Drucksache 18 / 10 094 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Joachim Berg (AfD) vom 22. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. November 2016) und Antwort Beachtung von Natur-, Landschaftsschutz- und Bauvorschriften bei der Errichtung oder Einrichtung von Zuwandererunterkünften Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Zuwanderer (als Sammelbegriff für Flüchtlinge, Asylbewerber und weitere Aufenthaltssuchende ) halten sich Stand 01.11.2016 im Land Berlin auf und wie viele von ihnen wohnen in Sammelunterkünften (Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte)? Zu 1.: Zu den nachfolgend benannten Personengruppen liegen statistische Erhebungen vor: - 29.394 Personen mit anhängigem Asylverfahren (Stand 31.10.2016) - 13.502 Personen, für die vom 01.01. bis 31.10.2016 ein Schutztatbestand nach innerdeutschem oder supranationalem Recht oder ein aufenthaltsrechtliches Abschiebungsverbot festgestellt wurde (Stand 31.10.2016) - 14.898 Ausreisepflichtige (Stand 18.11.2016) Bezüglich der anerkannten Flüchtlinge können jedoch keine validen Zahlen benannt werden, wie viele sich hiervon im Land Berlin aufhalten. Dies gilt ebenso für anerkannte Flüchtlinge anderer Bundesländer. Aktuell können in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und notbelegten Unterkünften des Landes Berlin 42.845 Personen untergebracht werden. 2. Wie viele Zuwandererunterkünfte bestehen Stand 01.11.2016 in Berlin (nach Bezirken) und wie viele sind in welchen Bezirken in Planung? Wie viele davon sind mobile Unterkünfte? Zu 2.: Die Anzahl der belegten (Stand 01.11.2016) und geplanten Unterkünfte je Bezirk kann der folgenden Tabelle entnommen werden: Bezirk Belegte Unterkünfte Geplante Unterkünfte Charlottenburg- Wilmersdorf 13 3 Friedrichshain- Kreuzberg 8 1 Lichtenberg 15 5 Marzahn-Hellersdorf 7 6 Mitte 15 0 Neukölln 4 6 Pankow 14 8 Reinickendorf 11 6 Spandau 10 7 Steglitz-Zehlendorf 12 6 Tempelhof-Schöneberg 10 5 Treptow-Köpenick 13 6 Enthalten sind 18 Tempohomes sowie 2 Traglufthallen . 3. Wie hoch ist die geplante und tatsächliche durchschnittliche Belegung einer Zuwandererunterkunft im Land Berlin? Zu 3.: Die durchschnittliche Kapazität der geplanten Unterkünfte beträgt 389 Plätze. Die durchschnittliche Kapazität der am 01.11.2016 belegten Unterkünfte betrug 323 Plätze, die durchschnittliche Belegung 283 Plätze. 4. Wie viele Zuwandererunterkünfte wurden unter Anwendung der Gesetzesänderungen vom 26.11.2014 und 24.10.2015 geplant und gebaut (nach Bezirken)? Zu 4.: Unter Anwendung der Erleichterungsregelungen nach § 246 Baugesetzbuch (BauGB) wurden in der Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 094 2 ehemaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt seit 2014 insgesamt 17 förmliche Baugesuche für Flüchtlingsunterkünfte positiv beurteilt, wovon ein Vorhaben zwischenzeitlich fertig gestellt wurde. Die Darstellung nach Bezirken kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Bezirk Geplante Unterkünfte Fertig gestellte Unterkünfte Charlottenburg- Wilmersdorf 0 0 Friedrichshain-Kreuzberg 1 0 Lichtenberg 2 0 Marzahn-Hellersdorf 1 0 Mitte 1 0 Neukölln 4 6 Pankow 2 0 Reinickendorf 2 0 Spandau 2 0 Steglitz-Zehlendorf 1 0 Tempelhof-Schöneberg 0 0 Treptow-Köpenick 1 1 5. Wie viele Zuwandererunterkünfte wurden seit der Gesetzesänderung vom 24.10.2015 in Außenbereichen gebaut? Hätte dort eine allgemeine Wohn- oder Gewerbebebauung errichtet werden dürfen? In welchem Umfang lagen abschlägig beschiedene Bau- oder Bauvoranfragen für Grundstücke vor, die jetzt für Zuwandererunterkünfte in Anspruch genommen werden sollen oder worden sind? In welchem Umfang wurden aus Gründen des Naturoder Landschaftsschutzes Alternativ-Standorte für Zuwandererunterkünfte in Erwägung gezogen? Zu welchen Eingriffen in das Natur- oder Landschaftsbild kam es bei der Errichtung der Zuwandererunterkünfte ? Zu 5.: Im Außenbereich wurden unter Anwendung des § 246 BauGB in der ehemaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt seit 2014 insgesamt 8 förmliche Baugesuche für Flüchtlingsunterkünfte positiv beurteilt. Hiervon wurde ein Vorhaben in Treptow- Köpenick gebaut. Grundsätzlich ist der Außenbereich von Bebauung freizuhalten. Deshalb dürfte dort eine allgemeine Wohnoder Gewerbebebauung in der Regel als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig sein. Statistische Angaben zu abschlägig beschiedenen Bau- oder Vorbescheidsanträgen an den betreffenden Standorten liegen nicht vor. Was die in der ehemaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt geprüften förmlichen Baugesuche für Flüchtlingsunterkünfte anbelangt, waren die Standorte mit den Belangen von Natur- oder Landschaft vereinbar. Die Suche nach Alternativstandorten war insofern nicht erforderlich. Die Eingriffe in das Natur- und Landschaftsbild waren – teilweise auch wegen der befristeten Nutzungsdauer – vertretbar. In einem Fall wurde ein Eingriff in den Naturhaushalt zugelassen. 