Drucksache 18 / 10 079 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 22. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. November 2016) und Antwort Wettbüros in Berlin: Entstehen immer neue Zockerhöllen oder greift das Gesetz zu Mindestabständen ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Wie viele Wettbüros (Wettvermittlungsstellen) gab es in Berlin insgesamt und in den einzelnen Bezirken am Jahresende 2015 (bitte bezirksweise aufschlüsseln)? 2) Falls die Antwort zu Frage 1 auf Schätzungen beruht : Zu welchem Zeitpunkt ist eine aktuelle statistische Auswertung geplant bzw. mit welcher Begründung ist sie in den letzten Jahren nicht durch die Bezirke oder das Land Berlin durchgeführt worden? 3) Wie hat sich die Anzahl der Wettbüros in Berlin im Laufe des Jahres 2016 entwickelt? Zu 1. bis 3.: Nach Schätzung des Senats existieren bei einer starken und ständigen Fluktuation im betreffenden Bereich in Berlin derzeit ca. 300 „Wettbüros“ für Sportwetten ; hinsichtlich der Schwerpunktansiedlungen kann insofern erneut auf die Antwort zu Ziffer 2. der Schriftlichen Anfrage 17/13380 verwiesen werden, die diese in der grundsätzlichen Gewichtung/Verteilung auch aktuell zutreffend abbilden dürfte. Entsprechende Erhebungen erfolgen auch in Anbetracht der stark begrenzten personellen Ressourcen der Vollzugsbehörde nicht permanent oder zu rein „statistischen“ Zwecken, sondern vor allem in Vorbereitung und Durchführung von Verwaltungsverfahren u.ä. (Anfang 2014 insofern Erwartung der Erteilung der Konzessionen nach §§ 4a und 10a des Glücksspielstaatsvertrages - GlüStV -, vgl. Zweites Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 19. Juni 2012, GVBl. S. 193 ff. - und des Anlaufens der entsprechenden Erlaubnisverfahren für Wettvermittlungsstellen nach § 9 des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag - AG GlüStV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 2012, GVBl. S. 238, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2916, GVBl. S. 450). Aktuell beteiligen sich die Glücksspielaufsichtsbehörden des Landes Berlin an einer zwischen den Bundesländern abgestimmten und koordinierten Prüfung der im Konzessionsverfahren nach den §§ 4a/10a GlüStV in die zweite Stufe vorgedrungenen Sportwettveranstalter; an diese erste Prüfungsstufe werden sich dann im Laufe des nächsten Jahres auch in Berlin weitere landesbezogene Erhebungen (Prüfung sonstiger, hier aktiver Veranstalter; Prüfung der terrestrischen Aktivitäten aller hier aktiven Veranstalter …) anschließen, in deren Ergebnis dann aktualisierte Erkenntnisse zu den vorhandenen „Wettbüros“ vorliegen werden. Auch hinsichtlich der Entwicklungen im Jahr 2016 kann derzeit jedoch nur auf die eingangs geschätzte Gesamtzahl und den Umstand einer starken Fluktuation verwiesen werden. 4) Wie viele Anträge für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle wurden seit der Verschärfung der Mindestabstands -Vorschriften für Wettbüros durch das Berliner Abgeordnetenhaus (Gesetz zur Harmonisierung glücksspielrechtlicher Mindestabstandsvorschriften vom Juli 2016) gestellt, wie viele davon wurden positiv beschieden , wie viele aufgrund der neu eingeführten Mindestabstandsregelungen abgelehnt? Zu 4.: Der zuständigen Vollzugsbehörde liegen bislang keine derartigen Anträge vor, was aus Sicht des Senats auf die klare Beschränkung der Antragsberechtigung in § 9 Abs. 2 Satz 2 AG GlüStV zurückzuführen ist. 5) Welche Auswirkungen haben die neu definierten Mindestabstandsregelungen auf bereits zuvor bestehende Wettbüros in Berlin? Zu 5.: Nach Einschätzung des Senats haben die