Drucksache 18 / 10 202 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 04. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Januar 2017) und Antwort Wohnungsleerstand in Berlin – ein verkanntes Problem? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch ist aktuell der Wohnungsleerstand in Berlin prozentual gemessen am Wohnungsbestand und in absoluten Zahlen? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln) Frage 2: Welche Gründe sind für den Leerstand bekannt und wie kann diesen entgegengewirkt werden? Frage 3: Gibt es Unterschiede bei den Leerstandsquoten zwischen städtischen Wohnungsgesellschaften, Wohnungsgenossenschaften und privaten Eigentümern und wenn ja, welche Erklärung hat der Senat hierfür? Frage 4: Ist es zutreffend, dass es in Berlin einen hohen Anteil an „spekulativem Leerstand“ gibt, wie aktuelle Medienberichte suggerieren und wenn ja, was sind die Ursachen hierfür? Antwort zu 1 bis 4: Seit Mitte 2010 (Quelle zuvor: Vattenfall-Stromzählerdaten) können dem Land Berlin keine stadtweiten Leerstandsangaben mehr zur Verfügung gestellt werden. Eine letzte ‚Orientierung‘ gibt die Zensuserhebung aus dem Mai 2011. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS) wies damals einen Leerstand von rd. 66.000 Wohnungseinheiten (WE) aus, 3,5% des Gesamtwohnungsbestandes . Seitdem ist vom weiteren Rückgang der Quote und der bereits deutlichen Unterschreitung der üblichen Fluktuation von 3% auszugehen. Gegenwärtige eigene Schätzungen gehen von einer Größenordnung des Berliner Leerstandes zwischen 44.000 bis 34.000 Wohnungen (2,3-1,8%) aus. Bezirkliche Abschätzungen sind nicht möglich. Verlässliche Zeitreihen über Leerstandsentwicklungen stehen derzeit nur für Berliner Wohnungsteilmärkte (Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen - BBU mit 40% der Gesamtmietwohnungen) zur Verfügung oder werden als CBRE-empirica-Leerstandsindex für d e n Teilmarkt der Neubaugeschoßwohnungen mit Sammelheizung erhoben, in denen die Firma regelmäßig die Heizkosten ermittelt. Die verfügbaren Leerstandsquoten dieser Teilmärkte und deren Entwicklung liegen inzwischen deutlich unterhalb der 3%-Marke ausgeglichener Wohnungsmärkte. Entwicklung verfügbarer Leerstandsdaten in Berlin nach Wohnungsbeständen Leerstand in % des jeweiligen Bestandes Jahr Berlin gesamt (Zensus 2011) BBU gesamt CBRE-empirica Leerstandsindex 2006 5,1 4,4 2007 4,6 4,2 2008 3,9 3,5 2009 3,5 3,3 2010 3,0 2,6 2011 3,5 2,6 2,3 2012 2,3 2,0 2013 2,0 1,8 2014 1,9 1,5 2015 1,7 1,2 Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 202 2 Absolute Angaben sind ebenfalls nur für diese Teilmärkte (zuletzt für Ende 2015) bekannt: Teilmarkt BBU-Unternehmen gesamt 11.500 WE (1,7%) Teilmarkt moderne vollausgestattete Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern (CBRE-empirica-Leerstandsindex) 20.000 WE (1,2%) Nur zum Teilmarkt der BBU-Unternehmen liegen auch Erkenntnisse zu den Leerstandsgründen vor, die jedoch nicht auf Berlin insgesamt übertragbar sind. In seiner Jahresstatistik vom August 2016 wird durch den Verband die anteilige Entwicklung der Leerstandsgründe seiner Mitgliedsunternehmen für die Jahre 2014/2015 benannt: Leerstandsquoten/-gründe in % 2014 2015 Entwicklung Modernisierung/Instandsetzung 34,5 35,4 0,9 Mieterwechsel 24,0 31,7 7,7 Unbewohnbarkeit durch bauliche Schäden 13,2 11,4 - 1,8 Vermietungsschwierigkeiten 10,9 9,8 - 1,1 Sonstige Gründe 14,6 8,5 - 6,1 Geplanter Verkauf 2,7 2,3 - 0,4 Abriss 0,0 0,1 0,1 Die Gesamtquote des BBU-Leerstands stellt mit 1,7% bereits eine unterdurchschnittliche Umzugsreserve dar. Der ausschließlich durch Mieterwechsel bedingte und damit kurzfristig verfügbare Leerstand betrug 2015 nur noch 0,5%. Zurzeit muss – trotz fehlender stadtweiter Daten – davon ausgegangen werden, dass aufgrund der angespannten