Drucksache 18 / 10 097 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten June Tomiak (GRÜNE) vom 24. November 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. November 2016) und Antwort Staatenlos durch die Nacht - Reichsbürger*innen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Der durchaus heterogenen Szene der sog. „Reichsbürger“ wurde in jüngster Vergangenheit - nach dem Mord an einem Polizisten - eine gesteigerte mediale Aufmerksamkeit zuteil. Die Ideologie der „Reichsbürger“ ist sehr verworren, es zählen verschiedene rechte Verschwörungsideologien zu dem Überbegriff. So gibt es Individuen, die sich als Selbstverwalter sehen, und meinen, eigene „Staaten“ zu gründen, wie auch solche, die davon ausgehen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere und das „deutsche Reich“ weiterbestünde. Die unter dem Begriff „Reichsbürger “ zusammenlaufenden Ideologien haben alle 3 Punkte gemein: 1. Die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland bzw. Negierung ihrer Existenz 2. den Glauben an eine Verschwörung gegen das Deutsche Volk, eine sogenannte „Fremdherrschaft “, in deren Sinne Politik und Medien handeln würden – und in dieser Konsequenz ist der Ideologie ein latenter Antisemitismus immanent 3. Eine Überbetonung des eigenen Deutschseins Wurden „Reichsbürger“ in der Vergangenheit eher als Randerscheinung wahrgenommen, die zuvorderst dadurch auffiel, mit kruden Theorien Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes zu belästigen, so erleben wir momentan einen massiven Radikalisierungsprozess . Zwar ist die Szene durchzogen von Spaltung und Sektiererei, jedoch nach wie vor stark anschlussfähig . Der Fragestellerin ist bewusst, dass für eine Beschreibung von bspw. Selbstverwaltenden der Begriff „Reichsbürger “ irreführend ist; da beide Begriffe jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit synonym verwendet werden, wird im Folgenden der ebenfalls bewusst in Anführungszeichen gesetzte Begriff der „Reichsbürger“ verwendet. 1. Wie groß ist das aktuelle Personenpotential der Szene? Hat sich die Szene durch die kürzlichen Gewaltexzesse eher geschmälert oder wird ein Wachstum prognostiziert? Zu 1.: Das aktuelle Personenpotenzial liegt in Berlin im unteren dreistelligen Bereich. In der letzten Zeit ist eine personelle Ausweitung der Reichsbürgerszene festzustellen , die sich auch außerhalb des rein rechtsextremistischen Spektrums bewegt. Dieser dynamischen Entwicklung trägt auch die Berliner Verfassungsschutzbehörde Rechnung, indem sie künftig alle Personen, die durch entsprechende Äußerungen und Aktivitäten ihre Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck bringen, als extremistisch betrachtet und beobachtet. Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten Reichsbürgerbewegung haben in der jüngsten Vergangenheit auf tragische Art und Weise gezeigt, dass sie unter Umständen bereit sind, ihre Vorstellungen nicht nur mit Widerstandshandlungen, sondern auch mit Waffengewalt umzusetzen. 2. Welche Reevaluierungen haben die zuständigen Stellen nach der offensichtlichen Falscheinschätzung in Beantwortung der Anfrage des Kollegen Tom Schreiber (Drucksache 17/18046), insbesondere Punkt 6, vorgenommen ? Zu 2.: Der Senat hatte in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage 17/18046 eine generelle Gewaltbereitschaft der Berliner Reichsbürgerszene verneint. Diese Auskunft hat auch nach den beiden Gewaltvorfällen in Sachsen und Bayern Bestand. Der Senat sieht aber natürlich auch die grundsätzliche Möglichkeit einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der Szene bis hin zu einer Eskalation mit Waffengewalt. Dieses mögliche Szenario wird bei der weiteren Beobachtung und Bewertung der Szene ausdrücklich berücksichtigt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 