zu 2.: Der Senat hat am 22.03.2016 das Rahmenkonzept zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden im Land Berlin beschlossen. Demnach erhalten alle ankommenden Asylsuchenden eine Untersuchung gemäß § 62 Asylgesetz (AsylG) sowie ein Impfangebot. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Untersuchung zum Ausschluss der Tuberkulose. Bei Auffälligkeiten im Rahmen der Untersuchung gemäß §62 AsylG erfolgt eine Diagnostik zur Abklärung der Befunde. Bundesweite Auswertungen haben ergeben, dass Asylsuchende v. a. durch impfpräventable Krankheiten und Magen-Darm-Infektionen gefährdet sind, gegen die Impfungen und Basishygienemaßnahmen schützen würden . Deshalb werden alle Aktivitäten zur Durchimpfung der Asylsuchenden fortgeführt. Gleichzeitig erfolgt in Deutschland verstärkt die Aufklärung über die Wichtigkeit eines altersgerechten Impfschutzes für alle Bürgerinnen und Bürger – z. B. mit der Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „Deutschland sucht den Impfpass“. Das Robert Koch-Institut als nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Gesundheit sieht derzeit weiterhin keine erhöhte Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende. Diese Auffassung teilt die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung. 3. Wann und durch wen fand und findet der Gesundheitscheck für neu ankommende Asylantragsteller in Berlin statt? Welche Kosten sind in 2015 und in 2016 bis jetzt dadurch entstanden und wer trägt diese Kosten? Zu 3.: Von Oktober 2015 bis Februar 2016 wurden Asylsuchenden in der Zentralen Impfstelle in der Turmstraße Impfungen von Ärztinnen und Ärzten der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin angeboten und durchgeführt . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 021 2 Die Untersuchung gem. § 62 AsylG einschließlich des Angebots zur Durchführung von Impfungen wird seit dem 01.03.2016 durch das Universitätsklinikum Charité im Ankunftszentrum Bundesallee realisiert. Für die Untersuchungen zum Ausschluss der Tuberkulose ist das Gesundheitsamt Lichtenberg zuständig. Die Kosten für Erstuntersuchung und Impfangebot werden im Auftrag des Landes Berlin durch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) beglichen, die der Tuberkuloseuntersuchungen durch das Bezirksamt Lichtenberg. Für durchgeführte Erstuntersuchungen wurden der Charité durch das LAF Personalkosten für den Monat März 2016 sowie Impfstoffkosten für die Monate März bis Juni 2016 von insgesamt 938.822,85 Euro erstattet. Die Rechnungslegung durch die Charité für die nachfolgenden Zeiträume wird in den kommenden Wochen erwartet . 4. Wie viele Fälle unter den Asylbewerbern von TBC und HIV sind in 2015 und in 2016 berlinweit festgestellt worden? Wenn welche festgestellt wurden, wie wurden diese behandelt? Welche Kosten sind dadurch verursacht worden? Zu 4.: Von der 40.Kalenderwoche 2015 bis zur 43. Kalenderwoche 2016 wurden dem LAGeSo 65 Tuberkulose -Erkrankungen unter Asylsuchenden übermittelt. In 2015 wurden für die Untersuchungen zum Ausschluss einer Tuberkulose bei Asylsuchenden insgesamt 420.549,57 € aufgewendet. Für 2016 sind mit Stand 30.09.2016 im Zentrum für Tuberkulosekranke Menschen für diese Personengruppe Kosten in Höhe von insgesamt 727.612,05 € für derartige Untersuchungen entstanden. HIV-Infektionen werden von der diagnostizierenden Einrichtung gemäß Infektionsschutzgesetz direkt an das zuständige Robert Koch-Institut in anonymer Form gemeldet . Daher liegen dem Land Berlin keine diesbezüglichen Informationen vor. 5. Stimmt es, dass Ärzte aus dem regulären Krankenhausdienst herausgezogen werden, um in den Asylbewerberunterkünften Sprechstunden abzuhalten? Falls ja, wie oft und warum? Ist dadurch die Versorgung in den Krankenhäusern ggf. beeinträchtigt worden? Zu 5.: Das Land Berlin hat zum Zwecke einer gleichmäßigen Verteilung der Bedarfe ein reguläres Gesundheitssystem für die medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Unterkünften mit mehr als 500 Plätzen u. a. mit Krankenhäusern zeitlich befristete Verträge geschlossen , so dass ärztliche Sprechstunden vor Ort angeboten werden konnten. In den entsprechenden Verträgen hat das (LAF) keine Festlegungen über die personalwirtschaftliche Zuordnung des einzusetzenden Personals getroffen. Nach Kenntnisstand des LAF wurde das erforderliche Personal zusätzlich zum Krankenhausbetrieb mit befristeten Verträgen eingestellt. Berlin, den 28. November 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Nov. 2016)