Drucksache 18 / 10 042 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Gunnar Lindemann (AfD) vom 10. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2016) und Antwort Abgelehnte Asylbewerber Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele abgelehnte Asylbewerber leben derzeit in Berlin? Welchen Aufenthaltsstatus haben diese? Aus welchen Herkunftsländern kommen diese? Wie viele davon sind Frauen, Männer und Kinder? Zu 1.: Die von Ihnen erbetenen Zahlen werden statistisch so nicht erfasst. Nach der vom BAMF herausgegebenen Antrags-, Entscheidungs - und Bestandsstatistik wurden in Berlin im Jahr 2015 2.696 und vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Oktober 2016 9.354 Asylanträge (zum Teil als offensichtlich ) unbegründet abgelehnt. Ein Großteil der abgelehnten Asylanträge betraf dabei die Herkunftsländer Albanien, Bosnien und Herzegowina, Moldau, Kosovo, die Russische Föderation, Serbien, Ägypten, Afghanistan, Vietnam, Irak und Pakistan. Wie viele der abgelehnten Asylbewerber sich noch in Berlin aufhalten, ist nicht bekannt. In Berlin sind aktuell (Stand: 22.11.2016) 14.898 Personen vollziehbar ausreisepflichtig . In dieser Zahl sind jedoch nicht nur abgelehnte Asylbewerber, sondern auch Ausländer mit anderen aufenthaltsrechtlichen Werdegängen erfasst. Die von der Berliner Ausländerbehörde zu den vollziehbar Ausreisepflichtigen geführte Statistik differenziert zudem nicht nach Geduldeten und Nichtgeduldeten und auch nicht nach Geschlecht und Alter. 2. Warum werden diese abgelehnten Asylbewerber nicht zur freiwilligen Ausreise aufgefordert oder abgeschoben ? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die abgelehnten Asylbewerber zur freiwilligen Ausreise zu bewegen, oder um diese abzuschieben? Warum gelingt es nicht, alle abgelehnten Asylbewerber zur freiwilligen Ausreise zu bewegen oder abzuschieben? Zu 2.: Eine Aufforderung zur Ausreise und eine Abschiebungsandrohung oder -anordnung werden bereits durch das BAMF mit dem ablehnenden Asylbescheid verfügt. Die Ausreisefrist beträgt im Fall einer Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet oder als unbeachtlich eine Woche, bei einer sonstigen Ablehnung 30 Tage. Sofern keine Rechtsmittel eingelegt werden, nach Ablauf der Ausreisefrist keine freiwillige Ausreise erfolgt oder glaubhaft gemacht wird (z. B. durch Ticketvorlage) und keine Duldungsgründe vorliegen, wird die Abschiebung vorbereitet. Wenn die Herkunftsstaaten kooperieren, insbesondere die Rückführung im Wege von Sammelchartern unter Nutzung von durch die Ausländerbehörden selbst ausgestellten Rückreisedokumenten (EU-Laissez Passer) akzeptieren und es gelingt, die Betroffenen am Tag der Chartermaßnahme festzunehmen, kann die Ausreisepflicht – wie die Rückführungen in die Westbalkanstaaten zeigen – in der Regel verhältnismäßig zeitnah durchgesetzt werden. Zu Verzögerungen kommt es dann, wenn die Betroffenen ihre Identität verschleiern, bei der Passbeschaffung nicht mitwirken und/ oder die Herkunftsstaaten bei der Rückübernahme nicht kooperieren. Wenn die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht als ultima ratio möglich ist, sind die Betroffenen oft auch nicht bereit, ihrer Ausreisepflicht im Wege der freiwilligen Ausreise nachzukommen. Einen gewissen Druck, der Ausreisepflicht freiwillig zu entsprechen, erzeugt das mit einer Abschiebung stets einhergehende befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot. Ab 1. August 2015 kann darüber hinaus auch im Falle einer nicht fristgerechten freiwilligen Ausreise ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werden. Darüber hinaus haben vollziehbar Ausreisepflichtige, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag nur noch eingeschränkte Leistungen, wenn die Ausreise aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden konnte. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 042 2 Eine gesetzliche Grundlage für die verpflichtende Inanspruchnahme einer Beratung zur freiwilligen Rückkehr besteht jedoch nicht. Um die freiwillige Ausreisebereitschaft zu erhöhen, wird in Berlin durch das Landesamt für Flüchtlinge (LAF) eine Rückkehrberatung angeboten. Hier können sich sowohl ausreisepflichtige als auch bleibeberechtigte Ausländer über Rückkehr- und Integrationshilfen informieren und entsprechende Anträge auf Förderung der Ausreise mit öffentlichen Mitteln stellen. Darüber hinaus wird der erforderliche Kontakt zu anderen Behörden und Durchführungsorganisationen hergestellt und unterstützt. Eine weitere, durch die Internationale Organisation für Migration (IOM) betriebene Rückkehrberatungsstelle ist in der Ausländerbehörde Berlin angesiedelt . Zusätzlich beteiligt sich das Land Berlin seit Anfang 2016 an dem Bund-Länder-Programm URA 2. Das Programm richtet sich an kosovarische Rückkehrer und bietet umfassende Beratungsleistungen und zahlreiche Maßnahmen zur Reintegration