Drucksache 18 / 10 072 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Claudio Jupe (CDU) vom 21. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. November 2016) und Antwort Niederschmetternde Ergebnisse im aktuellen Ländervergleich Bildungswesen – wie sieht das eigentlich die Schulinspektion? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass bei den Untersuchungen der Schulinspekteure in den einzelnen Schulen auch die Qualität des Unterrichts bewertet wird und wenn ja, welche Schlussfolgerungen und insbesondere Konsequenzen wurden bzw. werden gezogen? 2. Geht die Senatsverwaltung für Bildung mit mir konform, wenn ich die oben gestellte Frage wie folgt selbst zu beantworten versuche: „Die Inspektion im Land Berlin bewertet und befindet möglicherweise die Ergebnisse von Unterricht als zu leicht bzw. (viel zu) schlecht. Aber Konsequenzen daraus führen nicht zu verwertbaren Schlussfolgerungen und - siehe aktuelle Vera-Ergebnisse - zu letzten Rangplätzen im Ländervergleich der Bundesrepublik Deutschland.“? Zu 1. und 2.: Zur Beantwortung dieser Fragen sind zunächst die Funktion und der Auftrag der Schulinspektion zu verdeutlichen. Die Festlegungen der Kultusministerkonferenz (KMK) ab Mitte der 90er Jahre zum Erreichen von Bildungsstandards und zur Teilnahme an nationalen und internationalen Vergleichsstudien führten zu einer Abkehr von der gängigen Input-Steuerung hin zu einem Output-Systemmonitoring. Berlin hat - parallel zu der Entwicklung in anderen Ländern - mit einem neuen Schulgesetz (2004) und einem Bündel an qualitätsbezogenen Maßnahmen ein System zur Qualitätsentwicklung und -sicherung aufgebaut. Die im Schulgesetz verankerte Eigenverantwortung der Schulen wurde dabei als logische Folge mit der Überprüfung durch eine externe Evaluation verknüpft. 1. Die Schulinspektion stellt den Schulleitungen Ergebnisse zur Verfügung, aus denen diese wichtige Impulse zur eigenen Schulentwicklung ziehen können. 2. Die Schulinspektion stellt der Schulaufsicht Ergebnisdarstellungen zur Verfügung, aus denen diese Erkenntnisgewinn zur Unterstützung der Schulen ziehen können. 3. Die Schulinspektion stellt der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Ergebnisse der Schulen und thematische Auswertungen für das Bildungsmonitoring zur Verfügung. Folgerichtig stellt die Schulinspektion den Stand der Qualitätsentwicklung an den Schulen fest und ist damit ein Diagnoseinstrument. Der Umgang mit den Inspektionsergebnissen obliegt den Schulen, die Beratung und Unterstützung erfolgt durch die zuständige Schulaufsicht. Die Schulinspektion erhebt in den Schulen Daten zu 15 in der Unterrichtsforschung anerkannten, das Lernen von Schülerinnen und Schülern begünstigenden Qualitätskriterien . Dazu zählen beispielsweise die Strukturierung des Unterrichts, das pädagogische Klima, der Grad der Problemorientierung und die differenzierte Ausrichtung der Lernangebote auf die Schülerinnen und Schüler. Nach einer Inspektion erhält jede Schule eine Auswertung zur schulweiten Ausprägung der einzelnen Merkmale, um darauf aufbauend den Unterricht in der Schule weiterentwickeln zu können. Es trifft nicht zu, dass die Schulinspektion dabei die Ergebnisse der Unterrichtsqualität, weder für die einzelne Schule noch berlinweit, als zu leicht oder (viel zu) schlecht bewertet. Vielmehr werden sowohl die Stärken als auch der Entwicklungsbedarf des Unterrichts herausgestellt. Detaillierte Ausführungen zur Unterrichtsqualität in Berlin finden sich im Bericht „7 Jahre Schulinspektion in Berlin“ vom April 2014 auf den Seiten 19 ff. (www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/schulinspektion ). Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 072 2 3. Wie will die Bildungsverwaltung künftig handeln, um nach Jahrzehnten der Stagnation auf letzten Plätzen irgendwann vielleicht doch wenigstens ins Mittelfeld der Ranglisten zu kommen? Zu 3.: Um die Leistungsfähigkeit der Berliner Schule zu stärken, soll u.a. die Anzahl der Fachcoaches verdoppelt werden. Die Arbeit von proSchul als landeseigene Unterstützungsagentur soll mit den Hilfesystemen regionaler Fortbildung, der Schulinspektion und der Schulpsychologie besser vernetzt und koordiniert werden. Zudem werden Schulen in der Nutzung externer und interner Evaluationsergebnisse künftig noch stärker unterstützt. Teamarbeit und Kooperation sind wichtige Elemente einer guten Schule. Es wird eine Konzeption zur Teamarbeit erarbeitet. Zur Förderung der Team-, Schul- und Unterrichtsentwicklung werden Grundschulen beginnend zum Schuljahr 2017/2018 durch einen Stundenpool entlastet . Die Größe des Pools ist abhängig von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler einer Schule, umfasst jedoch mindestens sechs Stunden für jede Grundschule. Im Rahmen schulischer Selbstständigkeit erhalten die weiterführenden Schulen die Möglichkeit, anstelle der Besetzung freier Funktionsstellen zusätzliche Anrechnungsstunden zu gewähren. Die Unterrichtsentwicklung wird durch den neuen Rahmenlehrplan für die Jahrgangsstufen 1 bis 10 gestärkt. Das Niveaustufenmodell des neuen Rahmenlehrplans lässt eine genauere Diagnose und darauf aufbauend eine effizientere Förderung der Schülerinnen und Schüler zu, da die zu erbringenden Standards in einem weitaus höherem Maß ausdifferenziert wurden als in den bisher geltenden Rahmenlehrplänen. Lehrkräfte können auf der Grundlage der Standards einschätzen, welchen Förderbedarf Schülerinnen und Schüler haben, um das für den jeweiligen Bildungsgang geforderte Bildungsniveau zu erreichen . Ergänzende schulinterne Curricula unterstützen diesen Prozess, da sie sich am spezifischen Bedarf der Schülerschaft einer Schule ausrichten. Durch das Basiscurriculum Sprachbildung, das die Förderung sprachlicher Kompetenzen im Mündlichen wie im Schriftlichen für den Unterricht in allen Fächern verbindlich macht, ist zu erwarten, dass die Teilbereiche des Spracherwerbs wie Lese- und Hörverstehen der Schülerinnen und Schüler ganzheitlich gefördert werden (als das bisher nur der Deutschunterricht vermochte). Lernstandserhebungen in der Jahrgangsstufe 7 werden fortgeführt und durch die Fachaufsicht begleitet und gesteuert . Damit unterstützt die Fachaufsicht Schulen bei Eintritt in den Sekundarbereich I, die Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler festzustellen und auf dieser Grundlage individuelle Fördermaßnahmen zu entwickeln. Das Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) unterbreitet Lehrkräften im Zusammenhang mit den Vergleichsarbeiten ergänzende Angebote , die u.a. für die Weiterarbeit mit den Vergleichsarbeit- Ergebnissen (VERA-Ergebnissen) genutzt werden können . Durch eine gemeinsame und konsequente Orientierung an den Bildungsstandards bietet sich die Möglichkeit , diese Angebote aufeinander zu beziehen. Das Onlineangebot des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (ISQ)-Aufgabenbrowsers (www.aufgabenbrowser.de) stellt Schulen didaktisch ausführlich kommentierte und empirisch geprüfte Aufgaben für den Unterricht im Sekundarbereich zur Verfügung . Diese Aufgaben wurden im Auftrag der Länder vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) auf der Grundlage der Bildungsstandards entwickelt . Mit der Anbindung an die Bildungsstandards ist zugleich die landesspezifische Passung mit dem neuen Rahmenlehrplan sichergestellt, der sich ebenfalls an den Bildungsstandards orientiert. Lehrkräfte können das Angebot des