Drucksache 18 / 10 063 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 08. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. November 2016) und Antwort Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2015 – Berlin mal wieder Schlusslicht Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie sehen die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2015 für die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie im Fach Deutsch für das Land Berlin aus, wie haben sich die Ergebnisse im Vergleich zu 2009 entwickelt und wie bewertet der Senat diese Entwicklung? Zu 1.: Der Bildungstrend 2015 zeigt für alle drei Kompetenzbereiche für das Land Berlin, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in der 9. Jahrgangsstufe den jeweiligen Regelstandard des Mittleren Schulabschlusses (MSA) erreichen, niedriger ist als der deutsche Durchschnittswert und der Anteil derjenigen, die den Mindeststandard noch nicht erreichen, höher. Kompetenzbereich Regelstandard erreicht Mindeststandard nicht erreicht Berlin Durchschnittswert für Deutschland Berlin Durchschnittswert für Deutschland Lesen 42,7 48,4 30,8 23,4 Zuhören 53,4 61,9 27,2 18,5 Orthografie 58,3 65,9 19,9 13,7 Der Vergleich zu 2009 zeigt hierbei, dass sich in Berlin weder der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard verfehlen, noch der Anteil derer, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, verändert haben. Das heißt, dass auch wenn Berlin im länderübergreifenden Vergleich insgesamt eine schwächere Position einnimmt, sich in der Gegenüberstellung der Ergebnisse von 2009 und 2015 kein negativer Trend abzeichnet. Vielmehr ist ebenfalls abzulesen, dass sich der Anteil der besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schüler nicht vom deutschen Gesamtwert unterscheidet, was darauf schließen lässt, dass in diesem Bereich die Förderung ähnlich gut gelingt wie in den meisten anderen Ländern. Insgesamt kann man dennoch an den Ergebnissen ablesen , dass es dem Land Berlin in den Jahren seit 2009 noch nicht gelungen ist, alle Jugendlichen so zu fördern, dass sie mit gleichen Anteilen den Regelstandard erreichen wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler durchschnittlich im übrigen Deutschland. 2. Wie sehen die Ergebnisse des ISQ-Bildungstrends 2015 für die Kompetenzbereiche Lesen und Zuhören im Fach Englisch für das Land Berlin aus, wie haben sich diese Ergebnisse im Vergleich zu 2009 entwickelt und wie bewertet der Senat diese Entwicklung? Zu 2.: Dem Bericht des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB-Bildungstrends 2015) entsprechend , erreichte Berlin im Fach Englisch in den Kompetenzbereichen Leseverstehen und Hörverstehen jeweils einen Wert von 482 bezogen auf einen Mittelwert von 500 Einheiten. Es wurde damit beim Leseverstehen Rang 15 und beim Hörverstehen Rang 12 im Ländervergleich erreicht. Beim IQB-Ländervergleich 2009 erreichte Berlin beim Leseverstehen einen Wert von 487 und belegte damit Rang 9. Beim Hörverstehen wurde ein Wert von 488 erreicht, was im Ländervergleich Rang 8 entsprach. Hier war für Berlin ein leichter Abwärtstrend zu beobachten . Im Vergleich zu 2009 verringerte sich die Punktzahl im Kompetenzbereich Leseverstehen um 5 Punkte und im Kompetenzbereich Hörverstehen um 6 Punkte. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 063 2 Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft nimmt dies zum Anlass, die eigenen Maßnahmen zur Verbesserung der Lern- und Unterrichtsqualität weiter auszubauen bzw. mit dem in anderen Bundesländern ergriffenen Maßnahmen abzugleichen und gegebenenfalls anzupassen. 