Drucksache 18 / 10 222 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 03. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2017) und Antwort Zuwanderer als Tatverdächtige 2016 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die PKS Berlin 2015 definiert "Zuwanderer" als Personen nichtdeutscher Herkunft, die als Asylbewerber, Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling, in Duldung oder unerlaubt in Berlin leben. 1. Wie viele Personen nichtdeutscher Herkunft haben zum 31.12.2016 als Asylbewerber, Kontingentflüchtling /Bürgerkriegsflüchtling oder in Duldung in Berlin gelebt? Inwieweit sind diese Angaben verifiziert? 2. Wie viele Personen haben sich nach Kenntnis bzw. Schätzung des Senats zum 31.12.2016 unerlaubt in Berlin aufgehalten? Inwieweit sind diese Angaben verifiziert? Zu 1. und 2.: Nach der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge herausgegebenen Statistik für das beim Bundesverwaltungsamt geführte Ausländerzentralregister waren in Berlin zum 30. November 2016 für 35.796 Personen Asylverfahren anhängig. Ebenfalls nach dieser Statistik hielten sich in Berlin zum 30. November 2016 23.547 Personen auf, die Aufenthaltstitel nach den §§ 22, 23 Abs. 1, 2, 4 sowie 25 Abs. 1 bis 3 des Aufenthaltsgesetzes erhalten haben. Neuere Zahlen liegen derzeit nicht vor. Die Zahl der Ausreisepflichtigen in Berlin belief sich zum Stichtag 31.12.2016 nach dem Fachverfahren der Berliner Ausländerbehörde auf 10.512 Personen, von denen 8.850 eine Duldung besitzen. 3. Wie viele Tatverdächtige (sowohl mit als auch ohne ausländerrechtliche Verstöße) mit dem Merkmal "Zuwanderer " im oben genannten Sinne sind im Jahr 2016 in Berlin ermittelt worden? Zu 3.: Nach bundesweiter Abstimmung werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2016 der Gruppe der „Zuwanderer“ Personen mit einem der folgenden Aufenthaltsanlässe zugerechnet: Asylbewerber, international/national Schutzberechtigte (Flüchtlingsstatus , subsidiärer Schutz, nationale Abschiebungsverbote ) und Asylberechtigte, Duldung (Abschiebungshindernisse nach Abschluss des Asylverfahrens), Kontingentflüchtlinge, Unerlaubter Aufenthalt. Gegenüber 2015 wurde der Aufenthaltsanlass „international /national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“ hinzugefügt, während die Bürgerkriegsflüchtlinge nicht mehr gesondert aufgeführt, sondern als Asylbewerber erfasst werden. Im Jahr 2016 befanden sich unter den zu allen Straftaten (ohne ausländerrechtliche Verstöße) erfassten 135.886 Tatverdächtigen insgesamt 54.150 nichtdeutsche Tatverdächtige , darunter 9.614 Tatverdächtige, die einen der relevanten Aufenthaltsanlässe aufwiesen. Von Letzteren waren 389 „international/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“. Bezieht man die ausländerrechtlichen Verstöße mit ein, wurden 21.378 Tatverdächtige mit einem der relevanten Aufenthaltsanlässe ermittelt, darunter 389 „international /national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“. 4. Wie viele Tatverdächtige bei ausländerrechtlichen Verstößen durch "Zuwanderer" hat es in 2015 in Berlin gegeben? Zu 4.: Im Jahr 2015 gab es in Berlin 8.668 Tatverdächtige mit einem der relevanten Aufenthaltsanlässe (ohne „international/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte “), die aufgrund eines ausländerrechtlichen Verstoßes erfasst worden waren. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 222 2 5. Welche Taten werden im Einzelnen als "ausländerrechtliche Verstöße" für die Zwecke der Kriminalstatistik bewertet? Warum fließen diese nicht in die Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ) bei Zuwanderern für 2015 ein? Zu 5.: Die ausländerrechtlichen Verstöße werden unter der PKS-Schlüsselzahl 725000 erfasst. Diese umfasst alle Straftaten aus dem Aufenthalts-, Asylverfahrens- und Freizügigkeitsgesetz/EU. Darunter fallen unter anderem Tatbestände wie der unerlaubte Aufenthalt, die unerlaubte Einreise, das Erschleichen eines Aufenthaltstitels oder auch Verstöße gegen die Residenzpflicht. Eine Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ) für „Zuwanderer “ wurde nicht ermittelt (siehe Antwort zu Frage 6). Lediglich für nichtdeutsche Tatverdächtige wurden TVBZ errechnet und dargestellt. Dabei finden ausländerrechtliche Verstöße keine Berücksichtigung, da der überwiegende Anteil dieser Verstöße nur von nichtdeutschen Tatverdächtigen begangen werden kann (99,3% in 2015). Dieser Umstand würde, insbesondere aufgrund der hohen Anzahl der Verstöße, bei der Berechnung der TVBZ zu einer Verzerrung zum Nachteil von nichtdeutschen Tatverdächtigen führen. 6. Die allgemeine TVBZ 2015 für in Berlin gemeldete deutsche Staatsangehörige wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2015 auf Seite 114 mit 2.852 angegeben . Für "Zuwanderer" weist die PKS 2015 6.780 Tatverdächtige aus und rechnet dieser Gruppe etwa 79.000 Personen zu, woraus sich eine TVBZ von 8.582 errechnen würde. Damit liegt die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen bei der Gruppe der "Zuwanderer" in etwa drei Mal so hoch wie für deutsche Staatsangehörige. Auf Seite 117 der PKS 2015 wird die Schlussfolgerung gezogen: "Die bisherigen Erhebungen sprechen nicht für eine überproportionale Kriminalitätsbelastung von Zuwanderern." Wie ist diese Aussage vor dem Hintergrund einer um 200 % höheren TVBZ zu verstehen? Zu 6.: Die PKS weist, wie in der Frage richtig wiedergegeben , für das Jahr 2015 6.780 Tatverdächtige mit einem der relevanten Aufenthaltsanlässe auf. Die 79.000 Personen, die der Rechnung des Anfragenden zugrunde liegen, beziehen sich auf Flüchtlinge, die im Jahr 2015 von Berlin aufgenommen wurden. Unter den 6.780 tatverdächtigen „Zuwanderern“ befinden sich allerdings auch Personen, die bereits vor 2015 nach Berlin kamen und 2015 straffällig geworden sind. Mit der Eintragung einer der genannten Aufenthaltsanlässe zu einem nichtdeutschen Tatverdächtigen ist keine Aussage möglich, seit wann die jeweilige Person den Status hat. Es kann sich sowohl um eine kürzlich eingereiste Asylbewerberin bzw. einen kürzlich eingereisten Asylbewerber handeln als auch um eine Person, die sich schon mehrere Jahre im Status der „Duldung“ in der Bundesrepublik aufhält. Die Berechnung einer TVBZ für Zuwanderer ist derzeit nicht möglich, da hierfür keine zuverlässigen statistischen Angaben zu der Anzahl der in Berlin wohnhaft gemeldeten Zuwanderer vorliegen. Berlin, den 19. Januar 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Jan. 2017)