Aufgabenbrowsers in verschiedener Weise für ihren Unterricht nutzen, u.a. - zu didaktisch orientierten Aufgabenanalysen für die Weiterarbeit im Unterricht, - zur Nutzung der Aufgaben, um eigene Lernstandüberprüfungen zu erstellen, um Fördermaßnahmen abzuleiten, - zur Erstellung bildungsstandardbasierter und kompetenzorientierter Klassenarbeiten, - zur Verwendung der Aufgaben und Aufgabenvariationen zur Differenzierung und Individualisierung im Unterricht. Ergänzend zum Aufgabenbrowser wird ab 2017 mit dem ISQ-Kompetenzbrowser eine weitere webbasierte Anwendung zur Darstellung und Vermittlung fachbezogener Kompetenzstandards angeboten (www.kompetenzbrowser.de). Mit dem Kompetenzbrowser werden fachbezogene Konzeptionen der Bildungsstandards inhaltlich beschrieben, visualisiert und mit illustrierenden Aufgaben aus dem Aufgabenbrowser vernetzt . Zudem sind die umfangreichen didaktischen Materialien des IQB (didaktische Handreichungen zu VERA) direkt eingebunden. Als weiteres Unterstützungsangebot hat das ISQ das Selbstevaluationsportal (SEP) entwickelt (www.sep.isqbb .de), mit dem Lehrkräfte die eigene Einschätzung ihres Unterrichts mit der Sicht ihrer Schülerinnen und Schüler vergleichen können. Hierzu stehen Module mit Fragen zu allgemeinen und fachspezifischen Aspekten der Unterrichtsqualität zur Verfügung. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 072 3 Weiterhin bietet das ISQ mit der Bildungsstandard- Box (BISTA-BOX) ein speziell auf VERA abgestimmtes Workshop-konzept mit dem Ziel an, Lehrkräfte bei der Interpretation der Ergebnisse einer VERA-Rückmeldung zu unterstützen und explizit den Gehalt, aber auch die Grenzen von Leistungsdaten aus kompetenzorientierten Tests für die fachdidaktische Weiterarbeit in Kollegien zu veranschaulichen. Im letzten Jahr hat das Zentrum für Sprachbildung seine Arbeit begonnen. Das übergreifende Ziel des Zentrums ist es, die durchgängige Sprachbildung und - förderung in Kitas und Schulen zu unterstützen. Hierzu initiiert und begleitet das Zentrum den Aufbau von Netzwerken und kooperiert mit den Berliner Universitäten, dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin- Brandenburg, dem Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) und weiteren Einrichtungen. In Verbindung mit dem LISUM werden Unterrichtsmaterialien zur Umsetzung des Basiscurriculums Sprachbildung des neuen Rahmenlehrplans im Fachunterricht erarbeitet. Weiterhin bietet das Zentrum Beratung und Qualifizierung für Lehrkräfte an. Berlin beteiligt sich an der gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS), die dazu dienen soll, die Sprachförderung , Sprachdiagnostik und Leseförderung weiterzuentwickeln . Berliner Maßnahmen der Sprach- und Leseförderung werden weiterentwickelt und ihre Wirksamkeit überprüft. Gegenwärtig wird in einem gemeinsamen Projekt der drei Berliner Universitäten die Lehrkräftebildung in den Bereichen Sprachbildung, Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache überarbeitet. Ziel ist es, ein übergreifendes Ausbildungskonzept für die drei Ausbildungsphasen zu entwickeln: vom Studium über den Vorbereitungsdienst bis zu Qualifizierung von Mentorinnen und Mentoren in Lehrkräftefortbildungen. Hierfür wird eine organisatorische und curriculare Verzahnung des Lehramtsstudiums mit den weiteren Phasen der Lehrkräftebildung angestrebt. Das Projekt gliedert sich in die drei Teilprojekte empirische Untersuchung der bestehenden Module „Deutsch als Zweitsprache“ und ihre Weiterentwicklung, Sprachbildung in den Fachdidaktiken und Entwicklung eines phasenübergreifenden Ausbildungskonzepts für die Sprachbildung im Lehramt. Berlin, den 06. Dezember 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Dez. 2016)