3. Wie erklärt sich der Senat das bundesweit zweitschlechteste Ergebnis der Berliner Schülerinnen und Schüler im Fach Deutsch? 4. Wie erklärt sich der Senat den Negativtrend bei der Erreichungs- bzw. Übertreffungsquote des Regelstandards (MSA) in den Kompetenzbereichen Lesen, Zuhören und Orthografie im Fach Deutsch zwischen den Jahren 2009 und 2015? 5. Wie erklärt sich der Senat den Anstieg der Nichterreichungsquote des Mindeststandards (MSA) in den Kompetenzbereichen Lesen und Zuhören im Fach Deutsch zwischen den Jahren 2009 und 2015? Zu 3., 4. und 5.: Bei der Bewertung der Ergebnisse im Fach Deutsch gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Bevölkerungsstruktur des Landes Berlin in vielerlei Hinsicht merklich von der anderer Bundesländer unterscheidet . Da schulische Bildung in der Grundschule nicht voraus -setzungslos beginnt und insbesondere der Erwerb von Sprachkompetenz in der Familie beginnt, liegt ein Teil der vielfältigen Probleme bereits in den schwierigen Startbedingungen, die viele Schülerinnen und Schüler in Berlin zu bewältigen haben. Gerade der Deutschunterricht bleibt beständig mit dem Sprachalltag in der sozialen Umgebung der Schülerinnen und Schüler konfrontiert und kann darum nur durch konkrete und kontinuierliche Förderung im täglichen Unterricht wirksam werden. Genau hier setzt der neue Rahmenlehrplan 1 - 10 mit seiner konsequenten Orientierung am Erwerb von Kompetenzen an, die Voraussetzung sind, um erworbenes Wissen erfolgreich nutzen zu können. Aus dem Bericht des Bildungstrends 2015 gehen für das Land Berlin, wie bereits oben dargestellt, keine Negativtrends in der Erreichensquote des Regelstandards bzw. ein Anstieg der Nichterreichensquote hervor. Die Differenzen zwischen den Anteilen der Schülerinnen und Schüler, die im Jahr 2009 und 2015 den Regelstandard (MSA) erreichten, betragen für Lesen -1.4, für Zuhören - 0.9 und für Orthografie -0.6, womit sie von der Studie als statistisch nicht signifikant gekennzeichnet werden. Das gleiche gilt für die Differenz der Werte des Nichterreichens des Mindeststandards (1.0/2.1/0.7). 6. Welche Maßnahmen hat der Senat bisher umgesetzt , um die sprachlichen Kompetenzen der Berliner Schülerinnen und Schüler zu verbessern, welche umgesetzten Maßnahmen waren nach Einschätzung des Senats erfolgreich und welche nicht und sieht der Senat weiteren Handlungsbedarf bei der Förderung des Deutschunterrichts in Berlin, um diesem Negativtrend entgegenzuwirken ? 7. Welche Maßnahmen könnten nach Einschätzungen des Senats zu einer Steigerung der Erreichungs- bzw. Übertreffungsquote des Regelstandards (MSA) im Fach Deutsch führen? 8. Welche Maßnahmen könnten nach Einschätzungen des Senats zu einer Verringerung der Nichterreichensquote des Mindeststandards (MSA) im Fach Deutsch führen? Zu 6., 7. und 8.: Umgesetzte Maßnahmen: Im Mai 2015 wurde das Zentrum für Sprachbildung (ZeS) eröffnet, mit dessen Einrichtung die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft einer Empfehlung der Expertise „Erfolgreiche Sprachförderung unter Berücksichtigung der besonderen Situation Berlins“ (Ehlich /Valtin/Lütke, 2012) folgte. Übergreifendes Ziel des ZeS ist es, Kitas und Schulen bei der durchgängigen Sprachbildung und Sprachförderung zu unterstützen. Hierfür initiiert und begleitet es den Aufbau von Netzwerken und kooperiert mit den Berliner Universitäten, dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg, dem Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) und zahlreichen anderen Einrichtungen. Darüber