Drucksache 18 / 10 109 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 02. Dezember 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Dezember 2016) und Antwort JA zum Naturschutz, aber bitte mit Augenmaß! – Fachliche Aspekte hinsichtlich des Zustandekommens der Schutzgebietsverordnung „Müggelspree/Fredersdorfer Mühlenfließ“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Eine Schutzgebietsverordnung „Müggelspree /Fredersdorfer Mühlenfließ“ gibt es nicht. Der Senat geht bei der Beantwortung davon aus, dass die Anfrage die im Verfahren befindliche „Verordnung zum Schutz der Landschaft des Müggelsees und des Fredersdorfer Mühlenfließes und über das Naturschutzgebiet „Müggelsee / Fredersdorfer Mühlenfließ“ im Bezirk Treptow -Köpenick von Berlin meint. Frage 1: Welche fachlichen Gründe, einschließlich der jeweiligen Datenbasis, liegen für die einzelnen Schutzgebiets -zonen und deren geplanter Verschiebungen sowie Erweiterungen gegenüber dem eigentlichen Gewässerentwicklungskonzept vor? Frage 5: Welchen fachlichen Bedarf gibt es für eine Ausweitung der bisherigen Schutzregelungen (Meidungszonen ) im und am Müggelsee (hierbei bitte sämtliche bestehenden und geplanten Meidungsgebiete einzeln angeben und fachlich begründen, inkl. Darstellung der getroffenen Abwägungen)? Antwort zu 1 und 5: Die besonders wertvollen und schutzbedürftigen Bereiche auch des Müggelsees sind die Ufer- und Flachwasserbereiche. Datenbasis dafür sind u.a. Kartierungen der Röhrichte, Unterwasserpflanzenvegetation , Großmuscheln, Fische und Vögel. Alle Untersuchungen wurden durch externe Fachgutachter durchgeführt und flossen als fachliche Grundlagen ein in das Gewässerentwicklungskonzept. Ziel der geplanten Naturschutzgebiete ist, diese besonders wertvollen Flachwasserbereiche mit der dort vorkommenden Flora und Fauna nachhaltig zu schützen. Die jetzt gefundenen Abgrenzungen stellen einen Kompromiss dar zwischen dem Schutzbedürfnis der Natur und dem Bedürfnis der Menschen, aufgrund der Wind- und Wasserverhältnisse gerade in diesen Bereichen Wassersport zu treiben, insbesondere dort zu segeln, zu rudern oder Kanu zu fahren. Das geplante Naturschutzgebiet am Westufer des Müggelsees sollte ursprünglich einen wesentlichen Teil der Flachwasserzone abdecken. Es hat als Ergebnis der Beteiligung nunmehr einen Uferabstand von etwa 150m und ist im Wesentlichen deckungsgleich mit der entsprechenden Meidungszone des Gewässerentwicklungskonzeptes . Ebenso verhält es sich mit dem geplanten Naturschutzgebiet am Südufer: Im Ergebnis der Beteiligung wurde das geplante Naturschutzgebiet im Hinblick auf die Anforderungen des Wassersports um etwa 15 ha verkleinert . Frage 2: Welche Grundlagen bzw. Datenbasis lag der FFH-Anmeldung zugrunde und mit welcher Begründung wird diese heute noch als aktuell betrachtet? Antwort zu 2: Im Jahr 2002 überprüfte die EU- Kommission die Meldung aller Mitgliedstaaten von Gebieten gemäß FFH -Richtlinie und kam zu dem Ergebnis, dass die Meldung Deutschlands nicht vollständig gewesen sei. Daraus ergab sich die Forderung, dass die in Deutschland für Naturschutz zuständigen Bundesländer FFH- Schutzgebiete nachzumelden hatten, u.a. für den Lebensraumtyp (LRT) 3150 („natürlich eutrophe Seen“) nach Anhang I FFH-RL sowie u.a. für die Fischarten Rapfen und Steinbeißer nach Anhang II FFH-Richtlinie. Um diese Forderung zu unterstreichen leitete die EU- Kommission im Jahr 2003 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein, welches nur mit dem Nachweis der Erfüllung der Nachforderungen abgewendet werden konnte. Für den Rapfen war zum damaligen Zeitpunkt Stand der Erkenntnis, dass die adulten Tiere als gute Schwimmer eine weitere Verbreitung aufweisen, als einziges Laich- und Fortpflanzungsgebiet in Berlin galten jedoch die Flachwasserbereiche im Müggelsee . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 109 2 Auch für die wenig mobile Kleinfischart Steinbeißer gab es im Rahmen von Fischkartierungen einzelne Nachweise im Ufer- und Flachwasserbereich von Müggelsee und Müggelspree. Inzwischen hat sich aufgrund umfangreicher Maßnahmen zum Gewässerschutz des Landes Berlin der ökologische Zustand einiger Gewässer in Berlin verbessert , so dass neue Vorkommen dieser Arten im Bereich von Havel und Tegeler See nachgewiesen werden konnten. In Kombination mit dem LRT „natürlich eutrophe Seen“ sowie weiteren Schutzgegenständen nach den Anhängen von FFH- und Vogelschutz-Richtlinie bleibt das Gebiet von Müggelsee und Müggelspree jedoch weiterhin von besonderer Bedeutung. Frage 3: Welche fachlichen Untersuchungen - unter Beteiligung welcher externen und internen Gutachter - wurden vorgenommen und welche Anhörungen (bitte um Auflistung: Datum/Beteiligte) fanden zur Feststellung und Lösung von Konflikten statt? Antwort zu 3: Zu den fachlichen Grundlagen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Der Verordnungsentwurf mit Begründung und Schutzgebietskarten wurde nach öffentlicher Bekanntmachung in der Zeit vom 15.8. bis 16.9.2016 gemäß § 27 Absatz 3 Berliner Naturschutzgesetz öffentlich ausgelegt. In dem Beteiligungsverfahren sind über 700 Einwände eingegangen. Der das Verfahren führende Fachbereich hat eine Vielzahl von Einzelgesprächen geführt. Einige Gespräche fanden im größeren Rahmen statt, so ein Gespräch am 20.09.2016 mit der Berliner Wassersportkommission (Landessportbund, Bezirkssportbund Treptow- Köpenick, Berliner Seglerverband/ Ruderverband/ Kanuverband , Olympischer Sportbund) zur Ausgestaltung des Naturschutzgebietes am Westufer und der Frage des Genehmigungsvorbehalts für schutzzweckverträgliche Regatten , Trainings und Schwimmwettkämpfe. Weiter fand ein Gespräch statt am 8.10.2016 mit dem Seglerverein Rahnsdorf zum Befahren des Müggelsees und Fragen der Ausbaggerung und Entschlammung der „Bänke“. Am 14.10.2016 fand ein zweites Gespräch mit der Wassersportkommission statt, und am 28.11.2016 gab es ein Informationsgespräch zwischen der damaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, vertreten durch die Leitung der Abteilung I und den Pressesprecher, und Repräsentanten aller Vereine und Verbände, die sich am Verfahren beteiligt haben. Eine schriftliche Information aller Beteiligten am Verfahren wird derzeit vorbereitet. Nach Bedarf wird es im Jahr 2017 eine öffentliche Informationsveranstaltung geben. Frage 4: Welche Untersuchungserkenntnisse (Auswirkungen der Maßnahmen) gibt es hinsichtlich: • Eigentumsverhältnisse sämtlich Betroffener (Anzahl Grundstückseigentümer/Nutzer), • Erschließungswege (inkl. Wasserwege zu den Inseln ), • Naherholungszonen, • diverse Wassersportgruppen (detaillierte Angaben nach Segeln, Rudern, Kanufahrern, Baden /Schwimmen, Angeln, Surfen, Motorbootfahren , Katamaran) und • Gewerbetreibende (Vermietung/Verpachtung im Wassersport-/Freizeitbereich, Bootshäuser, Marina u.a.)? Antwort zu 4: Bewohnte Grundstücke an den Ufern des Müggelsees gibt es in dem neuen Schutzgebiet nicht. Auch die Wochenend-Parzellen auf den Rahnsdorfer Inseln liegen außerhalb des neuen Schutzgebietes und können in dem jetzt schon geltenden rechtlichen Rahmen weiter genutzt werden. Gewerbebetriebe gibt es im neuen Schutzgebiet ebenfalls nicht, und auch die Stege, Bootshäuser und das Vereinsgelände am Nordostufer des Bereichs „Bänke“ liegen außerhalb des geplanten Schutzgebietes . Das Segeln, Rudern und Kanufahren auf dem Müggelsee und den angrenzenden Gewässern ist in dem jetzt schon geltendem rechtlichen