Drucksache 18 / 10 068 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 16. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. November 2016) und Antwort Islamischer Religionsunterricht in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was waren die Gründe, weshalb die Islamische Föderation in Berlin (IFB) mit der Ausführung des islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen betraut wurde? Zu 1.: Grund dafür, dass der Islamischen Föderation die Erteilung islamischen Religionsunterrichtes gestattet wurde, ist, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin in seinem Urteil vom 4. November 1998, Az.: OVG 7 B 4.98, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 19.12.1997, Az.: 3 A 2196.93, das Land Berlin dazu verurteilt hat. Die Revision hiergegen wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Februar 2000, Az.: 6 C 5.99, zurückgewiesen. Der Religions- und Weltanschauungsunterricht ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für das Land Berlin (SchulG) Sache der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften . 2. Wie viele Lehrer für den freiwilligen islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen waren jeweils seit seiner Einführung in den jeweiligen Schuljahren und in den einzelnen Bezirken im Einsatz? Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erfasst diese Daten nicht. 3. Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchten und besuchen in den jeweiligen Schuljahren in den einzelnen Bezirken den freiwilligen islamischen Religionsunterricht seit seiner Einführung? Zu 3.: In der Anlage 1 ist eine Zeitreihe zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am islamischen Religionsunterricht für die Schuljahre 2003/2004 bis 2015/2016 enthalten. 4. Welche Mittel in welcher Höhe erhielt und erhält die IFB jeweils in den einzelnen Schuljahren und aktuell seit Einführung des freiwilligen islamischen Religionsunterrichts ? Zu 4.: Die Islamische Föderation in Berlin (IFB) erhielt folgende Zuschüsse für die teilweise Deckung - bis zu 90 v. H. - der durch den islamischen Religionsunterricht entstandenen Personal- und Ausbildungskosten, unter der Voraussetzung, dass die Islamische Föderation in Berlin sich mit 10 v. H. an den Personal- und Fortbildungskosten beteiligt. Jahr Zuschusssumme 2016 1.103.510,00 € 2015 924.576,00 € 2014 889.570,00 € 2013 941.873,00 € 2012 912.931,00 € 2011 783.792,00 € 2010 781.796,00 € 2009 781.795,00 € 2008 704.943,00 € 2007 689.739,00 € 2006 713.299,00 € 2005 708.615,00 € 2004 606.355,00 € 2003 386.446,00 € 5. Wann, wie häufig und durch wen wurden jeweils in den Schuljahren seit seiner Einführung in den einzelnen Bezirken die Qualität und die Inhalte des freiwilligen islamischen Religionsunterrichts an Berliner Schulen geprüft? 6. Erfolgten und erfolgen diese Überprüfungen angemeldet oder unangemeldet? Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 068 2 Zu 5. und 6.: Nach § 13 Absatz 3 SchulG übernehmen die Religionsgemeinschaften die Verantwortung dafür, dass der Religionsunterricht gemäß den für den allgemeinen Unterricht geltenden Bestimmungen durchgeführt wird. Auf der Grundlage von Nummer 8 Absatz 1 der Ausführungsvorschriften über den Religions- oder Weltanschauungsunterricht (AV Religions- oder Weltanschauungsunterricht ) wurden seit dem Schuljahr 2005 bzw. 2014 bei den neuen Anbietern des islamischen Religionsunterrichts (Islamische Föderation und Aleviten) pro Schulhalbjahr ein unangemeldeter Unterrichtsbesuch durch die zuständige Schulaufsicht oder die Schulleitung (Schulleiterin, Schulleiter oder stellvertretende Schulleiterin , stellvertretender Schulleiter) durchgeführt. Inwieweit die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht Unterrichtsbesuche bei den von ihnen beauftragten Lehrkräften durchführen, wird von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft nicht erfasst. 