Drucksache 18 / 10 080 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 23. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. November 2016) und Antwort Humboldt-Universität contra Presserecht Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Warum hat die Humboldt-Universität zu Berlin die Anfrage der Nachrichtensendung „Abendschau“ des rbb nach der Universitätslaufbahn und eines mögliches Abschlusses der Politikerin Evrim Sommer nicht den geltenden Bestimmungen des Landespressegesetzes entsprechend unverzüglich und korrekt beantwortet? Zu 1.: Da dem Senat der konkrete Ablauf des Geschehens nicht bekannt war, hat er die Humboldt-Universität zu Berlin um Stellungnahme gebeten. Die Humboldt- Universität zu Berlin hat den Sachverhalt wie folgt geschildert : Die konkrete Anfrage der rbb-„Abendschau“ datierte vom Freitag, den 11.11.2016, 14:44 Uhr (E-Mail). Der verantwortliche Redakteur begehrte kurzfristig Auskunft zu der Frage: „... ob die bei Ihnen als Studentin immatrikulierte Abgeordnete und Kandidatin Helin Evrim Sommer, geb. Baba, geb. am 07.02.1971, an der HU einen Bachelor- Abschluss absolviert hat.“ Die Anfrage endet mit den beiden Sätzen: „... insofern würde ich mich über eine kurzfristige Antwort, möglichst noch am Montag, sehr freuen. Bei Rückfragen erreichen Sie mich kurzfristig auch mobil: (Mobiltelefonnummer).“ Die Frage beantwortete die Universität am Mittwoch, den 16.11.2016 und damit auch unverzüglich. § 4 des Berliner Pressegesetzes sieht keine Frist für die Beantwortung derartiger Anfragen vor. 2. Warum wurde der anfragende Redakteur trotz mehrfacher Nachfragen von der Universität über fünf Tage vertröstet, obwohl unstrittig ein Recht auf Auskunft bei einer Person der Zeitgeschichte und des öffentlichen Lebens bestand? Zu 2.: Der Senat hat keinen Anlass, an nachfolgender Sachverhaltsdarstellung der Humboldt-Universität zu Berlin zu zweifeln: „Die Aussage, der anfragende Redakteur sei trotz mehrfacher Nachfragen über fünf Tage vertröstet worden, ist unzutreffend. Auf die Erstanfrage folgte unmittelbar ein Wochenende. Am 15.11.2016 teilte die Pressestelle der HU zunächst um 13:03 Uhr mit, dass die HU aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft geben könne und eine Zustimmung der Herausgabe durch Frau Sommer nötig sei. Die Pressestelle gab dem rbb am 16.11.2016 um 14:00 Uhr folgende Mitteilung: "Evrim Sommer (geb. Baba) hat von 2005 bis 2007 berufsbegleitend Sozialwissenschaften sowie danach den Kombinationsbachelorstudiengang (Bachelor of Arts) Geschichte (Kernfach) und Geschlechterstudien (Zweitfach ) an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen eines Teilzeitstudiums studiert. Das Thema ihrer Bachelor -Arbeit war „Das novellierte Prostitutionsgesetz von 2016 im historischen Kontext der Prostitutionskontrolle in Deutschland“. Die Arbeit wurde erfolgreich verteidigt und damit hat sie ihr Studium abgeschlossen." Der verantwortliche Redakteur des rbb stellte nach Beantwortung der Erstanfrage am 16.11. am selben Datum per E-Mail um 14:46 Uhr drei weitere Fragen, die er vollständig innerhalb einer Dreiviertelstunde (bis 15:30 Uhr) zu beantworten bat. Es bestand auch nicht unstrittig ein Auskunftsrecht, weil auch im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu erfolgen hat. § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Berliner Pressegesetzes gebietet ausdrücklich die Berücksichtigung schutzwürdiger privater Belange. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat auch bei Personen des öffentlichen Lebens stets eine Abwägung zu erfolgen. Es ist nicht per se von einem Überwiegen öffentlicher Interessen auszugehen.“ Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 080 2 3. Wieso informierte die Universität Evrim Sommer über die prinzipiell vertrauliche Anfrage des rbb- Redakteurs? Zu 3.: Der Senat teilt die Auffassung der Humboldt- Universität zu Berlin, dass die Anfrage des rbb nicht vertraulich, sondern eine offizielle Anfrage einer öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalt bei der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Pressestelle der Humboldt- Universität zu Berlin war. Die Universität ist nach rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Belange von Frau Sommer überwiegen und daher ihre Einwilligung für die Auskunft erforderlich ist. Nur deshalb wurde Frau Sommer kontaktiert. 