hinaus beteiligt sich Berlin an der gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS), die dazu dient, Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung weiterzuentwickeln, in ihrer Wirksamkeit zu überprüfen sowie erweiterte Fortbildungsangebote zu schaffen. Im Schuljahr 2011/2012 startete das Modellvorhaben LeseProfis, ein Peerprojekt zur Leseförderung. Schülerinnen und Schüler werden hier in Workshops zu Leseexperten ausgebildet, um gleichaltrige oder jüngere Mitschülerinnen und Mitschüler zum Lesen zu motivieren, sie zu unterstützen und für ein lesefreundliches Klima an ihren Schulen zu sorgen. Das Projekt wird in diesem Schuljahr auch auf die Willkommensklassen ausgeweitet. Bereits für die erste Phase der Lehrerbildung (Lehramtszugangsverordnung) wurde sichergestellt , dass Studierende aller Lehrämter im Rahmen ihres Studiums Leistungspunkte in der Sprachbildung erwerben. Im Vorbereitungsdienst gehört die Sprachbildung und Sprachförderung zu den sogenannten Pflichtbausteinen. Finanzielle Unterstützung erhalten Schulen als Strukturmittel für Sprachförderung sowie seit Schuljahresbeginn 2015/2016 als Möglichkeit zur Teilnahme am Bonusprogramm. Erziehungsberechtigte können im Rahmen des Bildungspakets kostenlose Lernförderung beantragen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 063 3 Zukünftig wirksame Maßnahmen: Im Rahmenlehrplan 1 - 10, der ab dem Schuljahr 2017/2018 unterrichtswirksam wird, wurde für den Deutschunterricht in stärkerem Maße als bisher die Vermittlung von Lesestrategien verbindlich vorgegeben . Zugleich lässt das Niveaustufenmodell eine genauere Diagnose und - darauf basierend - Förderung der Schülerinnen und Schüler zu, da die zu erreichenden Standards in weitaus höherem Maße ausdifferenziert wurden als im bisher noch gültigen Rahmenlehrplan. Lehrkräfte können auf dieser Grundlage genauer einschätzen, welchen Förderbedarf die Schülerinnen und Schüler haben, um das für den jeweiligen Bildungsgang in der jeweiligen Jahrgangsstufe geforderte Niveau zu erreichen . Dies gilt sowohl für das Lesen als auch für die Orthographie und alle anderen Kompetenzbereiche . Darüber hinaus sind für jede Niveaustufe verbindliche und konkrete Wissensbestände ausgewiesen, die im Deutschunterricht erarbeitet werden müssen . Damit soll eine verbindlichere Unterstützung des Kompetenzerwerbs der Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden. Im MSA wird es in Zukunft einen eigenen Prüfungsteil zur Orthographie geben. Damit wird der Erwerb von Rechtschreibkompetenz stärker in den Fokus des Unterrichts der Sekundarstufe I gerückt Überdies unterstützt die Aufnahme des Basiscurriculums Sprachbildung in den Rahmenlehrplan 1 - 10 den Erwerb von bildungssprachlicher Kompetenz im mündlichen wie im schriftlichen Bereich, indem die Sprachbildung nunmehr in allen Fächern verpflichtend ist und diese Aufgabe nicht mehr exklusiv dem Deutschunterricht übertragen wird. Die konkrete Umsetzung dieser Vorgaben erfolgt schließlich im derzeit zu entwickelnden schulinternen Curriculum, in dem jede Schule konkret und mit Blick auf ihre spezielle Schülerschaft gemeinsam entscheidet und verbindlich festlegt, wie Sprachbildung und Sprachförderung im alltäglichen Unterrichtsgeschehen umgesetzt werden sollen . 