Drucksache 18 / 10 341 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 23. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Januar 2017) und Antwort Sachstand Erzieher als Mangelberuf Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aufgrund welcher Daten erwägt der Senat den Beruf des Erziehers zum Mangelberuf erklären? 4. Falls ein Mangel an Erziehern besteht, welche Ursachen legt diesem der Senat zugrunde? Zu 1. und 4.: Die damalige Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Wissenschaft hat im Sommer 2016 dem Hauptausschuss im Rahmen der Kindertagesstättenentwicklungsplanung (KEP) eine Prognose zum Fachkräftebedarf für den Bereich Kindertagesbetreuung und Ganztag /Ergänzende Förderung und Betreuung (EFöB) vorgelegt . Danach erhöht sich der Bedarf an Kita-Plätzen in Folge der gestiegenen Bevölkerungsprognose, der Zahl der Geflüchteten sowie der beschlossenen Qualitätsverbesserung . Für diese werden zusätzliche Fachkräfte benötigt . Trotz der teilweisen Bedarfsdeckung durch künftige Absolventen der Ausbildung und verschiedener bereits wirksamer Maßnahmen, ist für das aktuelle Kita-Jahr 2016/2017 in der Spitze ein Mehrbedarf von 1.300 Fachkräften (Vollzeitäquivalente = VZÄ) prognostiziert. Für die Initiative „Mangelberuf Erzieherin/Erzieher“ wird die für Jugend zuständige Senatsverwaltung einen entsprechenden Beschlussvorschlag zur nächsten Sitzung der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) am 18./19.05.2017 vorlegen. Inzwischen haben auch andere Bundesländer Interesse und Unterstützung für diese Initiative zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der frühkindlichen Bildung bekundet. 2. Liegen dem Senat Zahlen bezüglich besetzten und unbesetzten Erzieherstellen von privaten Betreibern von Kindertagesstätten vor und wenn ja, besteht dort ein Mangel an Erziehern? Zu 2.: Im Rahmen der Stichtagsmeldung wird von der Kita-Aufsicht 1x jährlich das Personal-Ist ermittelt. Daneben finden anlassbezogene Prüfungen statt. 3. Liegen dem Senat aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für arbeitslose Erzieherinnen und Erzieher in Berlin einerseits und für die offenen Stellen für Erzieherinnen und Erzieher in Berlin andererseits vor? 8. Liegen dem Senat Daten zur Situation des Erzieherberufs in anderen Bundesländern vor, und wenn ja, in welchem Bundesland soll der Beruf des Erziehers ebenfalls als Mangelberuf erklärt werden? Zu 3. und 8.: Kita-Träger in Berlin melden offene Stellen häufig nicht der Arbeitsagentur, da in der Vergangenheit kaum erfolgreiche Vermittlungen zu verzeichnen waren. Die Träger kritisieren vor allem, dass die Bewerberinnen und Bewerber von der Arbeitsagentur nicht passgenau ausgewählt werden und/oder nicht die notwendige Eignung mitbringen. Zahlen der Bundesagentur zu unbesetzten Stellen spiegeln daher nicht den realen Bedarf an Fachkräften wieder. Als Teil der Initiative „Mangelberuf Erzieherin/Erzieher“ soll diese unbefriedigende Situation verändert werden. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik /Arbeitsmarktberichterstattung (Oktober 2016): „Blickpunkt Arbeitsmarkt: Fachkräfte in der Kinderbetreuung und -erziehung“ sind unter http://statistik.arbeitsagentur.de einsehbar. 5. Wie korrelieren Absolventenzahlen mit dem Bedarf an Erziehern? 7. Könnte eine Ursache für das geringe Interesse, den Beruf des Erziehers in Berlin auszuüben, die vergleichsweise schlechte Bezahlung der Tätigkeit sein? Zu 5. und 7.: Die Absolventen der Fachschulen für Sozialpädagogik tragen maßgeblich zur Deckung des Bedarfs bei und wurden in die Fachkräfteprognosen eingerechnet ; zur Schließung der Bedarfslücke allein reichen sie jedoch nicht aus. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 341 2 Angesichts der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Ausbildungs- und Absolventenzahlen (Verdoppelung der Kapazitäten seit 2010) und des Anstiegs der beschäftigten Fachkräfte in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung kann nicht von einem geringen Interesse für diesen Beruf gesprochen werden. Zahl der Studierenden 2009/ 2010 2010/ 2011 2011/ 2012 2012/ 2013 2013/ 2014 2014/ 2015 2015/ 2016 2016/ 2017 Vollzeit öffentl. Schulen 2.405 2.520 2.685 2.738 2.733 2.932 2.852 2.645 private Schulen 1.189 1.360 1.643 1.849 2.058 2.304 2.488 2.785 Teilzeit öffentl. Schulen 57 161 362 484 594 722 844 876 private Schulen 432 724 1.305 1.832 2.207 2.387 2.405 2.609 Zahl der Studierenden insgesamt 4.083 4.765 5.995 6.903 7.592 8.345 8.589 8.915 Der Senat wird im Rahmen der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) daran mitwirken, dass die Auseinanderentwicklung der Tarifverträge für Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Erzieherinnen/Erzieher in den beiden öffentlichen Tarifsystemen Kommunaler Arbeitgeberverband (KAV) und TdL zurückgeführt wird. 6. Welcher zusätzliche Erzieherbedarf ist durch die Absenkung des Betreuungsschlüssels entstanden? Zu 6.: Die Qualitätsverbesserung in der Fachkräfte- Kind-Relation erfordert im Kita-Jahr 2016/2017 in der Spitze einen zusätzlichen Personalmehrbedarf von rund 800 VZÄ. 9. Unter der Voraussetzung, dass die Annahme stimmt, dass Fachkräfte im Erzieherberuf fehlen, was hält der Senat von der Wiedereinführung von Altersteilzeitmodellen für Erzieherinnen und Erzieher? 10. Welche weiteren konkreten Maßnahmen ergreift der Senat, um dem beschriebenen Mangel im Erzieherberuf zu beheben. Zu 9. und 10.: Der Senat hat in der Vergangenheit bereits verschiedene Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung erfolgreich auf den Weg gebracht. Die Steigerung der Ausbildungskapazitäten bleibt bedarfsorientiert im Fokus. Sowohl die laufenden wie die weiteren Maßnahmen beziehen sich vordringlich auf die Gewinnung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern. So wurde im Sommer 2016 das Antrags- und Genehmigungsverfahren für die Quereinsteigerinnen/Quereinsteiger bei der Kita-Aufsicht weiter vereinfacht. Das Beratungsangebot für Quereinsteigerinnen/Quereinsteiger aus verwandten Berufsgruppen und Muttersprachlerinnen /Muttersprachlern wurde von einem Termin wöchentlich um drei weitere Terminangebote erweitert und um ein Informationsangebot für Träger von Kindertageseinrichtungen über das neue Quereinstiegsverfahren ergänzt. Inwieweit weitere Berufsgruppen für den Quereinstieg geeignet sind, wird geprüft. Um den Lernort Praxis in seiner Aufgabe der Anleitung während der berufsbegleitenden Ausbildung zu stärken und zu unterstützen und die Bereitschaft, Praxisplätze zur Verfügung zu stellen, zu erhöhen, wurden im Haushalt für 2016/2017 erstmalig Mittel für „Zeit für Anleitung “ bereitgestellt. Kindertageseinrichtungen können seit Beginn des Kita-Jahres 2016/2017 für jede Beschäftigte /jeden Beschäftigten in berufsbegleitender Ausbildung Mittel im Umfang von 2 Stunden wöchentlich zur Kompensation der Anleitungszeit für das erste Ausbildungsjahr erhalten. Perspektivisch soll die „Zeit für Anleitung“ auf alle drei Ausbildungsjahre erweitert werden. Derzeit wird zudem geprüft, inwieweit die Praxis bei der Umsetzung der Anleitungsstunden noch besser unterstützt werden kann. Hiermit wird die Motivation der Kitas zur Beschäftigung von Menschen in berufsbegleitender Teilzeitausbildung erhöht. Der weitere Ausbau des Quereinstiegs setzt die Bereitschaft der Träger voraus, die mögliche Quote des Quereinstiegs von 25 % stärker auszuschöpfen und dies auch offensiv zu bewerben. Es wurde daher im Dezember 2016 eine Stellenbörse für die Vermittlung bzw. Ausschreibung von freien Quereinstiegsplätzen eingerichtet und beworben . Zu finden ist diese auf der Webseite „Erzieher_in werden in Berlin“. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 341 3 Das Anerkennungsverfahren von Menschen mit ausländischen sozialpädagogischen Ausbildungen und Abschlüssen soll transparenter dargestellt und gestaltet werden . Dabei werden Anpassungsqualifizierungen und/oder Ausbildungswege sowie Beschäftigungsmöglichkeiten während des laufenden Verfahrens aufgezeigt. Um weitere Fachkräfte zu gewinnen, werden verschiedene mögliche Werbemaßnahmen geprüft und eingeleitet . Dazu gehören die Werbung an Allgemeinbildenden Schulen sowie die Teilnahme an Bildungsmessen. Weiter ist beabsichtigt einen „Berlin-Tag“ durchzuführen, mit dem Ziel potenzielle Quereinsteigende und Fachkräfte Berlin- und bundesweit durch eine direkte Ansprache zu gewinnen. Berlin, den 09. Februar 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Feb. 2017)