Drucksache 18 / 10 088 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 21. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. November 2016) und Antwort Wie setzt der Senat Hilfen zur Erziehung für schwangere Frauen um? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Durch die Aufnahme des § 27 in das AG KJHG wird für schwangere Frauen der Zugang zu Hilfen zur Erziehung ermöglicht. a) In wie vielen Fällen (aufgeschlüsselt nach Monaten und wenn möglich nach Bezirk) werden Hilfen zur Erziehung für junge Frauen mit Kind und für junge Männer mit Kind geleistet? b) In wie vielen Fällen (aufgeschlüsselt nach Monaten und wenn möglich nach Bezirk) werden Hilfen zur Erziehung für schwangere Frauen geleistet? 2. Ist die Vorschrift des § 27 AG KJHG so zu verstehen , dass Hilfen zur Erziehung sowohl für angehende Mütter als auch Väter als Anspruchsberechtigte geleistet werden können, selbst wenn das Kind noch nicht geboren ist? 4. Welches Leistungsangebot haben die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie die Senatsverwaltung für Jugend für schwangere Frauen im Rahmen des § 27 AG KJHG entwickelt? Zu 1., 2. und 4.: Den Bedarfen von Schwangeren und (werdenden) Vätern wird überwiegend auf den Grundlagen des § 16 Sozialgesetzbuch (SGB) VIII - Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie - und einzelfallbezogen nach § 19 SGB VIII - Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder - entsprochen. In diesem Sinne sind die Angebote der Frühen Hilfen keine Hilfen zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII. Zu den Frühen Hilfen für Schwangere, (werdende) Väter und Familien mit Kindern im Alter von 0 - 3 Jahren gehören nachfolgend dargestellte Hilfearten bzw. einzelfallbezogene Unterstützungsleistungen: Nach § 19 SGB VIII ist eine Unterbringung von Schwangeren in der Regel bis zu 6 Wochen vor der Geburt möglich. Eine Unterbringung von Vätern mit Neugeborenen ist nach dieser Angebotsform ebenfalls möglich. In der folgenden Tabelle sind die Fallzahlen pro Bezirk zum Stichtag 31.12.2015 dargestellt (Datenquelle: Hilfeplanstatistik ProJUGEND). § 19 SGB VIII Gemeinsame Wohnformen für Mütter /Väter und Kinder Bezirk Anzahl der Hilfen am Stichtag 31.12.2015 Mitte 53 Friedrichshain-Kreuzberg 48 Pankow 51 Charlottenburg-Wilmersdorf 25 Spandau 41 Steglitz-Zehlendorf 33 Tempelhof-Schöneberg 41 Neukölln 38 Treptow-Köpenick 33 Marzahn-Hellersdorf 57 Lichtenberg 32 Reinickendorf 53 Berlin gesamt 505 Im Rahmen der Frühen Hilfen hat das Land Berlin über die Landesprogramme Aufsuchende Elternhilfe und Berliner Familienzentren Angebote für schwangere Frauen und werdende Väter entwickelt. In der aufsuchenden Elternhilfe geht es explizit darum, bereits vor der Geburt (in der Regel ab 8 Wochen vor dem Geburtstermin) aufsuchende Hilfe für die werdende Familie anzubieten. In Familienzentren werden u.a. unterschiedliche Gruppenangebote für junge Familien mit Neugeborenen oder schwangere Frauen angeboten. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 088 2 Über das Bundesprogramm Frühe Hilfen/Familienhebammen stehen im Land Berlin über die Landeskoordinierungsstelle (LKS) und in den Bezirken folgende Angebote für schwangere Frauen und werdende Väter zur Verfügung: Familienhebammen: Die Familienhebammen stehen werdenden Familien vor- und nachgeburtlich zur Beratung und Unterstützung im häuslichen und/oder sozialen Umfeld zur Verfügung. Der Einsatz der Familienhebammen ist ein mit der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung gemeinsam entwickeltes Projekt. Die Koordinierung der Familienhebammen erfolgt in 6 Bezirken direkt über die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste. Babylotsen: Das Projekt Babylotsen ist ein Angebot der frühen Hilfen, das aktuell in 5 Berliner Geburtskliniken eingerichtet wurde. Die Babylotsinnen nehmen bereits in der vorgeburtlichen Klinikbetreuung Kontakt mit den schwangeren Frauen auf und erarbeiten über ein Screeningsystem eine Sozialanamnese. Sollten sich besondere familiäre oder soziale Belastungsfaktoren ergeben , kann die Babylotsin/der Babylotse im Einzelfall aus dem Krankenhaus heraus wohnortnahe Unterstützungssysteme vermitteln. Das Projekt Babylotsen ist im Netzwerk Frühe Hilfen in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Gesundheit entwickelt worden. Offene Schwangerentreffs: In mehreren Bezirken wurden