097 2 3. Zählen von „Reichsbürgern" verübte Straftaten in polizeilichen Datenbanken zu politisch motivierter Strafgewalt rechts oder werden Straftaten entsprechend der Ideologie kategorisiert? Wenn nein, wieso nicht? Zu 3.: Die Klassifizierung von Straftaten der „Reichsbürgerbewegung “ erfolgt einzelfallbezogen aufgrund der Motivation beziehungsweise der Einstellung der Täterin oder des Täters sowie der Umstände der Tat. Nicht jede Tat ist dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ (PMK - rechts) des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD) zuzuordnen. Liegen keine Anhaltspunkte für eine rechtsmotivierte Tat vor, wird sie dem Bereich „Sonstige/Nicht zuzuordnen“ zugerechnet. 4. Sind dem Senat „Reichsbürger“ bekannt, die im öffentlichen Dienst oder Beamtenverhältnis beschäftigt werden? Inwieweit hält der Senat die Zurechnung von Personen zum „Reichsbürgertum“ für vereinbar mit dem Beamtenstatus? Zu 4.: Nach § 33 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Mit dieser Verpflichtung ist insbesondere jede Verbindung mit einer Partei, Vereinigung oder Einrichtung , die die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ablehnt oder bekämpft, sowie die Unterstützung anderer verfassungsfeindlicher Bestrebungen unvereinbar. Dies folgt auch aus Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes. Die Zurechnung von Personen zum „Reichsbürgertum“ kann insofern mit dem Beamtenstatus unvereinbar sein. Beamtinnen und Beamte unterliegen darüber hinaus einem Mäßigungsgebot. Sollte es im bestehenden Beamtenverhältnis zu einer Dienstpflichtverletzung, so beispielsweise einem Verstoß gegen das Mäßigungsgebot oder einem Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, kommen, ist diese mit den zur Verfügung stehenden dienstrechtlichen Instrumentarien zu ahnden und / oder strafrechtliche Ermittlungen zu prüfen. Derzeit gibt es bei der Polizei Berlin einen Polizeivollzugsbeamten , bei dem Anhaltspunkte hinsichtlich der außerdienstlichen Verwendung eines Schreibens mit „reichsbürgertypischen“ Inhalten vorliegen. Gegen diesen Beamten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es steht derzeit nicht fest, ob der Beamte „Reichsbürger“ ist. Darüber hinaus sind im Rahmen des Besteuerungsverfahrens bzw. von Amtshilfeersuchen in der Vergangenheit mehrere Personen festgestellt worden, die dem Kreis der Reichsbürger/innen zuzuordnen sind und im Dienst des Landes Berlin stehen. Soweit das Steuergeheimnis (§ 30 AO) nicht entgegensteht , werden entsprechende Sachverhalte an die für die Durchführung dienstrechtlicher Maßnahmen zuständige Stelle durch das jeweilig zuständige Finanzamt gemeldet . 5. Wie viele „Reichsbürger" sind in Berlin als Waffenbesitzer registriert? Zu 5.: Eine Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung “ ist derzeit weder bei der Berliner Waffenbehörde , noch bei der Polizei Berlin statistisch auswertbar . Die Prüfung von Einzelerkenntnissen ist noch nicht abgeschlossen. Durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport erfolgte am 25. Oktober 2016 die Weisung, dass Personen, welche belegbar der „Reichsbürgerbewegung“ zuzurechnen sind, aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2a) bis c) Waffengesetz, als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen und entsprechende Anträge auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis abzulehnen sowie bereits erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse aufzuheben sind. 6. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen „Reichsbürger “ in Berlin die Entrichtung von Steuern, Bußgeldern oder sonstigen Abgaben verweigerten? Bitte differenziert nach Bezirken sowie nach Art des Vorfalls ausweisen . Zu 6.: Angehörige der Reichsbürgerszene lehnen grundsätzlich fiskalische Maßnahmen, zu denen auch die Steuerpflicht gehört, ab und versuchen dies mit pseudojuristischen Begründungen zu erklären. Bundesweit und auch in Berlin werden daher in unregelmäßigen Abständen Fälle bekannt, bei denen Vollstreckungsmaßnahmen notwendig werden. Bei den Ämtern für Bürgerdienste stellten nur drei Bezirke entsprechende Verhaltensweisen fest: Im Bezirk Spandau wurden in drei Fällen die gegen sie verhängten Zwangsgeldzahlungen von Angehörigen der sogenannten Reichsbürgerszene nicht geleistet. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gibt es einen Fall, in dem ein sogenannter Reichsbürger einen Einspruch gegen ein gegen ihn verhängtes Bußgeld eingelegt hat. Im Bezirk Reinickendorf gibt es fünf Fälle, in denen die Zahlung eines Bußgeldes im Falle von melderechtlichen oder ausweisrechtlichen Ordnungswidrigkeiten zunächst verweigert wurde. Nach erfolgter Mahnung und einer möglichen Androhung der Erzwingungshaft wurden die Bußgelder von den Angehörigen der sogenannten Reichsbürgerszene jedoch bezahlt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 097 3 Bei den bezirklichen Ordnungsämtern mussten fünf Bezirke entsprechende Verhaltensweisen von sich weigernden sogenannten Reichsbürgern feststellen: Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde gegen einen sogenannten Reichsbürger ein Bußgeldverfahren wegen Lärmverstößen eingeleitet, in dem er sich weigert, das verhängte Bußgeld zu zahlen. In fünf Fällen verweigerten Betroffene von Ordnungswidrigkeitenverfahren im Bezirk Lichtenberg die Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbußen unter Verweis auf die fehlende Rechtmäßigkeit der eingeleiteten Verfahren; dabei bedienten sie sich bei der Begründung der in der Reichsbürgerszene verwendeten Argumente. Im Ordnungsamt Neukölln sind konkret zwei Fälle bekannt: In dem einen Fall verweigerte ein sogenannter Reichsbürger als ehemaliger Spielhallenbetreiber die Entrichtung von gegen ihn verhängten Bußgeldern. Im anderen Fall hat ein mittlerweile ehemaliger sogenannter Reichsbürger sein Bußgeld nicht entrichtet, jedoch eher aus Gründen der Mittellosigkeit und nicht mehr wegen Negierung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland bzw. Rechtmäßigkeit der Staatsorgane; bezüglich der Nichtanerkennung des Bußgeldbescheides hat er inzwischen eingeräumt, falsch durch die sogenannten Reichsbürger beraten worden zu sein. Bei Bearbeitung von belastenden Verwaltungsakten (Gewerbeuntersagung nach § 35 Gewerbeordnung u. a. wegen unterbleibender Entrichtung von Steuern durch Gewerbetreibende) kommt es im Ordnungsamt Pankow geschätzt einmal im Jahr zu Streitigkeiten mit Angehörigen der sogenannten Reichsbürgerszene. Bei der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten -Verfahren gibt es geschätzt 3 - 5 Fälle pro Jahr, in denen diese die Zahlungen verweigern. Im Bezirk Reinickendorf gab es nach einer erfolgten Gewerbeuntersagung einen Gewerbetreibenden , der als sogenannter Reichsbürger seine Gewerbeabmeldung verweigerte. 7. Gibt es eine eigene Kategorie zur Erfassung von „Reichsbürgern“ in Bezug auf Verweigerung der in Punkt 6 beschriebenen Abgaben durch die betreffenden Stellen? Zu 7.: Die Anlässe und die Fälle, in denen Angehörige der sogenannten Reichsbürgerszene die Entrichtung von Bußgeldern gegenüber den bezirklichen Ämtern für Bürgerdienste bzw. den Ordnungsämtern verweigert haben, sind sehr vielfältig und lassen sich nicht kategorisieren. Eine gesonderte Statistik dazu wird von den Bezirksverwaltungen nicht geführt. Der Senatsverwaltung für Finanzen sind allerdings weit über 100 Fälle bekannt, in denen Reichsbürger/innen die Entrichtung von Steuern, Bußgeldern oder sonstigen Abgaben (z.B. GEZ-Gebühren) verweigern. Besondere Aufzeichnungen oder gesonderte Kategorien zur Erfassung gibt es in den Finanzämtern nicht. 