7. Wurden zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts Kriterien über Unterrichtsqualität und -inhalte erarbeitet und wenn ja, wie sehen diese aus? Zu 7.: Mit Urteil vom 25. Oktober 2001, Az.: VG 27 A 254.01, hat das Verwaltungsgericht Berlin dem Land Berlin verwehrt, das pädagogische Unterrichtskonzept der Islamischen Föderation vertieft zu prüfen. Erst mit Einführung des aktuellen Schulgesetzes im Jahre 2004 wurde mit § 13 Abs. 3 Satz 2 SchulG eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Überprüfung der Rahmenlehrpläne geschaffen. Die Genehmigung der Rahmenlehrpläne für den freiwilligen islamischen Religionsunterricht erfolgte auf der Grundlage folgender Kriterien: Die Rahmenlehrpläne - entsprechen den gesetzlichen Grundlagen, insbesondere dem Grundgesetz, - befinden sich in Übereinstimmung mit den allgemeinen Zielen der Berliner Schule, - folgen den Grundsätzen der Rahmenlehrplanentwicklung , insbesondere der Kompetenzorientierung und - befinden sich in Übereinstimmung mit den allgemeinen Prinzipien eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts . 8. Verfügt der Senat über Durchgriffsrechte gegenüber den islamischen Religionslehrern für den Fall, dass die Qualität oder Inhalte des islamischen Religionsunterrichts nicht den Kriterien entsprechen? Zu 8.: Nach § 13 Abs. 3 SchulG übernehmen die Religionsgemeinschaften die Verantwortung dafür, dass der Religionsunterricht gemäß den für den allgemeinen Unterricht geltenden Bestimmungen durchgeführt wird. Nach Nummer 8 Absatz 1 der Ausführungsvorschriften über den Religions- oder Weltanschauungsunterricht (AV Religions- oder Weltanschauungsunterricht) dürfen Vertreterinnen und Vertreter der Schulaufsichtsbehörde Einsicht in den Unterrichtsablauf nehmen und zu diesem Zweck Unterrichtsbesuche abstatten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nach der Rechtsprechung die Erteilung von Religionsunterricht eine autonome, vom Staat grundsätzlich in keiner Weise zu beeinflussende Angelegenheit ist. Die staatliche Überprüfung muss sich darauf beschränken, dass der Unterricht nicht den Bildungszielen der Berliner Schule und der Werteordnung des Grundgesetzes zuwiderläuft und in seinem Gesamtgepräge eine Art „Gegenunterricht“ zum sonstigen Schulunterricht darstellt. 9. Über welche Ausbildung verfügten und verfügen die islamischen Religionslehrer? 10. Wie werden die islamischen Religionslehrer ausgebildet und wie werden sie auf ihren Einsatz an Berliner Schulen vorbereitet und vom Senat bzw. untergeordneten Behörden begleitet? Zu 9. und 10.: § 13 Abs. 2 Satz 1 SchulG sieht zwei alternative Tatbestände vor, deren Erfüllung die Erteilung von Religionsunterricht jeweils ermöglicht. Die erste Fallgruppe umfasst Personen mit der Befähigung für ein Lehramt und einer Prüfung im Fach Religionslehre. Die zweite Fallgruppe umfasst Personen, die ein fachwissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben. Da bisher ein Studium der islamischen Theologie in Berlin nicht angeboten wird, haben die Lehrkräfte der Islamischen Föderation in der Regel ein fachwissenschaftliches Studium der Fachrichtung Islamwissenschaften abgeschlossen und gehören damit zur zweiten Kategorie. Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung dieser Lehrkräfte sind allein die jeweiligen Religionsgemeinschaften zuständig. 11. Wird die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie an der HU dazu führen, dass mittelfristig Absolventen dieses universitären Studiengangs den islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen unterrichten werden? Zu 11.: Der Religionsunterricht ist gemäß § 13 Abs. 1 SchulG Sache der Religionsgemeinschaften. Es sind daher die Religionsgemeinschaften, die – nach Maßgabe der Anforderungen gemäß § 13 SchulG – entscheiden, wen sie mit der Erteilung des Religionsunterrichts betrauen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 068 3 Mit der Einrichtung des Instituts für Islamische Theologie wird unter anderem das Ziel des Aufbaus einer akademischen Ausbildung von Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht verfolgt. Der Senat erwartet, dass Absolventinnen und Absolventen der entsprechenden Studienangebote für den islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen in Betracht kommen werden. Berlin, den 06. Dezember 