und Unterstützung im Heimatland an. Ziel ist es, den Menschen eine nachhaltige Wiedereingliederung in ihrer Heimat zu ermöglichen und sie so nach Möglichkeit zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen. Angesichts der insbesondere für Angehörige ethnischer Minderheiten zum Teil recht schwierigen Widereingliederung richtet sich das URA 2- Programm allerdings auch an Personen, deren Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt worden ist. 3. Welche Kosten verursacht ein abgelehnter Asylbewerber pro Monat? Wer trägt diese Kosten? Zu 3.: Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, haben bis zu ihrer Ausreise Anspruch auf Leistungen, deren Form und Umfang vom Bundesgesetzgeber im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt wird. Träger der Leistungen nach dem AsylbLG ist Berlin in seiner Eigenschaft als Einheitsgemeinde, bestehend aus Land und Stadt. Die Aufgaben der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG werden in Berlin durch das LAF und die bezirklichen Sozialämter wahrgenommen. Einzelheiten zu den behördlichen Zuständigkeiten sind durch Ausführungsvorschriften über die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG - AV ZustAsylbLG geregelt, welche im Internet unter der URL http://www.berlin.de/sen/soziales/berlinersozialrecht /land/av/av_zustasylblg.html veröffentlicht sind. Der Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG wird für jede Person individuell bestimmt. Das Einkommen einer dem Grunde nach leistungsberechtigten Person mindert deren Bedarf nach dem AsylbLG. Nach § 3 AsylbLG ist der notwendige Bedarf, bestehend aus Ernährung , Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege , Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts zu decken. In den Fällen, in denen die Person in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Asylgesetz (AsylG) untergebracht ist, wird der notwendige Bedarf als Sachleistung gedeckt. Des Weiteren ist der notwendige persönliche Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG zu decken. Die aktuelle Höhe der zu erbringenden Leistungen zur Deckung des notwendigen und notwendigen persönlichen Bedarfes stellt sich wie folgt dar: Regelbedarfs - stufe (RBS) Personenkreis Notwendiger persönlicher Bedarf § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG Notwendiger Bedarf, soweit Person nicht in einer Einrichtung nach § 44 AsylG lebt § 3 Abs. 2 AsylbLG 1 Alleinstehende 135 Euro 216 Euro 2 Volljährige, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen 122 Euro 194 Euro 3 Haushaltsangehörige ab Beginn des 19. Lebensjahres (Lj.) 108 Euro 174 Euro 4 Haushaltsangehörige ab Beginn des 15. bis Vollendung des 18. Lj. 76 Euro 198 Euro 5 Haushaltsangehörige ab Beginn des 7. bis Vollendung des 14. Lj. 83 Euro 157 Euro 6 Haushaltsangehörige bis Vollendung des 6. Lebensjahres 79 Euro 133 Euro Die Unterkunftskosten werden je nach Art der Unterbringung als Sachleistung erbracht. Des Weiteren ist Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG zu gewähren. Soweit aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können oder soweit sich Asyl suchende Menschen entgegen einer Verteilentscheidung auf EU-Ebene hier aufhalten oder ihren Mitwirkungspflichten aus dem Asylgesetz nicht nachkommen , besteht nach § 1a AsylbLG nur noch ein eingeschränkter Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 042 3 4. Welche Maßnahmen sind zukünftig geplant, um alle abgelehnten Asylbewerber zur freiwilligen Ausreise zu bewegen oder abzuschieben? Zu 4.: Im Rahmen des Bund-Länder Programmes REAG/GARP (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany (REAG)/Government Assisted Repatriation Programme (GARP) wurden Anfang November 2016 Programmausweitungen beschlossen , die insbesondere die freiwillige Ausreise kranker und hilfsbedürftiger Personen verbessern und ggf. und zu einer besseren Inanspruchnahme der freiwilligen Ausreise durch diesen Personenkreis führen soll. Darüber hinaus werden auf bundes- und europäischer Ebene verschiedene Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr angeboten. Eine zwangsweise Rückführung abgelehnter Asylbewerber ist nur möglich, wenn keine rechtlichen oder tatsächlichen Duldungsgründe vorliegen. Die Erwartung, alle abgelehnten Asylbewerber könnten zurückgeführt werden, ist daher nicht realistisch. Zudem sind die Möglichkeiten auf Landesebene begrenzt, wenn Herkunftsstaaten bei der Rückübernahme nicht kooperieren. Auf der Ebene des Bundes und auch auf europäischer Ebene laufen daher insbesondere mit migrationspolitisch bedeutenden Staaten Verhandlungen mit dem Ziel die Zusammenarbeit in Fragen der Rückkehr und Rückführung zu verbessern und die Rückkehrquote zu erhöhen. Bei einigen Staaten konnten in jüngster Zeit bereits wesentliche Fortschritte erzielt werden. Berlin, den 25. November 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dez. 2016)