Drucksache 18 / 10 134 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 08. Dezember 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2016) und Antwort Kinderschutz im „bundesweiten Ankunftszentrum“ für Geflüchtete in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. An welchem Standort wird sich das bundesweite Ankunftszentrum für Geflüchtete für Berlin befinden und wer ist der Betreiber dieses Ankunftszentrums? Zu 1.: Das gemeinsam mit dem Bund betriebene Ankunftszentrum Berlin ist räumlich auf die beiden Standorte Bundesallee 171, 10715 Berlin (Verwaltung) sowie Tempelhofer Damm 45, Hangar 5, 12101 Berlin (Transitunterkunft ) aufgeteilt. Die Transitunterkunft bildet einen räumlich abgegrenzten Teilbereich (einzelner Hangar) der am gleichen Standort eingerichteten Notunterkunft. Diese Notunterkunft wird von der Tamaja Soziale- Dienstleistungs-GmbH betrieben. Das Ankunftszentrum Berlin hat keine bundesweite Zuständigkeit, sondern ist ausschließlich für die neu in Berlin ankommenden (zugeteilte oder selbstständig angereisten ) Asylsuchenden zuständig. Die selbstständig angereisten Asylbegehrenden werden durch das bundesweite Verteilverfahren ggf. einem anderen Bundesland zugewiesen und dann an die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung weiter gewiesen. 2. Gibt es neben dem bundesweiten Ankunftszentrum für Berlin weitere Ankunftszentren? Wenn ja, wo werden diese sein und durch wen werden diese betrieben? Zu 2.: Es gibt in Berlin keine bundesweiten Ankunftszentren , sondern nur das eine in der Antwort zu 1. genannte Ankunftszentrum Berlin. Die in anderen Bundesländern befindlichen Ankunftszentren können der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Internet unter der Adresse http://www.bamf.de/DE/DasBAMF/Aufbau/Standorte/An kunftszentren/ankunftszentren-node.html veröffentlichten Übersicht entnommen werden. 3. Wurde das Vergabeverfahren zur Betreibung des Ankunftszentrums öffentlich ausgeschrieben und wurden bei der Vergabe die neuen Betreiberverträge des Landes Berlins (analog der Ankündigung aus Drucksache 17/18882) verwendet. Zu 3.: Für die kurzfristige Unterbringung der im Ankunftszentrum betreuten Geflüchteten wird ein Teil der in der Notunterkunft am Tempelhofer Damm 45 verfügbaren Kapazitäten genutzt, indem ein einzelner Hangar als Transitunterkunft eingerichtet wurde. Da diese Notunterkunft bereits zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Ankunftszentrums am 01.09.2016 bestand und somit für den Betrieb der Einrichtung im Rahmen des Ankunftszentrums keine Auftragsvergabe erforderlich war, musste keine öffentliche Ausschreibung oder ein anderes öffentliches Vergabeverfahren durchgeführt werden. 4. Wie stellt der Senat sicher, dass in vom Bund betriebenen Einrichtungen, wie dem bundesweiten Ankunftszentrum , der Kinderschutz gewährleistet wird? 5. Gelten für das bundesweite Ankunftszentrum Standort Berlin sowie für möglicherweise weitere in Berlin bestehende Ankunftszentren die in der Drucksache 17/18882 und 17/19062 durch den Senat garantierten Mindeststandards zur Sicherung des Kindeswohls? Hier sind insbesondere zu benennen: - durch Fachkräfte betreute Spiel- und Freizeitbereiche - interne und externe Ansprechpersonen und Beschwerdemöglichkeiten bei Kinderrechtsverletzungen - Erstellung eines Kinderschutzkonzeptes sowie verbindliche Verfahrensschritte und Abläufe bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung. - Vorhaltung einer insoweit erfahrenen Fachkraft gem. (§§ 8a, b SGB VIII und 4 KKG) zur Gefährdungseinschätzung in Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 134 2 7. Wie positioniert sich der Senat zu den erhöhten Risiken für Kinder, wie mangelnde Betreuung oder nicht vorhandene Rückzugs- und Freiräume, die durch Transitbereiche (Ankunfts- bzw. Verteilungszentren) entstehen und wie will er diesen Risiken entgegenwirken? 8. Sind in diesen Fällen die psychosozialen und sozialpädagogischen Erstversorgungsangebote für Kinder und ihre Eltern/Angehörigen gesichert und werden in solchen Einrichtungen darüber hinaus entsprechende Schutzräume für Kinder vorgehalten? Zu 4., 5., 7. und 8.: In der Notunterkunft wird eine tägliche Kinderbetreuung angeboten, die auch von den Bewohnerinnen und Bewohnern des Ankunftszentraums genutzt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufenthaltszeit im Ankunftszentrum in der Regel nicht mehr als vier Tage beträgt und ein längerfristiger Aufenthalt nicht vorgesehen ist. Babys und Kleinkinder können in Begleitung der Eltern im Kleinkindbereich betreut werden. Ältere Kinder zwischen vier und 16 Jahren werden in Kreativarbeit und Spiel angeleitet. Die Kinder- und Jugendbetreuung der Betreiberin wird von der Organisation Save the Children Deutschland e. V. unterstützt. Die Betreiberin beschäftigt eine Kinderschutzbeauftragte, die gemeinsam mit Save the Children an einer am Kinderschutz orientierten Betreuung arbeitet und für die Gewährleistung des Kinderschutzes in und außerhalb der Hangars zuständig ist. Weiterhin gibt es in jedem