6. Wie viele Zuwandererunterkünfte wurden seit der Gesetzesänderung vom 24.10.2015 in Gewerbe-, Industrie - oder Sondergebieten errichtet? In welchem Umfang wurde dadurch die Ansiedlung von Gewerbe verhindert oder erschwert? Welche Alternativ-Standorte wurden in Erwägung gezogen? Zu 6.: In Gewerbe-, Industrie- oder Sondergebieten wurden in der ehemaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt seit der Gesetzesänderung vom 24.10.2015 unter der Anwendung der Sonderregelungen des § 246 BauGB insgesamt 5 förmliche Baugesuche für Flüchtlingsunterkünfte positiv beurteilt. Dass die Ansiedlung von Gewerbe dadurch verhindert oder erschwert wurde, ist nicht bekannt. Alternativstandorte wurden nicht in Erwägung gezogen. 7. Für wie viele Zuwandererunterkünfte wurden Anliegen des Natur-; Landschafts- und/oder Umweltschutzes durch die Inanspruchnahme von Sonder-, Ausnahme- und ähnlichen Regelungen zurückgestellt? Wie viele Stellungnahmen der zuständigen Naturschutzbehörden liegen im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau von Zuwandererunterkünften vor? Wie lassen sich die wesentlichen Einwände kennzeichnen? In wie vielen Fällen gab es formale Widersprüche einer Naturschutzbehörde? In welchem Umfang gab es informelle Gegenvorstellungen von Naturschutzbehörden und welches waren deren wesentlichen Inhalte? Zu 7.: Für zwölf Flüchtlingsunterkünfte wurden Anliegen der Natur- und Umweltbehörden durch die Inanspruchnahme von Sonder-, Ausnahme- und ähnlichen Regelungen zurückgestellt. Die Einwände konnten auf Grund folgender Maßnahmen zurückgestellt werden: - Ausnahmegenehmigung zur Fällung von Bäumen verbunden mit der Verpflichtung zur Ersatzpflanzung zum Schutz des Baumbestandes - Umsiedlung von geschützten Tierarten - Rücksichtnahme auf die Brutzeiten der Vogelarten im Zuge des Genehmigungsverfahrens - Umzäunung von zu schützenden Bereichen - Tötungsverbot von bedrohten Tierarten - Bei Bauvorhaben im Außenbereich: Verpflichtung zum Rückbau und Entsiegelung - Bodenuntersuchungen bei Verdacht auf Altlasten und gegebenenfalls Auflagen zum Bodenaustausch Es gab keine formalen Wiedersprüche oder informelle Gegenvorstellungen von den Naturschutzbehörden. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 094 3 8. Bei wie vielen Zuwandererunterkünften wurden Ausnahmen vom regelgerechten Brandschutz zugelassen? Kann der Senat ausschließen, dass Menschen hierdurch in Gefahr gebracht werden oder benachbarte Wohn- oder Gewerbebebauung durch mögliche Brände Schaden nehmen könnten? Zu 8.: Flüchtlingsunterkünfte werden als Sonderbauten im Sinne von § 2 Abs. 4, Ziffer 9 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) behandelt. An Sonderbauten können im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 BauO Bln besondere Anforderungen gestellt werden. Erleichterungen können gestattet werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften wegen der besonderen Art oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht bedarf. Bei der Errichtung von Sonderbauten ist der Brandschutz im Rahmen eines Konzeptes nachzuweisen, welches durch eine/einen anerkannten Prüfingenieur/in bzw. durch die Bauaufsicht geprüft werden muss. Während bei den mehrgeschossigen modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUFs) keine Erleichterungen erforderlich sind, da diese Gebäude entsprechend den brandschutztechnischen Regelanforderungen errichtet werden, werden bei den Containereinrichtungen (Tempohomes ) Erleichterungen von den Forderungen nach feuerhemmender Ausführung der tragenden und abtrennenden Bauteile gewährt. Aufgrund der Eingeschossigkeit, der kleinteiligen Aufteilung durch nichtbrennbare Baustoffe, den kurzen Rettungswegen aus den Wohneinheiten und dem ständig anwesenden Wachschutz sind diese Erleichterungen bezogen auf das Schutzziel unbedenklich. Gefährdungen der Nachbarn können in allen Fällen aufgrund der Abstände zu den Grundstücksgrenzen ausgeschlossen werden. Berlin, den 13. Dezember 2016 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Dez. 2016)