Rahmen weiter möglich, da es sich bei diesen Sportarten um Gemeingebrauch der Bundeswasserstraße handelt, der durch die Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet-Naturschutzgebiet (LSG- NSG) Müggelsee nicht eingeschränkt werden kann. Befahrensregelungen und Kennzeichnungen der NSG- Zonen nach Wasserstraßenrecht (also sog. „Austonnung“) über die vorhandenen Sperrungen hinaus können erst auf Grund einer Befahrensverordnung des Bundes erfolgen, die es gegenwärtig nicht gibt. Der Bund wird erst tätig werden, wenn das Land Berlin einen entsprechenden Antrag stellt. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz strebt an, gemeinsam mit den Verbänden auf die freiwillige Einhaltung der NSG-Vorschriften durch die Nutzerinnen und Nutzer hinzuwirken. Wichtiger Maßstab beim Verfassen der Verordnung zum Landschafts- und Naturschutzgebiet Müggelsee war, vorhandene Nutzungen nur im unbedingt erforderlichen Umfang einzuschränken. Dies ist mit dem vorliegenden Entwurf gelungen. Das Verfahren zur Festsetzung des LSG-NSG Müggelsee hat große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Das war auch zu erwarten , da gerade am Müggelsee aufgrund der Schönheit der Landschaft und den vielfältigen Möglichkeiten der Erholungsnutzung einschließlich aller Formen des Wassersports viele Menschen leben oder sich dort gerne in ihrer Freizeit aufhalten. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer haben im Zusammenhang mit dem neuen, geplanten Schutzgebiet ihre Sorgen geäußert. Sie befürchten vor allem erhebliche Einschränkungen beim Motorbootfahren , beim Segeln, Rudern und Kanufahren, bei der Durchführung von Veranstaltungen, beim Angeln sowie beim Baden und Schwimmen. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz nimmt die Sorgen der Menschen sehr ernst und hat in Auswertung der vorgebrachten Anregungen und Bedenken die geplante Verordnung noch einmal sorgfältig geprüft und einige Änderungen vorgenommen. Im Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 109 3 Ergebnis wurden gute Kompromisse zwischen dem Schutzerfordernis von Natur und Landschaft und den vielfältigen Interessen der Nutzerinnen und Nutzer gefunden . Frage 6: Wie wird der überdimensioniert geplante Schutzgürtel im westlichen Bereich des Müggelsees (windgeschützt, für Ruderer und Segler besonders gut geeignet) hinsichtlich der Einschränkung der muskel- und windbetriebenen Nutzung begründet und für die Auswirkungen bewertet? Antwort zu 6: Von einem „überdimensioniert geplanten Schutzgürtel im westlichen Bereich des Müggelsee“ kann nach Auffassung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz nicht die Rede sein. Das geplante Naturschutzgebiet am Westufer des Müggelsees hat zum gegenwärtigen Stand einen Uferabstand von etwa 150m und ist fast deckungsgleich mit der entsprechenden Meidungszone des Gewässerentwicklungskonzeptes. Frage 7: Wie möchte der Senat - unter Wahrung des gültigen Gewässerentwicklungskonzeptes - berücksichtigen , dass an den Bänken die erforderlichen Baggermaßnahmen durchgeführt werden, so dass die Existenzen der Anlieger, Vereine und Gewerbetreibenden sowie das Brutgebiet der Trauerseeschwalbe gesichert sind? Antwort zu 7: Durch einen entsprechenden Genehmigungstatbestand in der Verordnung wird sichergestellt, dass ggf. erforderliche, sach- und fachgerecht sowie schutzzweckverträglich durchgeführte Veränderungen der Tiefe, des Verlaufs oder der Gestalt der Gewässer vorgenommen werden können, soweit sie nicht der Unterhaltungshoheit des Bundes unterliegen. Dies gilt einschließlich der Zufahrten zu Anlegestellen. Berlin, den 16. Dezember 2016 In Vertretung S t e f a n T i d o w ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Dez. 2016)