Sozialteam Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich speziell mit dem Thema Kinderschutz befassen und eng mit den Familien arbeiten. Übergreifendes Ziel ist es, durch Präventions- und Interventionsarbeit das Kindeswohl zu erhalten bzw. zu erhöhen. Die Kinderräume sind geschützte Räume, die nicht nur einen sicheren räumlichen Rahmen bieten, sondern auch aus der Wahrnehmung des Kindes als sicher erlebt werden können und sollen. Die Kinderbetreuung bietet hierbei eine weitere wichtige, unterstützende Ressource im Kinderschutz. Unter anderem werden die Kinder hier dabei unterstützt, einen gesunden Selbstschutz (wieder) zu erlernen. Auch eine aktive Zusammenarbeit mit den Familien und Eltern findet statt, wobei es vor allem darum geht, die Eltern dabei zu unterstützen das Kindeswohl ihrer Kinder zu fördern. Es besteht zudem eine enge Kooperation mit dem Sozialdienst des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), um in einzelnen Krisenfällen zeitnah Lösungen im Sinne des Kindeswohls zu finden. 6. Inwieweit wird die Einhaltung der in Frage 5 genannten Mindeststandards in den Ankunftszentren überprüft und wer ist für die Überprüfung verantwortlich? Zu 6.: Da, wie ausgeführt wurde, für die Transitunterkunft Kapazitäten innerhalb der Notunterkunft am Tempelhofer Damm 45 genutzt werden, obliegt die Überprüfung der vertraglich vereinbarten Leistungen der im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) für Qualitätssicherung von Flüchtlingsunterkünften (einschl. Begehungen ) zuständigen Organisationseinheit. Diese prüft u. a. die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen in den Unterkünften und begleitet das Verfahren bei festgestellten Mängeln zu deren Beseitigung. Besondere Beachtung finden dabei die Personalkonzepte der Betreiberin/des Betreibers sowie der qualifizierte Einsatz des Personals. Die Qualitätssicherung versteht sich hierbei nicht nur als prüfendes, sondern auch als beratendes Organ. Im Rahmen der Qualitätskontrolle durch das LAF wird in einem persönlichem Gespräch mit der Einrichtungsleitung und/oder dem Betreuungspersonal auch erfragt, ob Fälle von Kindeswohlgefährdung vorgekommen /bekannt sind und welche Maßnahmen eingeleitet werden würden ggf. wurden. Sollte die Einrichtungsleitung /das Betreuungspersonal Kenntnis über einen Vorfall haben, sind entsprechenden Anweisungen zu befolgen. Dabei ist zu beachten, wer im weiteren Prozess beteiligt ist (z. B. Polizei). Des Weiteren besteht eine Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Gesundheitsamtes, den Schulämtern , den Kinderschutzstellen und sozialpädagogischen Familienhilfen. 9. Wie positioniert sich der Senat bei der Sicherung des Kindeswohls zu den vom BMSFSJ herausgegebenen Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften? Zu 9.: Es wird davon ausgegangen, dass die Frage auf die Publikation „MINDESTSTANDARDS zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften “ abstellt, herausgegeben und im Internet unter der Adresse https://www.bmfsfj.de/blob/107848/5040664f4f627cac1f 2be32f5e2ba3ab/schutzkonzept-mindeststandardsunterkuenfte -data.pdf veröffentlicht vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Der Senat misst dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften einen hohen Stellenwert zu und erkennt die vom BMFSFJ herausgegebenen Mindeststandards als Leitlinien zur Sicherung des Schutzes von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften an. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 134 3 Die Empfehlungen beziehen sich im Einzelnen auf sechs Mindeststandards: - Einrichtungsinternes Schutzkonzept - Personal- und Personalmanagement - Interne Strukturen und externe Kommunikation - Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen /Risikomanagement - Menschenwürdige, schützende und fördernde Rahmenbedingungen - Monitoring der Umsetzung des Schutzkonzeptes Mit den in der Antwort zu 6. dargestellten Maßnahmen wird den Empfehlungen des Bundes bereits in hohem Maße entsprochen. Durch die Einbeziehung dieser Vorgaben bei der Neugestaltung des Muster-Betreibervertrags erlangen sie eine verbindliche Rechtswirkung für die Betreiberinnen und Betreiber von vertragsgebundenen Flüchtlingsunterkünften, so dass die Betreiberinnen und Betreiber zur Umsetzung dieser Standards in ihren Einrichtungen verpflichtet sind. Der Senat wird für die Zukunft das Controlling weiter verbessern. Bei den Qualitätsanforderungen handelt es sich jedoch um keinen statischen Katalog, sondern sie werden im Lichte neuer Erkenntnisse und Erfahrungen stetig fortentwickelt . Auch im Jahr 2017 sind Fortschreibungen der Leistungs- und Qualitätsbeschreibungen für Flüchtlingsunterkünfte im Land Berlin geplant, in die auch die in Rede stehenden Empfehlungen des Bundes einbezogen werden sollen, um zu prüfen, ob bei den geltenden Qualitätsanforderungen insoweit ein über die bereits umgesetzten Maßnahmen hinaus gehender Anpassungsbedarf besteht . Berlin, den 27. Dezember 2016 In Vertretung Alexander F i s c h e r Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Dez. 2016)