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Dez. 2016) Teilnehmerinnen und Teilnehmer am islamischen Religionsunterricht sowie deren Anteil an der Gesamtschülerzahl Anlage 1 an öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen in Berlin Schuljahr 2003/2004 bis 2015/2016 absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % Islamischer Religionsunterricht (Islamische Föderation) 4.991 1,65 - - 4.991 1,49 4.849 1,63 - - 4.849 1,47 5.211 1,78 - - 5.211 1,61 Islamischer Religionsunterricht (Aleviten) 161 0,05 - - 161 0,05 129 0,04 - - 129 0,04 142 0,05 - - 142 0,04 Islamischer Religionsunterricht Insgesamt 5.152 1,71 - - 5.152 1,53 4.978 1,67 - - 4.978 1,51 5.353 1,83 - - 5.353 1,65 Zahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt 301.927 33.999 335.926 297.308 32.924 330.232 292.632 31.393 324.025 absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % Islamischer Religionsunterricht (Islamische Föderation) 5.374 1,86 - - 5.374 1,68 4.879 1,67 - - 4.879 1,52 4.833 1,66 - - 4.833 1,51 Islamischer Religionsunterricht (Aleviten) 156 0,05 - - 156 0,05 144 0,05 - - 144 0,04 149 0,05 - - 149 0,05 Islamischer Religionsunterricht Insgesamt 5.530 1,91 - - 5.530 1,73 5.023 1,72 - - 5.023 1,56 4.982 1,71 - - 4.982 1,56 Zahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt 289.152 30.135 319.287 292.267 29.323 321.590 291.930 28.128 320.058 2012/2013 2011/2012 2010/2011 Art des Unterrichts Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen 2015/2016 Art des Unterrichts Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen 2014/2015 Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen 2013/2014 Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Seite 1 von 3 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am islamischen Religionsunterricht sowie deren Anteil an der Gesamtschülerzahl Anlage 1 an öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen in Berlin Schuljahr 2003/2004 bis 2015/2016 absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % Islamischer Religionsunterricht (Islamische Föderation) 4.922 1,67 - - 4.922 1,53 4.597 1,54 - - 4.597 1,42 4.471 1,46 - - 4.471 1,36 Islamischer Religionsunterricht (Aleviten) 143 0,05 - - 143 0,04 128 0,04 - - 128 0,04 134 0,04 - - 134 0,04 Islamischer Religionsunterricht Insgesamt 5.065 1,72 - - 5.065 1,58 4.725 1,58 - - 4.725 1,46 4.605 1,51 - - 4.605 1,40 Zahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt 294.538 26.332 320.870 298.499 24.721 323.220 305.280 23.100 328.380 absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % Islamischer Religionsunterricht (Islamische Föderation) 4.320 1,38 - - 4.320 1,29 4.300 1,34 - - 4.300 1,26 4.023 1,25 - - 4.023 1,18 Islamischer Religionsunterricht (Aleviten) 190 0,06 - - 190 0,06 111 0,03 - - 111 0,03 127 0,04 - - 127 0,04 Islamischer Religionsunterricht Insgesamt 4.510 1,44 - - 4.510 1,35 4.411 1,37 - - 4.411 1,29 4.150 1,29 - - 4.150 1,22 Zahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt 313.222 21.657 334.879 321.187 20.441 341.628 321.978 18.680 340.658 2009/2010 2008/2009 2007/2008 Art des Unterrichts Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen 2004/20052005/20062006/2007 Art des Unterrichts Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Seite 2 von 3 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am islamischen Religionsunterricht sowie deren Anteil an der Gesamtschülerzahl Anlage 1 an öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen in Berlin Schuljahr 2003/2004 bis 2015/2016 absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % absolut in % Islamischer Religionsunterricht (Islamische Föderation) 2.785 0,84 - - 2.785 0,80 1.464 0,43 - - 1.464 0,41 Islamischer Religionsunterricht (Aleviten) 132 0,04 - - 132 0,04 - - - - - - Islamischer Religionsunterricht Insgesamt 2.917 0,88 - - 2.917 0,84 1.464 0,43 - - 1.464 0,41 Zahl der Schülerinnen und Schüler insgesamt 330.531 17.617 348.148 339.101 17.014 356.115 2002/2003 Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen Art des Unterrichts Öffentliche Schulen Private Schulen Zusammen 2003/2004 Seite 3 von 3 S18-10068 S1810068 Anlage