8. Welche Fälle von anderen sonstigen Straftaten im Kontext Waffenbesitz, Raub, Mord und gefährlicher Körperverletzung sind dem Senat im Zusammenhang mit „Reichsbürgern" bekannt? Auch hier bitte differenziert nach Bezirken und Art des Vorfalls aufschlüsseln. Zu 8.: Derzeit wird in den Datenbanken der Polizei Berlin kein statistisch auswertbares Merkmal „Reichsbürger “ verwendet. In diesem Kontext ist keine statistisch valide Antwort möglich. Derzeit erfolgt zum in Rede stehenden Kontext im KPMD-PMK eine Prüfung von Einzelfällen auf eine Tatbegehung mit „reichsbürgerideologischem “ Hintergrund. Im Weiteren siehe Antwort zu Frage 10. 9. Gibt es Schulungsmaßnahmen für Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte im Öffentlichen Dienst zum Umgang mit „Reichsbürgern“ oder sind solche vorgesehen ? Gibt es ferner Programme oder Projekte zur Prävention und gesamtgesellschaftlichen Aufklärung über „Reichsbürger“, die vom Land Berlin finanziell gefördert werden? Zu 9.: Nicht zuletzt aufgrund des provokanten und lästigen Auftretens der Reichsbürgerszene gegenüber den Behörden ist den Berliner Beamten die grundsätzliche Problematik bewusst. Es besteht mittlerweile eine hohe Sensibilität gegenüber dieser Szene. Dies wird durch interne Vorträge, aber auch entsprechendes Schulungsmaterial und Informationsmaterialien unter anderem des Berliner Verfassungsschutzes flankiert. Aus dem Bereich des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA), das zuständig ist für die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Höheren Justizdienstes in den Ländern Berlin und Brandenburg, werden im Jahr 2017 Veranstaltungen an der Justizakademie des Landes Brandenburg in Königs-Wusterhausen angeboten werden, bei denen (auch) der Umgang mit Angehörigen der Reichsbürgerszene behandelt werden wird. Veranstaltungen wurden auch bereits im Jahr 2016 und in den Vorjahren durchgeführt. Daneben ist beabsichtigt, zu Jahresbeginn 2017 eine Informationsveranstaltung/ Kurzschulung für Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten und andere Behördenleiterinnen und Behördenleiter aus dem Geschäftsbereich als Multiplikatoren zu veranstalten, in der diese für die „Reichsbürger“-Problematik weiter sensibilisiert und über die Szene und ihre typischen Strategien informiert werden sollen. Im Vorfeld zu dieser Veranstaltung werden durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auch schriftliche Unterlagen erarbeitet werden. Ferner wird der Präsident des Kammergerichts im Jahr 2017 ebenfalls im Zusammenhang mit der „Reichsbürgerthematik “ Veranstaltungen zur Eigensicherung für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher anbieten. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 097 4 Weiterhin steht eine Informationsbroschüre mit Hinweisen zum „Umgang mit schwierigem Publikum“ für den gesamten Justizbereich kurz vor ihrer Fertigstellung, die sich insbesondere mit „Reichsbürgern“ befasst. Im Bereich der Senatsverwaltung für Finanzen (Sen- Fin) werden die betroffenen Dienstkräfte seit 2012 fortlaufend durch verschiedenste Maßnahmen unterstützt. Insbesondere werden laufend auf den jeweiligen Dienstbesprechungen der Hintergrund und die aktuellen Entwicklungen dargestellt, um die Dienstkräfte zu informieren und für hinreichende Sorgfalt insbesondere im Umgang mit personenbezogenen Daten zu sensibilisieren. Ferner hat die SenFin für die Finanzämter und die Senatsverwaltung jeweils eine Arbeitshilfe für den Umgang mit dem o.g. Personenkreis herausgegeben, wie der schriftliche und persönliche Umgang erfolgen soll. Darüber hinaus stehen bei SenFin drei Ansprechpartner zur Verfügung, um in besonders gelagerten Einzelfällen individuelle Hilfestellungen zu leisten. Mit den Dienstkräften des Vollstreckungsaußendienstes wurde die Thematik in den vergangenen Jahren