4. Fühlt sich die Hochschule und deren Leitung der Politikerin einer künftigen Regierungspartei mehr verpflichtet als der Öffentlichkeit und deren Informationsanspruch ? Zu 4.: Der Senat hat bislang nicht erkennen können, dass sich die Humboldt-Universität zu Berlin überhaupt einer politischen Partei gegenüber verpflichtet fühlt. 5. Wieso argumentierte die Humboldt-Universität dem rbb gegenüber mit dem Datenschutz, obwohl dieser bei Personen des öffentlichen Lebens im konkreten Fall nicht gilt? Zu 5.: Auch bei Personen des öffentlichen Lebens sind das Persönlichkeitsrecht sowie datenschutzrechtliche Belange zu berücksichtigen. 6. Weshalb verschickte die Humboldt-Universität eine ausgerechnet von Evrim Sommer vorformulierte Pressemitteilung , in der suggeriert wurde, dass sie bereits seit längerer Zeit ihr Studium abgeschlossen hätte, obwohl dies erst am 16.11.2016 – dem Tag der Versendung der Pressemitteilung – der Fall war? Zu 6.: Nach Auskunft der Humboldt-Universität zu Berlin handelte es sich bei dem versendeten Text nicht um eine vorformulierte Pressemitteilung, sondern um die konkrete Antwort auf die Anfrage des rbb. Es sei nicht erkennbar, inwiefern hierdurch „suggeriert wurde“, Frau Evrim Sommer habe ihr Studium bereits seit längerer Zeit abgeschlossen. 7. Wurde der Termin für die Verteidigung der Bachelor -Arbeit – einen Tag vor der geplanten Bürgermeisterwahl von Frau Sommer in Lichtenberg – erst nach der Anfrage des rbb terminiert? Zu 7.: Nein. Nach Auskunft der Humboldt-Universität zu Berlin wurde der Termin für die Verteidigung der Bachelor-Arbeit bereits am 3. November 2016 festgelegt, also deutlich vor Eingang der Anfrage des rbb. 8. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass der rbb erst erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht auf Herausgabe genauerer Informationen klagen musste, obwohl das Landespressegesetz diese Sachlage eindeutig regelt? Zu 8.: Der Senat erachtet die Entscheidung der Humboldt -Universität zu Berlin, von möglichen schutzwürdigen Interessen der Frau Sommer auszugehen, für vertretbar . 9. Wie beurteilt der Senat das Agieren einer Universität des Landes Berlin, die entgegen des Anspruches als Wissenschaftseinrichtung nicht für Wahrheit und Klarheit , sondern möglicherweise sogar für das Vertuschen einer strafbaren Handlung (missbräuchliches Führen eines Titels) sorgen wollte? Zu 9.: Der Senat sieht für den in der Frage enthaltenen Vorwurf keine Grundlage. Nach Auskunft der Humboldt-Universität zu Berlin wurden am 17.11.2016 erstmalig in dem vom rbb am Verwaltungsgericht Berlin anhängig gemachten Verfahren in schriftlicher Form Vorwürfe dargelegt, Frau Sommer habe sich möglicherweise strafbar verhalten. Die HU hatte vor dem 17.11.2016 keine Kenntnisse vom Vorwurf der unberechtigten Titelführung und einer möglichen Nutzung des akademischen Grades B.A. (Bachelor of Arts). Die HU hatte zudem keine Kenntnis von dem Auszug aus dem Handbuch des Abgeordnetenhauses, welchen der rbb in dem eben genannten gerichtlichen Verfahren vorlegte. 10. Stimmt der Senat zu, dass dieser Fall angesichts der Tatsache, dass die Humboldt-Universität von der ehemaligen Brandenburger Wissenschafts- und Forschungsministerin geleitet wird, eine besondere Brisanz hat? Zu 10.: Nein. 11. Welche Maßnahmen wird der Senat ergreifen, damit sich eine universitäre Einrichtung des Landes Berlin künftig an das Landespressegesetz hält und unverzüglich Auskunft erteilt? Zu 11.: Der Senat kann nicht erkennen, dass der geschilderte Sachverhalt Maßnahmen erforderlich macht. Er geht davon aus, dass sich die Berliner staatlichen Hochschulen in jeder Hinsicht gesetzestreu verhalten. Berlin, den 07. Dezember 2016 In Vertretung Steffen Krach Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2016)