betreffenden Regelungen des Gesetzes zur Harmonisierung glücksspielrechtlicher Mindestabstandsvorschriften vom 7. Juli 2016 (GVBL. S. 450) aktuell praktisch kaum Auswirkungen auf bestehende „Wettbüros“. So sind beispielsweise die Regelungen zu den Mindestabständen zwischen den „Wettbüros“ untereinander (§ 9 Abs. 4 Satz 7 n.F. AG GlüStV) ohne ein Verfahren zur Bestimmung des vorrangig zu legalisierenden „Wettbüros“ (dann Aus- Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 079 2 gangspunkt für die Umsetzung entsprechender Abstandsvorschriften ) nicht umsetzbar; ein derartiges Verfahren wird nach Einschätzung des Senats erst nach Auflösung des aktuellen Stillstandes bei der Vergabe der Sportwettveranstaltungskonzessionen auf Grundlage einer – zweckmäßigerweise überarbeiteten – Regulierung zur Erteilung von Erlaubnissen für Wettvermittlungsstellen (derzeitiger § 9 AG GlüStV) zur Verfügung stehen. Auch die anderen Mindestabstandregelungen (§ 9 Abs. 4 Sätze 2 und 8 n.F.AG GlüStV) sind aus Sicht des Senats überprüfungsbedürftig (Berücksichtigung der besonders gefährdeten Jugendfreizeiteinrichtungen und Spielhallen u.ä.) und bilden daher aktuell keine ausreichend abgesicherte Grundlage insbesondere auch für das Führen von ausschließlich darauf gestützten Untersagungsverfahren o.ä.. 6) Wie beurteilt der Senat die aktuelle Rechtslage für den Betrieb von Wettbüros in Berlin vor dem Hintergrund der rechtlichen Unsicherheiten bei der bundesweiten Konzessionierung von Sportwettanbietern gemäß Glücksspielstaatsvertrag ? Zu 6.: Ohne Erteilung der Sportwettveranstaltungskonzessionen nach den §§ 4a/10a GlüStV oder vergleichbarer Berechtigungen kommt ein Eintritt in des Erlaubnisverfahren für die Wettvermittlung nach § 9 AG GlüStV in mehrfacher Hinsicht (keine tauglichen Antragstellerinnen bzw. Antragsteller, kein taugliches Angebot …) nicht in Betracht. Damit fehlt die entscheidende Grundlage für eine umfassende und flächendeckende Neuregulierung der Sportwettvermittlung in Berlin (= „Wettbüros“ entweder behördlich erlaubt oder geschlossen). Der Senat unterstützt daher die aktuellen Beratungen und Bestrebungen etwa der Ministerpräsidentenkonferenz, über zielgerichtete Änderungen des GlüStV zeitnah die Frage der Veranstaltungsberechtigungen neu zu regeln und damit auch den Weg für Erlaubnisverfahren zur Vermittlung zu ebenen. 7) Welche Behörde ist für die Erteilung der behördlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle zuständig und auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgt das Verfahren für eine Erlaubnis? Zu 7.: Gemäß Nr. 33 Abs. 1 lit. e) der Anlage zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG Bln. – in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. April 2015 (GVBl. S. 66) ist das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) zuständige Behörde für die Erteilung der entsprechenden Erlaubnisse. Das Erlaubnisverfahren wird auf der Grundlage der Regelungen des AG GlüStV (insbesondere §§ 7 und 9) i.V.m. den Vorschriften des GlüStV durchgeführt. 8) Falls aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten bzgl. der Vergabe von Sportwettkonzessionen gemäß Glücksspielstaatsvertrag formelle Erlaubnisse nicht möglich sind, wie verfährt die zuständige Behörde mit eingehenden Anträgen? Zu 8.: Bislang liegen der Erlaubnisbehörde – wahrscheinlich aufgrund der klaren Normvorgaben für Antragstellerinnen bzw. Antragsteller – keine diesbezüglichen Erlaubnisanträge vor. Bei Eingang würde behördlicherseits unter Hinweis auf die Regelungen zur Antragsberechtigung eine Antragsrücknahme angeregt werden; bei Bestehen auf einer Bescheidung müssten die entsprechenden Anträge dann ggf. jedoch auch – ablehnend und kostenpflichtig – beschieden werden. 