9. Wie bewertet der Senat die Maßnahmen Schleswig- Holsteins zur Verbesserung der Leistung von Schülerinnen und Schülern im Fach Deutsch, hat der Senat diese Maßnahmen auf ihre Anwendbarkeit im Land Berlin geprüft, plant der Senat die Anwendung dieser Maßnahmen im Land Berlin und wenn ja, ab wann und wenn nein, weshalb nicht? Zu 9.: Das Projekt „Niemanden zurücklassen – Lesen macht stark“, das im Jahr 2006 in Schleswig-Holstein unter Beteiligung etlicher Kooperationspartner ins Leben gerufen wurde, begann die Lesekompetenzförderung zunächst an 50 Hauptschulen. Aufgrund großer Resonanz wurde das Vorhaben sukzessive auf weiterführende Schulen (außer Gymnasien) und schließlich auch Grundschulen ausgeweitet. Der Bildungstrend 2015 zeigt, dass das Projektziel der deutlichen Reduzierung der sogenannten Risikogruppe der leseschwachen Schülerinnen und Schüler durch verstärkte Unterstützung erfolgreich erreicht wurde. Dieses Projekt in Schleswig-Holstein war als umfangreiche, viele Bausteine umfassende Bildungsinitiative (z.B. Ausstattung der Schulen mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden, flächendeckende Fortbildungsveranstaltungen , Bereitstellen von Lesemappen und Materialordnern etc.) außerordentlich ressourcenintensiv und damit in Berlin in den vergangenen Jahren aus haushälterischen Gründen nicht in vergleichbarer Weise realisierbar . Seither hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zahlreiche eigene nachhaltige Maßnahmen zur Förderung der Sprachkompetenz entwickelt und auf den Weg gebracht (s. Antworten zu 6., 7. und 8.), immer auch die Erfahrungen anderer Länder in diesem Bereich aufgreifend. Unter der Maßgabe, dass Berlin als Stadtstaat andere strukturelle Bedingungen zu bewältigen hat als ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, geben diese Ideen, zumal wenn sie sich als erfolgreich erweisen, für zukünftige Vorhaben möglicherweise wichtige Impulse . 10. Wie bewertet der Senat die Maßnahmen Brandenburgs zur Verbesserung der Leistung von Schülerinnen und Schüler im Fach Englisch, hat der Senat diese Maßnahmen auf ihre Anwendbarkeit im Land Berlin geprüft, plant der Senat die Anwendung dieser Maßnahmen im Land Berlin und wenn ja, ab wann und wenn nein, weshalb nicht? Zu 10.: Die im Land Brandenburg durchgeführten Maßnahmen werden generell als positiv eingeschätzt. In Bezug auf das in Brandenburg von 2012 bis 2015 erfolgreich durchgeführte Projekt „Englischunterricht konkret“ (schulnahe Unterstützung für einen modernen Englischunterricht) wird derzeitig geprüft, inwieweit es in Berlin im Rahmen der bestehenden Fortbildungsstrukturen durchgeführt werden kann. Ein vergleichbares Projekt soll nach Möglichkeit zu Beginn des kommenden Schuljahres in Berlin starten. Im Land Brandenburg gibt es seit 2008 „Verbindliche curriculare Vorgaben für den Englischunterricht in den Jahrgangsstufen 1 - 6“, die eine Konkretisierung des bisherigen RLP darstellen und u. a. Hinweise zur Lern- und Leistungsentwicklung im Fremdsprachenunterricht geben und Unterrichtsbeispiele enthalten. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 063 4 Das Landesinstitut für Schule und Medien wurde bereits beauftragt, für Berlin ähnliche Materialien für den Englischunterricht zu erarbeiten. Diese sollen den Lehrkräften zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 zur Verfügung stehen und auf den neuen RLP 1 - 10 abgestimmt sein. Inwieweit das Angebot der Englischen Sommerakademie (zwei jeweils einwöchige Intensivfortbildungskurse für Brandenburger Lehrkräfte, die vom Institut für Weiterqualifizierung im Bildungsbereich an der Universität Potsdam angeboten werden und im LISUM stattfinden) auch für Berliner Lehrkräfte geeignet und im Rahmen bestehender Ressourcen durchführbar ist, muss noch geprüft werden. Berlin, den 29. November 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Dez. 2016)