mehrfach erörtert und die Dienstkräfte zur Beachtung der Grundsätze der Eigensicherung aufgefordert. Hierfür wird den Dienstkräften ein zweitägiger Lehrgang angeboten und ein Leitfaden zur Eigensicherung herausgegeben. Die Polizei Berlin befasst sich im Rahmen eines Fortbildungsseminars zum Thema „Rechtsextremismus“ in einer Unterrichtseinheit mit dem Phänomen der „Reichsbürger “. Bereits im Mai 2016 hielten Dienstkräfte des Polizeilichen Staatsschutzes im Landeskriminalamt (LKA), Abteilung 5, einen Vortrag zum Thema „Umgang mit Reichsbürgern“, zunächst in der Senatsverwaltung für Finanzen und im November 2016 an der Landespolizeischule . An dem erstgenannten Vortrag nahmen Mitarbeitende aller Berliner Finanzämter teil, da diese vor allem im Rahmen der Vollstreckung ausstehender Rundfunkbeiträge (Gebühreneinzugszentrale - GEZ) vermehrt in Kontakt mit „Reichsbürgern“ kamen. Weiterhin erarbeitete das LKA 5 bereits im Juni 2016 anlassunabhängig das Merkblatt „Reichsbürger“, welches allen Dienstkräften der Polizei Berlin als Hilfestellung zur Erkennung und im Umgang mit dem Phänomen „Reichsbürger “ dienen soll. Das Merkblatt wurde daher in das - für alle Dienstkräfte zugängliche - Intranet der Polizei Berlin eingestellt. Eigene Präventionsprojekte zum Thema „Reichsbürger“ werden von der Polizei Berlin nicht betrieben . 10. Wie viele von „Reichsbürgern“ begangene Straftaten im Jahr 2015 und im Jahr 2016 sind dem Senat bekannt ? Bitte aufschlüsseln in Art der Straftat und Bezirk. Zu 10.: Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen - gegebenenfalls bis zum endgültigen Gerichtsurteil - einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen . Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Terrorismus, Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Dem KPMD-PMK liegen im Sinne der Fragestellung derzeitig nachfolgende Fälle im Kontext „Reichsbürger“ vor (Stand LKA 5 vom 05. Dezember 2016: neun Fälle in 2015 und 16 Fälle in 2016): Jahr Zähldelikt Art Bezirk Ortsteil 2015 § 113 StGB Gewaltdelikte Pankow Prenzlauer Berg 2015 § 86a StGB Propagandadelikte Lichtenberg Neu-Hohenschönhausen 2015 § 86a StGB Propagandadelikte Reinickendorf Konradshöhe 2015 § 86a StGB Propagandadelikte Marzahn-Hellersdorf Biesdorf 2015 § 241 StGB sonstige Delikte Pankow Weißensee 2015 § 185 StGB sonstige Delikte Pankow Weißensee 2015 § 130 StGB sonstige Delikte Mitte Mitte 2015 § 130 StGB sonstige Delikte Pankow Weißensee 2015 § 90a StGB sonstige Delikte Mitte Wedding 2016 § 223 StGB Gewaltdelikte Mitte Moabit 2016 § 224 StGB Gewaltdelikte Friedrichshain- Kreuzberg Kreuzberg 2016 § 223 StGB Gewaltdelikte Mitte Moabit 2016 § 223 StGB Gewaltdelikte Mitte Moabit Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 097 5 2016 § 224 StGB Gewaltdelikte Charlottenburg- Wilmersdorf Charlottenburg 2016 § 86a StGB Propagandadelikte Mitte Moabit 2016 § 86 StGB Propagandadelikte Tempelhof-Schöneberg Tempelhof 2016 § 185 StGB sonstige Delikte Reinickendorf Märkisches Viertel 2016 § 130 StGB sonstige Delikte Lichtenberg Neu-Hohenschönhausen 2016 § 130 StGB sonstige Delikte Lichtenberg Neu-Hohenschönhausen 2016 § 130 StGB sonstige Delikte Reinickendorf Wittenau 2016 § 267 StGB sonstige Delikte Mitte Moabit 2016 § 26 Versammlungsgesetz sonstige Delikte Mitte Tiergarten 2016 § 185 StGB sonstige Delikte Reinickendorf Wittenau 2016 § 303 StGB sonstige Delikte Mitte Moabit 2016 § 189 StGB sonstige Delikte Reinickendorf Wittenau 11. Welche Kenntnis besitzt der Senat über Verbindungen von „Reichsbürgern“ zu relevanten Organisationen oder Parteien des asylfeindlichen, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Spektrums bundesweit? Zu 11.: Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 12. Dezember 2016 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dez. 2016)