Drucksache 18 / 10 182 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Oliver Friederici (CDU) vom 03. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Januar 2017) und Antwort Geplante Abschaffung des Vordereinstieges bei den Bussen der BVG Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie definiert sich die sogenannte „Hauptverkehrszeit “, beabsichtigt der Senat ein Modell einzuführen, wie es in der Stadt Leipzig praktiziert wird? Antwort zu 1: Die Hauptverkehrszeit in Berlin wird durch den Nahverkehrsplan (NVP) des Landes Berlin definiert (NVP 2014-2018, S. 31 f). Die Regelung in Leipzig sieht hingegen ganztags den Zustieg beim Fahrer vor, die Ausnahme auf zwei Linien bezieht sich auf den Zeitraum von 6 bis 20 Uhr, was nicht der Berliner Hauptverkehrszeit entspricht. Frage 2: Was ist unter der „grundsätzlichen Erlaubnis innerhalb der Hauptverkehrszeit“ gemeint, welche Ausnahmen von der Regel sind vorgesehen? Antwort zu 2: Der Grundsatz beschreibt das Prinzip, nach dem die derzeit geltende Regelung geändert werden soll. Ausnahmen sind keine genannt und würden sich auch erst aus konkreten Abstimmungsgesprächen mit der BVG AöR ergeben. Frage 3: Ist die BVG bei der Planung der Abschaffung des Vordereistieges einbezogen worden und wenn ja, wie hat sich die BVG bei der Frage der Abschaffung des Vordereinstieges positioniert? Antwort zu 3: Es ist hier nicht bekannt, inwieweit bei der Formulierung der Koalititonsvereinbarung durch die Landesverbände der Parteien Kontakt zur BVG AöR bestand. Gleichwohl ist die Haltung der BVG AöR bekannt. Sie sieht im obligatorischen Vordereinstieg ein wirksames Mittel zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen, die aus ihrer Sicht aus einer dann höheren Anzahl schwarzfahrerender Fahrgäste resultieren würden. Frage 4: Sind Fahrgastverbände bei der Planung der Abschaffung des Vordereinstieges einbezogen worden und wenn ja, wie haben sich die Verbände bei der Frage der Abschaffung des Vordereinstieges positioniert? Antwort zu 4: Es ist hier nicht bekannt, inwieweit bei der Formulierung der Koalititonsvereinbarung durch die Landesverbände der Parteien Fahrgastverbände einbezogen wurden. Die kritische Haltung z.B. des Berliner Fahrgastverband IGEB e.V. gegenüber dem obligatorischen Vordereinstieg ist dem Senat jedoch bekannt. Frage 5: Welche Vorteile hat die Abschaffung des Vordereinstieges und in welcher Form hat bezüglich dieser möglichen Vorteile eine Evaluation stattgefunden? Frage 6: Ist evaluiert worden, welche Auswirkungen auf Schwarzfahrer die Abschaffung des Vordereinstieges haben wird? Frage 7: Ist überprüft worden, ob und in welchem Verhältnis die Abschaffung des Vordereistieges Vorteile bei der Einhaltung des Fahrplanes hat? Frage 8: Ist evaluiert worden, welche Auswirkungen auf die Fahrgastsicherheit die Abschaffung des Vordereinstieges haben wird Frage 9: Sind die Erfahrungswerte berücksichtigt worden, die die BVG bei der (Wieder-) Einführung des Vordereinstieges im Jahr 2004 gesammelt hat (insbesondere hinsichtlich der Fahrplan-Zuverlässigkeit, der Schwarzfahrer-Quote und der Fahrgastsicherheit)? Antwort zu 5 bis 9: Eine Evaluation ist nur durch Beobachtungen in der Praxis möglich, die im Vorfeld der Regierungsbildung durch die Koalitionsparteien aufgrund der geltenden Regelung zum Vordereinstieg natürlich nicht durchgeführt werden konnten. Die Untersuchungen der BVG AöR dazu aus dem Jahr 2004 sind jedoch bekannt , die in Konsequenz des obligatorischen Vorderein- Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 182 2 stiegs eine geringere Quote schwarzfahrender Fahrgäste und höhere Fahrgeldeinnahmen benannten. Gleichwohl sind die Probleme im täglichen Fahrgastbetrieb offensichtlich, die sich aus der heutigen Regelung ergeben. Insbesondere die Verteilung der Fahrgäste im Fahrzeug wird vor allem bei langen Fahrzeugen, z.B. Gelenkbussen, erschwert. Es kommt im vorderen Teil des Fahrzeugs schnell zu Staus durch Barzahler oder Fahrgäste , die im Bereich zwischen erster und zweiter Tür verbleiben . Der hintere Teil der Fahrzeuge ist dadurch schlecht erreichbar und die tatsächlich vorhandene Kapazität der Fahrzeuge wird nicht optimal genutzt oder es dauert deutlich länger, bis alle Fahrgäste zugestiegen sind. Besonders offensichtlich ist dies auf Linien, in denen viele Fahrgäste Gepäck mit sich führen und im vorderen Teil des Busses bleiben (z.B. Linie TXL). Mit einem verzögerten Zustieg der Fahrgäste erhöht sich jedoch die Aufenthaltszeit an der Haltestelle. Gerade wenn deren Streuung groß ist, sind Auswirkungen auf die Fahrplantreue und u.U. auch auf die Wirkung von Vorrangschaltungen an Lichtsignalanlagen wahrscheinlich. Eine Konzentration allein auf die Quote schwarzfahrender Fahrgäste ist aus Sicht des Senats unter Beibehaltung der heutigen Kontrolldichte daher nicht sachgerecht, zumal der unkontrollierte Zustieg an allen Türen mittlerweile zur täglichen Praxis mindestens auf Linien mit hohem Fahrgastaufkommen gehört. Berlin, den 17. Januar 2017 In Vertretung Jens-Holger Kirchner ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Jan. 2017)