Drucksache 18 / 10 049 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) vom 14. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. November 2016) und Antwort Unterbringung von Wohnungslosen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vor dem Hintergrund einer aktuellen Berichterstattung des Tagesspiegels vom 12.11.2016 „Wohnungslose aßen Schwäne im Tiergarten“ frage ich den Senat: 1. Von wie vielen Wohnungslosen geht der Senat derzeit in Berlin aus? Zu 1.: Die Ermittlung valider Zahlen zur tatsächlichen Gesamtzahl der wohnungslosen Menschen im Land Berlin ist grundsätzlich nicht möglich, da konkrete Erhebungen durch Behörden nur in Bezug auf die Personen möglich ist, die dort bekannt geworden sind. a) Bewilligte Maßnahmen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII zum Stichtag 31.12.2015. (Datengrundlage: Open/Prosoz) b) Bezirklich kommunal und ordnungsrechtlich untergebrachte Wohnungslose im Land Berlin (zum Stichtag 31.12.,2015 Datengrundlage: bezirklichen Erhebung): Die Anzahl der kommunal und ordnungsrechtlich untergebrachten Personen betrug zum Stichtag 31.12.2015 16.696 Personen. (Datengrundlage: Angabe der Bezirke) Der Berliner Senat weist darauf hin, dass Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen nach § 67 SGB XII sowie kommunalen / ordnungsrechtlichen Unterkünften wohnungslos sind. Es ist darüber hinaus davon auszugehen , dass ein Großteil der Personen, die zum Stichtag ambulante Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII erhielten, ebenfalls wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht war. 2. Wie viele Anlaufstellen für Wohnungslose mit wie vielen angebotenen Mahlzeiten gibt es? Bitte die Anlaufstellen aufschlüsseln. 3. Wie viele wohnungslose Menschen werden in den jeweiligen Einrichtungen pro Tag abgewiesen (auch schätzungsweise) bzw. können keine Mahlzeit erhalten? Zu 2. und 3.: Jede Person, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln oder aus eigener Arbeitskraft bestreiten kann, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII oder dem SGB II. Zu den Leistungsansprüchen gehören die in § 8 Regelbedarfsermittlungsgesetz ausgewiesenen Regelbedarfe, die selbstverständlich auch Wohnungslose bei Vorliegen der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen erhalten. Ein wesentlicher Bestandteil des Regelbedarfs sind die Anteile für Nahrungsmittel und Getränke (ca. 33,5 %), so dass hinreichend finanzielle Mittel für den Erwerb von Lebensmitteln (zur Zubereitung von Mahlzeiten) vorhanden sind. Nur dem Grunde nach Leistungsberechtigte, die ihre Ansprüche nicht geltend machen oder die Regelversorgung noch nicht erreicht haben, können ihre Leistungen durch externe Stellen ergänzen. Für diese Zielgruppe finanziert die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales im Integrierten Sozialprogramm/ISP 18 Projekte, die niedrigschwellig in Anspruch genommen werden können. Darunter befinden sich vier Notübernachtungen, drei Bahnhofsdienste und zwei Ambulanzen mit ergänzendem Lebensmittelangebot. Die Projekte werden in der Trägerschaft frei gemeinnütziger Organisationen betrieben . Die Projekte werden ergänzend von der Berliner Tafel und anderen vergleichbaren Organisationen mit Lebensmitteln beliefert. Zur Größenordnung der Leistung aller Projekte: Diese haben im Jahr 2015 rd. 603.000 Warm-/ Kaltmahlzeiten bzw. Getränke ausgegeben. Nach den Erkenntnissen des Berliner Senats wird in den Projekten niemand abgewiesen, es sei denn, dass elementare Hausregeln - wie Gewalt gegen andere Gäste oder Mitarbeitende - missachtet werden. Maßnahmen gemäß § 67 SGB XII - Stichtag 31.12.2015 Anzahl ambulant 4.178 stationär 379 Gesamt 4.557 Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 049 2 Der Berliner Senat hat keinen Einfluss auf Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen bzw. keine Kenntnis über sämtliche Anlaufstellen im Land Berlin, die im Rahmen des Bürgerschaftlichen Engagements Lebensmittel einsammeln und an Bedürftige weiterleiten. Ein Zusammenhang zwischen dem bestehenden, stark ausdifferenzierten Hilfesystem zur Berichterstattung des Tagesspiegels vom 12.11.2016 mit wirklich oder vermeintlich verzehrten Schwänen besteht nicht bzw. ist nicht sinnvoll herstellbar. 