über die Bundesinitiative offene Angebote für schwangere Frauen mit Informations- und Kursangeboten installiert. Darüber hinaus haben die Bezirke im Rahmen von Frühen Hilfen nach § 16 SGB VIII zahlreiche und sehr unterschiedliche, auf sozialräumliche Bedarfe zugeschnittene Angebote für schwangere Frauen und werdende Väter entwickelt. Hierzu gehören u.a. die Projekte der Stadtteilmütter und Angebote der Frühen Hilfen nach dem STEEP-Modell ("Steps Toward Effective And Enjoyable Parenting" dtsch.: Schritte hin zu einer effektiven, Freude bereitenden Elternschaft). Die Finanzierung von Maßnahmen der oben dargestellten Frühen Hilfen erfolgt als Zuwendungsfinanzierung . Für diese Projekte liegen keine fallzahlbezogenen Statistiken vor. 3. Ab welchem Zeitpunkt kann Hilfe zur Erziehung von schwangeren Frauen und ggf. von dem männlichen angehenden Elternteil beantragt werden? Zu 3.: Da die Angebote der Frühen Hilfen überwiegend auf der Grundlage des § 16 SGB VIII erbracht werden , ist eine einzelfallbezogene Beantragung durch die werdenden Eltern nicht notwendig. Der Zugang zu den Unterstützungsleistungen erfolgt vorrangig über die in den Bezirken entwickelten Netzwerke der Frühen Hilfen. Die Inanspruchnahme der Familienhebammen erfolgt beispielsweise auf Vermittlung des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes , des Jugendamtes, der Frauenärztinnen und Frauenärzte oder Geburtskliniken u.a.. Hilfen zur Erziehung (HzE) gemäß § 27 SGB VIII kommen grundsätzlich für Schwangere minderjährige /junge Heranwachsende in Betracht, die selbst einen Anspruch auf HzE (z.B. gemäß §§ 34, 35, 35a) bzw. Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII haben. Die Antragstellung kann bereits in der Schwangerschaft erfolgen. 5. Wie hoch ist die Gesamtsumme der Leistungen nach § 27 AG KJHG für die genannten Gruppen? Zu 5.: Für die oben dargestellten Frühen Hilfen werden insgesamt 4.219.436 € verausgabt. Für die Aufsuchende Elternhilfe standen 2016 insgesamt 774.826 € (inclusive zusätzlicher Mittel aus dem Masterplan) zur Verfügung. Bezirk Fördersumme gesamt in Euro Mitte 92.872 Friedrichshain-Kreuzberg 62.273 Pankow 84.879 Charlottenburg-Wilmersdorf 46.447 Spandau 61.860 Steglitz-Zehlendorf 41.447 Tempelhof-Schöneberg 62.704 Neukölln 73.905 Treptow-Köpenick 49.185 Marzahn-Hellersdorf 70.121 Lichtenberg 77.273 Reinickendorf 51.860 Aus dem Landesprogramm Berliner Familienzentren stehen insgesamt 2.304.000 € für die Familienzentren zur Verfügung. Seit 2016 werden in jedem Bezirk 3 Familienzentren über das Landesprogramm finanziert. Über das Bundesprogramm Frühe Hilfen/Familienhebammen werden für den Einsatz der Familienhebammen in den Bezirken laut Antrag insgesamt 1.014.610 € aufgewandt. Bezirk Ausgaben Familienhebammen gesamt in € Charlottenburg-Wilmersdorf 71.500 Lichtenberg 96.000 Friedrichshain-Kreuzberg 118.000 Marzahn-Hellersdorf 87.500 Mitte 99.000 Pankow 90.000 Treptow-Köpenick 102.750 Tempelhof-Schöneberg 78.200 Steglitz-Zehlendorf 62.920 Reinickendorf 77.440 Neukölln 57.800 Spandau 73.500 Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 088 3 Über das Bundesprogramm Frühe Hilfen/Familienhebammen wurden in 2016 die Projekte der Babylotsen mit einem Gesamtvolumen von 126.000 € finanziert. Zusätzlich zu den aufgezeigten Bundes- und Landesprogrammen bieten die Bezirke weitere Angebote auf der Grundlage des § 16 SGB VIII im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die genannten Zielgruppen an. 6. Plant der Senat den Anspruch für die angehenden Mütter und Väter in die Rahmenleistungsbeschreibungen für HzE-Angebote aufzunehmen, wenn ja warum und wie? Zu 6.: Der Anspruch auf Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII für schwangere Minderjährige/junge Heranwachsende ist in den Rahmenleistungsbeschreibungen bereits enthalten. Eine Aufnahme der Leistungen der Frühen Hilfen nach § 16 SGB VIII (wie Familienhebammen oder Aufsuchende Elternhilfe) in die Rahmenleistungsbeschreibungen für HzE-Angebote ist nicht vorgesehen. Die bisherigen Erfahrungen in den Frühen Hilfen haben gezeigt, dass der niedrigschwellige Zugang zu den Angeboten der Frühen Hilfen, insbesondere für Familien mit psychosozialen Belastungsfaktoren, oft die Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme ist. Berlin, 08. Dezember 2016 In Vertretung Siegrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2016)