9) Können Betreiber von Wettbüros, die nicht am bundesweiten Konzessionsverfahren gemäß Glücksspielstaatsvertrag teilgenommen haben, überhaupt Wettvermittlungsstellen im Land unterhalten bzw. wird deren Betrieb im praktischen Vollzug untersagt? Wird der Betrieb von Vermittlungsstellen umgekehrt geduldet, wenn Betreiber am Konzessionsverfahren teilgenommen haben? Zu 9.: Aus Sicht des Senats bildet das Kriterium der Teilnahme/Nichtteilnahme am Konzessionsverfahren 2012 in Anbetracht des erheblichen Zeitfortschritts und auch der aktuellen Diskussionen zum zeitnahen Umstieg auf andere Konzessionierungsmodelle für sich allein kein tragfähiges Kriterium zur Abgrenzung von „Duldung“ und Untersagung (zumal auch die tatsächliche Geschäftspraxis einiger Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Konzessionsverfahrens erheblich von den dort eingebrachten Bewerbungen abweicht). Eine Bevorzugung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Konzessionsverfahrens kann somit aktuell – wie auch bereits praktiziert (vgl. oben) – allenfalls insofern in Betracht kommen, als dass bei der grundsätzlichen Prüfung aller Veranstalter der hinsichtlich dieses Veranstalterkreises bei den Behörden vorhandene Wissensvorsprung berücksichtigt wird und diese zuerst geprüft und hinsichtlich eines – materiell bedingten ! – vor- oder nachrangigen Handlungsbedarfs beurteilt werden. 10) Sehen der Senat bzw. das Landesamt für Bürgerund Ordnungsangelegenheiten das in § 9 Abs. 4 Nr. 7 Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag begrenzte Kontingent von 10 Wettvermittlungsstellen pro Konzessionär in Berlin trotz der rechtlichen Unsicherheit um den Glücksspielstaatsvertrag als verbindliche Grenze? Welche Informationen hat der Senat zur Handhabung in anderen Bundesländern? Zu 10.: Das in § 9 Abs. 7 Satz 2 AG GlüStV vorgesehene Kontingent pro konzessioniertem Veranstalter wird vom Senat formell als bindende gesetzliche Regelung Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 079 3 angesehen, die jedoch inhaltlich untrennbar mit dem „20er-Konzessionsmodell“ des GlüStV 2012 verbunden ist. Insofern wird bei Änderung des Konzessionsmodells zwingend auch eine Änderung der Kontingentierung und ggf. auch ein Änderung der Obergrenze des § 9 Abs. 7 Satz 1 AG GlüStV vorzusehen sein. Hinsichtlich entsprechender Bewertungen der anderen Länder liegen dem Senat keine expliziten Erkenntnisse vor; es wird jedoch von einer grundsätzlich entsprechenden Bewertung ausgegangen . 11) Dürfen Betreiber von 10 oder mehr Wettvermittlungsstellen in Berlin weitere Wettbüros in der Stadt eröffnen oder kann deren Betrieb erfolgreich untersagt werden? Zu 11.: Die betreffenden Betreiber „dürfen“ aktuell in Berlin überhaupt keine und schon gar nicht mehr als zehn Wettvermittlungsstellen eröffnen. Auch die Frage, ob nicht zumindest die über das Kontingent hinausgehende Zahl an Wettvermittlungsstellen unabhängig von den allgemeinen Vollzugsproblemen bzw. allein wegen Überschreitung des Kontingents untersagt werden könnte, beurteilt der Senat eher kritisch. Für eine derartige „Uminterpretation “ der Regelung in ein abstraktes Verbot der Vermittlung an einen Veranstalter durch mehr als zehn Wettbürobetreiber in Berlin dürfte aus Sicht des Senats weder eine formale Grundlage noch eine sachlich tragfähige Begründung (Zulassungsschranke Berufsfreiheit!) vorliegen. Berlin, den 05. Dezember 2016 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2016)