Wohnungsmarktsituation und der genannten Teilmarktergebnisse der Leerstand in Berlin insgesamt auch nur geringfügig ist. Deutliche Leerstandsquoten unter 3% gewährleisten seit geraumer Zeit nicht einmal eine ausreichende Umzugsreserve. Gleichzeitig werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen Hauseigentümer Wohnungen dennoch aus spekulativen Gründen längere Zeit nicht vermieten, weil sie deutliche Mietsprünge bzw. höhere Verkaufspreise beabsichtigen . Über Anzahl und Umfang aus spekulativen Gründen dem Wohnungsmarkt entzogener Wohnungen liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Frage 5: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Zweckentfremdung von Wohnraum durch absichtlichen Leerstand durch die Bezirksämter geahndet werden kann? Frage 6: Wie viele solcher Verfahren wurden im Jahr 2016 in Berlin geführt und in wie vielen Fällen wurden Bußgelder verhängt? (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln) Frage 7: Welche Gesamteinnahmen an Bußgeldern wurden hierbei erzielt? Antwort zu 5 bis 7: Leerstand ist zweckentfremdungsrechtlich zu verfolgen, sofern Wohnraum länger als sechs Monate leer steht und (anschließend) hierfür keine Genehmigung vorliegt bzw. erteilt werden kann. Maßgebliche Gründe für einen genehmigungsfähigen längeren Leerstand können nachweisliche Vermietungsschwierigkeiten oder umfängliche Modernisierungs- oder Instandsetzungsarbeiten sein. In den Fällen, in denen keine genehmigungsfähigen Leerstandsgründe von Seiten der Verfügungsberechtigten nachgewiesen werden können, erfolgen Aufforderungen zur Wiedervermietung (sog. Rückführungsaufforderungen ), ggf. auch unter Zwangsgeldandrohung. Angaben im Sinne der Anfrage darüber, in wie vielen Fällen ein „absichtlicher“ längerfristiger Leerstand aus „spekulativen Gründen“ gegeben ist bzw. zweckentfremdungsrechtlich behördlich verfolgt wird, können seitens des Senates nicht aufgeliefert werden. Zweckentfremdungsrechtlich wird insoweit auch kein Unterschied bzw. keine Bewertung vorgenommen. Im Rahmen der Verfolgung zweckentfremdeter Wohnungen wurden von den Wohnungseigentümern seit Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes (ZwVbG) im Mai 2014 insgesamt 4.476 Leerstandsgenehmigungen (Leerstand länger 6 Monate) beantragt und 3.830 beschieden. Vorliegende Anträge werden überwiegend aufgrund umfassender genehmigungsfähiger Modernisierungs - oder Instandsetzungsmaßnahmen gestellt und genehmigt. 2.945 Anträge wurden genehmigt und nur 96 abgelehnt. 789 Verfahren wurden durch Rücknahme seitens der Antragsteller oder Einstellung durch die Behörde beendet. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 202 3 Zusätzlich wurden seit Mai 2014 bei den Bezirksämtern 2.020 Amtsverfahren (z.B. aufgrund von Bürgerhinweise oder bezirkseigne Recherchen) eingeleitet und die mit hohem Aufwand geprüft und bearbeitet werden, bevor sichere Erkenntnisse über tatsächliche Leerstände und deren Gründe verfügbar werden. Die statistischen Erkenntnisse aus den Genehmigungsund Amtsverfahren sind aufgrund des derzeitigen Bearbeitungs - und Verfahrensstandes noch nicht sicher belastbar . Die Genehmigungs- und Amtsverfahren betreffen zudem nur einen Ausschnitt aller unvermieteten Wohnungen . Aussagen zu berlinweiten Leerstandsstrukturen oder -gründen können daraus nicht abgeleitet werden. Frage 8: Sieht der Senat gesetzlichen Handlungsbedarf bei der Frage des „spekulativen Leerstands“ und wenn ja, wodurch und mit welcher Begründung? Antwort zu 8: Die Bezirksämter von Berlin haben mit dem Zweckentfremdungsverbot eine gesetzliche Eingriffsgrundlage , um gegen den Leerstand von Wohnraum vorgehen zu können. Berlin, den 19. Januar 2017 K. L o m p s c h e r ................................ Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Jan. 2017)