Drucksache 18 / 10 026 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 08. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. November 2016) und Antwort Entwicklung der Berliner Justiz (III) - IT Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen hat der Senat zur Umsetzung des 2013 beschlossenen „Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ ergriffen (bitte gegliedert nach ordentlicher Gerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Strafverfolgung)? Zu 1.: Mit den im Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vorgegebenen Zielen steht die Justiz vor der vermutlich größten Umwälzung ihrer jüngeren Geschichte. Ab 2018 wird der gesamte elektronische Rechtsverkehr mit der Anwaltschaft über das besondere elektronische Anwaltspostfach abgewickelt werden. Spätestens 2022 wird die schriftliche Kommunikation zwischen dem ganz überwiegenden Teil der Justiz (für den Strafbereich ist ein eigener Gesetzentwurf in Arbeit) und der Anwaltschaft ausschließlich elektronisch erfolgen. Die elektronische Aktenführung innerhalb der Justiz wird somit faktisch zwingend erforderlich werden. Die Umsetzung des Gesetzes erfordert dementsprechend umfangreiche Anpassungen in organisatorischer und technischer Hinsicht. Mit mehreren Projekten wird diese Umsetzung vorbereitet. Zur Umsetzung des Gesetzes wurden zum einen erste Finanzmittel in Höhe von 16 Mio. Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt beantragt und bewilligt. Zum anderen hat die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz das „Projekt zur Koordinierung der Einführung von elektronischem Rechtsverkehr und elektronischen Akten bei den Berliner Gerichten“ ins Leben gerufen, das als Programmüberbau über die bei den einzelnen Gerichtsbarkeiten eingerichteten Einführungsvorhaben dient. Gemeinsam mit den jeweils Verantwortlichen aus den Gerichtszweigen werden hier die übergreifenden technischen und organisatorischen Fragen koordiniert und abgestimmt. Die verbundweiten gerichtlichen IT-Fachverfahren werden unter Beteiligung Berlins für den Betrieb mit elektronischer Akte vorbereitet. Im Einzelnen: Ordentliche Gerichtsbarkeit: In der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurde in einem ersten Schritt die Kommunikationsinfrastruktur auf die „elektronische Kommunikationsplattform (eKP)“ nebst zugehöriger so genannter „Eingangslistenapplikation (ELA)“ umgestellt, um die zu erwartenden steigenden elektronischen Eingänge bewältigen zu können. Im Laufe des Jahres 2017 soll an einem Amtsgericht die elektronische Akte pilotiert werden. Sozialgerichtsbarkeit: Das Berliner Sozialgericht wird im Laufe des Jahres 2017 neben der weiterhin führenden Papierakte flächendeckend eine elektronische Zweitakte anbieten, die den Richterinnen und Richtern und den Servicemitarbeiterinnen und Servicemitarbeitern eine elektronische Aktenbearbeitung ermöglicht. Neben dem elektronischen Posteingang wird der elektronische Rechtsverkehr dabei sukzessive auch im Bereich des Postausgangs (Versenden von Nachrichten durch das Sozialgericht) ausgebaut. Verwaltungsgerichtsbarkeit: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat erfolgreich den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Verwaltungsakten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingeführt, im nächsten Schritt soll auch die weitere Kommunikation mit dem BAMF so weit wie möglich elektronisch erfolgen. Strafverfolgung: Der Bereich der Strafverfolgung wird vom „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ ausgenommen, so dass noch kein gesetzlicher Auftrag zur Einführung von elektronischem Rechtsverkehr und elektronischer Akte besteht. Gleichwohl sind die Strafverfolgungsbehörden bereits in das Koordinierungsprojekt eingebunden und wollen im Bereich der Fahrgelddelikte im Jahr 2017 den elektronischen Rechtsverkehr mit der Polizei pilotieren. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 026 2 Über die genannten Maßnahmen hinaus gab es außerdem verschiedene Anstrengungen, um die Akzeptanz für die vorgesehenen Änderungen bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erhöhen. Zum Beispiel wurde der sogenannte eJustice-Tag am 25. Mai 2016 in der Urania veranstaltet. Über Vorträge, Mitarbeiter- Informationen, die Besichtigung eines Arbeitsplatzlabors und Flyer haben sich mehrere hundert Beschäftigte der Justiz über die mit den bevorstehenden Maßnahmen verbundenen Veränderungen ihrer Arbeitsplätze informiert. Wegen des guten Erfolgs wird am 10. Mai 2017 ein weiterer eJustice-Tag durchgeführt werden. 2. Welche Anstrengungen hat der Senat unternommen, um in der ordentlichen Gerichtsbarkeit das Altverfahren AULAK abzulösen und an seiner Stelle als Leitverfahren forumSTAR einzuführen? Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hatte bereits Ende 2009 den Beitritt zum Länderverbund forumSTAR erklärt und damit die Ablösung von AULAK eingeleitet. Im Jahre 2010 wurde die Projektgruppe aufgebaut und die notwendigen Programmanpassungen in ersten Modulen für Berlin vorbereitet. Die Umstellung von über 3.000 Anwendern der Berliner Gerichte mit den verschiedenen Modulen für die unterschiedlichen Fachbereiche erfordert eine sorgfältig Planung und es müssen erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden, um diese Einführung erfolgreich umsetzen zu können. Bislang konnten Module auf insgesamt ca. 300 Arbeitsplätzen ausgerollt werden. Nach den Erfahrungen mit der Produktivsetzung (Dualbetrieb mit AULAK für Altverfahren und forumSTAR für neue Verfahren) wurde offenbar, dass die technische Basisstruktur in allen Gerichtsstandorten Berlins den modernen Anforderungen nicht mehr entspricht. So wurde während der Ausrollphase in 2013 festgestellt , dass die IT-Infrastruktur grundlegend modernisiert werden muss, um den flächendeckenden Betrieb gewährleisten zu können. Dies wurde mit Projektleitung durch das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) im Projekt „SBC 2014“ bis in 2016 umgesetzt, wobei im Projekt vom ITDZ mehrere technische Hürden zu bewerkstelligen waren, die sich aus dem Zusammenspiel der Altanwendungen und neuem IT-Fachverfahren ergaben und deren Überwindung leider noch nicht abgeschlossen ist. In dem genannten Projekt galt ein Moratorium, dergestalt dass forumSTAR erst weiter ausgerollt werden kann, wenn die IT-Infrastruktur im Wesentlichen stabilisiert ist. Die Zahl der Betriebsstörungen hat sich durch intensive Anstrengungen zur Lösung der Probleme mittlerweile stark reduziert, an den langfristigen Problemen wird nach wie vor mit Hochdruck gearbeitet. Ein weiterer Rollout von forumSTAR erscheint aber jetzt wieder möglich; in einer gemeinsamen Evaluation durch die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zusammen mit dem Kammergericht und den Beschäftigtenvertretungen wird das weitere Vorgehen abgestimmt . 3. Wie sehen die weiteren Schritte für eine erfolgreiche Einführung des Verfahrens forumSTAR für die ordentliche Gerichtsbarkeit aus? Zu 3.: Derzeit erfolgt in Abstimmung mit den Personalvertretungsgremien eine ergonomische Untersuchung des forumSTAR-Moduls für den Bereich der Zwangsvollstreckung ; mit einem Ausrollen dieses Moduls wird Anfang 2017 gerechnet. Weitere Module sollen ebenfalls noch in 2017 in verschiedenen Gerichten AULAK ablösen . Ziel ist, prioritär die ältesten AULAK-Module Zivil und Familie abzulösen, was zugleich die Voraussetzung für eine weitere Stabilisierung der Betriebsumgebung darstellt. 4. Wie bewertet der Senat die Zusammenarbeit der Berliner Justiz mit den IT-Dienstleistungszentrum ITDZ und welche Bedeutung misst der Senat dabei den immer wieder auftretenden Störungen bei der Anwendung der IT in der Justiz bei? Zu 4.: Die Zusammenarbeit mit dem ITDZ Berlin wird als insgesamt erfolgreich bewertet. Reibungsflächen sind kaum vermeidbar, aber es werden gemeinsame Lösungen angestrebt und bislang immer gefunden. Wir gehen davon aus, dass die relativ häufigen technischen Störungen durch die getroffenen und noch zu treffenden technischen Maßnahmen in Zukunft erheblich abnehmen. Berlin, den 24. November 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Nov. 2016)