4. Wie viele Plätze, die eine medizinische Versorgung leisten, stehen gegenwärtig wohnungslosen Menschen in Berlin zur Verfügung? Bitte die einzelnen Plätze aufschlüsseln . 4. a) Wie viele wohnungslose Menschen können medizinisch nicht versorgt werden? Bitte – wenn möglich – für die vergangenen zwei Monate und für die einzelnen Wochentage benennen. Wenn dies nicht möglich ist, bitte einen durchschnittlichen Wert angeben (auch schätzungsweise ). 5. Wie viele Plätze für kranke wohnungslose Menschen , die nicht im Krankenhaus aufgenommen werden (jedoch einer medizinischen Pflege und Betreuung bedürfen ) und die einen Schlafplatz beinhalten, gibt es derzeit in Berlin? 5. a) Wie viele Menschen werden hier im Schnitt pro Tag abgewiesen? auch schätzungsweise. Zu 4. bis 5. a.: Wohnungslose Menschen erhalten als Bezieher/innen von laufenden Leistungen nach SGB II/XII auch medizinische Leistungen nach § 48 SGB XII. Die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen selber wird grundsätzlich durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sichergestellt. Der Leistungskatalog entspricht dem der gesetzlichen Krankenversicherung. Die ärztliche / medizinische Behandlung ist auch für Menschen im o. g. Umfang sichergestellt, die über keine eigene Wohnung verfügen und kommunal durch die Bezirke in einer Unterkunft untergebracht sind. Obdachlose Menschen, die dem Grund nach sozialhilferechtlich anspruchsberechtigt sind, aber aktuell über keinen /Versicherungsschutz bzw. keine Versichertenkarte verfügen, können die beiden Ambulanzen oder das Arztmobil für wohnungslose Menschen aufsuchen. Die beiden Ambulanzen und das Arztmobil werden im Integrierten Sozialprogramm – ISP gefördert. Die drei Projekte haben im Jahr 2015 rd. 1500 Patientinnen und Patienten behandelt. Eine Dokumentation der Behandlungen/ Konsultationen nach Wochentagen erfolgt nicht. Im Jahr 2015 wurden über 10.000 Behandlungen erbracht. Dem Berliner Senat liegen keine Erkenntnisse vor, dass Patientinnen und Patienten abgewiesen wurden bzw. nicht gedeckte Bedarfe bestehen. 6. Wie beurteilt der Senat die oben beschriebene Lage und welche Perspektiven und Handlungsbedarfe sieht er diesbezüglich? Zu 6.: Bereits seit 1989 ist mit der „Kältehilfe“ ein Programm ins Leben gerufen worden, um auf der Straße lebenden Menschen eine unbürokratische Übernachtungsmöglichkeit während der kalten Jahreszeit anzubieten . Im vergangenen Winter wurden rd. 800 Notschlafplätze angeboten. Zahlreiche Kirchengemeinden, Vereine und Initiativen beteiligen sich zum Teil darüber hinaus jeweils mit eigenen Angeboten wie z. B. Notübernachtungen , Nachtcafés, Suppenküchen und Treffpunkten. Weiter erhalten mittellose Obdachlose zur Abwendung akut drohender Obdachlosigkeit einen Unterkunftsplatz in einer behördlich vermittelten Unterkunft im Land Berlin. Die Maßnahme dient der Behebung der mit der Obdachlosigkeit verbundenen Gefahr für Leib oder Leben der Person. Der Rechtsanspruch wird durch das für die Aufgabe der Unterbringung zuständige Bezirksamt gemäß Allgemeinem Zuständigkeitsgesetz (AZG) bzw. nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG Berlin) umgesetzt. Die Senatssozialverwaltung bleibt mit allen Akteurinnen und Akteuren aktiv daran beteiligt, die Versorgungsangebote für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen sicherzustellen und weiterzuentwickeln . Berlin, den 02. Dezember 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Dez. 2016)