Drucksache 18 / 10 342 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 24. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Januar 2017) und Antwort Situation der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge (UMF) in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kamen im Jahr 2016 nach Berlin? Zu 1.: Im Jahr 2016 wurden 1.381 Erstmeldungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) gezählt . 2. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in Berlin gemeldet (sortiert nach Alter, Herkunft, Meldebezirk)? 10. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen derzeit unter Obhut welcher bezirklichen Jugendämter ? Zu 2. und 10.: Am 31.01.2017 waren 2.123 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Berlin gemeldet, davon 1.504 in den Bezirken und 619 in Obhut des Landesjugendamtes /der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBildJugFam). Tabelle 1: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut der Bezirke: (Quelle: Tagesmeldung der Bezirke/Darstellung: SenBild- JugFam, III G) Bezirk Anzahl Mitte 82 Friedrichshain-Kreuzberg 85 Pankow 213 Charlottenburg-Wilmersdorf 202 Spandau 112 Steglitz-Zehlendorf 103 Tempelhof-Schöneberg 158 Neukölln 130 Treptow-Köpenick 132 Marzahn-Hellersdorf 118 Lichtenberg 130 Reinickendorf 39 Berlin 1.504 Eine Differenzierung nach Alter und Herkunft ist nicht möglich, da es keinen diesbezüglichen zentralen Abgleich mit dem Meldedatenregister gibt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 342 2 3. Wie viele und welche Art von Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt es aktuell in Berlin und wie viele Plätze sind aktuell belegt (aufgeteilt nach Clearing und allgemeinen stationären Hilfen der Jugendhilfe und Bezirken)? Zu 3.: In der Zuständigkeit des Landesjugendamtes /der SenBildJugFam werden im Rahmen der Inobhutnahme am 31.01.2017 881 Plätze angeboten, davon 213 Clearingplätze. Von den insgesamt 881 Plätzen sind zum Stichtag 619 belegt. Mit Übergang der Jugendlichen in die Zuständigkeit der Bezirke werden sie in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht, die dem jeweiligen individuellen Bedarf entsprechen. 4. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind derzeit bei Pflegefamilien oder bei Angehörigen in Privathaushalten untergebracht? Zu 4.: Am 31.01.2017 waren in zehn von zwölf Bezirken 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Pflegefamilien untergebracht. Aus zwei Bezirken lagen keine Angaben vor. Tabelle 2: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Pflegefamilien. (Quelle: Abfrage der Bezirke) Bezirk Anzahl Mitte k.A. Friedrichshain-Kreuzberg 4 Pankow 6 Charlottenburg-Wilmersdorf 4 Spandau 5 Steglitz-Zehlendorf 7 Tempelhof-Schöneberg 5 Neukölln 1 Treptow-Köpenick 2 Marzahn-Hellersdorf 2 Lichtenberg k.A. Reinickendorf 4 Berlin 40 5. Welche weiteren Möglichkeiten bestehen zur Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Berlin und wie viele von ihnen werden dort betreut? 6. Wie bewertet der Senat die aktuelle Betreuungssituation für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und welche Maßnahmen plant er zur Verbesserung? Zu 5. und 6.: Im System der Hilfen zur Erziehung (HzE) bzw. der Jugendhilfe in den Bezirken des Landes Berlin gibt es keine speziell für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgewiesenen Einrichtungen. Zur Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen stehen somit alle in § 27 des Sozialgesetzbuchs - Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) benannten Möglichkeiten der Betreuung und Unterbringung zur Verfügung. Die konkrete Hilfeart richtet sich nach dem erzieherischen Bedarf und wird in der Regel als Heimerziehung bzw. sonstige betreute Wohnform (§ 34 SGB VIII) gewährt. Für unbegleitete Minderjährige in der Berufsausbildung kommen auch Angebote der Jugendsozialarbeit nach § 13 Abs. 3 SGB VIII in Frage. Die für Jugend zuständige Senatsverwaltung steht angesichts der hohen Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im laufenden fachlichen Austausch mit den Jugendämtern bezogen auf die Fragen der Unterbringung, insb. bezogen auf den bedarfsnotwendigen Ausbau des Platzangebotes. Gleiches gilt für die Träger und Verbände . 2016 wurden bereits 584 zusätzliche HzE-Plätze angeboten ; weitere 254 Plätze sind bereits in Planung. 7. Wie lange dauert es aktuell in der Regel von der Ankunft eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings bis zur Einleitung des Clearingverfahrens? Zu 7.: Seit 01.01.2017 werden unbegleitete minderjährige Flüchtling direkt nach dem Vorclearing in eine Clearingeinrichtung oder in eine temporäre Einrichtung mit ambulantem Clearing aufgenommen. Das Vorclearing beginnt nach der Inaugenscheinnahme durch das Landesjugendamt am Tag nach der Ankunft, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen. 8. Wie lange dauert in der Regel ein Clearingverfahren ? Zu 8.: In einer Clearingeinrichtung ist die Verweildauer gemäß den Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Jugendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer (AV-JAMA) auf längstens drei Monate begrenzt. Die einzelnen Clearingschritte können aber schon früher abgeschlossen sein. Das ambulante Clearing ist auf 6 Wochen ausgelegt und kann bei Bedarf verlängert werden. 9. Wie bewertet der Senat das Clearingverfahren und welche weiteren Maßnahmen plant der Senat evtl. zur Verbesserung des Clearingverfahrens? Zu 9.: Das Clearingverfahren ist ein Standardverfahren , es umfasst vertraglich festgelegte Schritte und endet mit einer sozialpädagogischen Einschätzung zu Einleitung eines Hilfeplanverfahrens. Es wird angestrebt, ab März 2017 alle neu ankommenden UMF in regulären Clearingeinrichtungen unterbringen zu können. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 342 3 11. Für wie viele junge unbegleitete Flüchtlinge wurden im Jahr 2016 die Jugendhilfemaßnahmen über das 18. Lebensjahr hinaus verlängert, bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken? Zu 11.: Zum 31.01.2017 wurden von den Bezirken 540 volljährige unbegleitete Flüchtlinge gemeldet, die Leistungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (HzE) erhalten. Da es sich um eine regelmäßige Stichtagserhebung handelt, ist die Angabe von Zu- und Abgängen für einen bestimmten Zeitraum nicht möglich. Tabelle 3: Unbegleitete Flüchtlinge, die als junge Volljährige Hilfen zur Erziehung (HzE) erhalten. (Quelle: Tagesmeldung der Bezirke) Bezirk Anzahl Mitte 73 Friedrichshain-Kreuzberg 65 Pankow 8 Charlottenburg-Wilmersdorf 20 Spandau 62 Steglitz-Zehlendorf 37 Tempelhof-Schöneberg 45 Neukölln 49 Treptow-Köpenick 45 Marzahn-Hellersdorf 51 Lichtenberg 29 Reinickendorf 56 Berlin 540 12. Wie viele Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden in 2015 und 2016 übernommen bzw. Vormundschaftsverfahren erfolgreich abgeschlossen ? Zu 12.: Für 2015 unbegleitet eingereiste Jugendliche wurden vom Landesjugendamtes/der SenBildJugFam 2.013 Vormundschaften durch die für UMF zuständige Amtsvormundschaft des Bezirksamtes Steglitz- Zehlendorf beim Familiengericht angeregt. Für 2016 unbegleitet eingereiste Jugendliche belief sich die Zahl auf 689. Eine zentrale Erfassung aller Vormundschaften und deren Beendigung erfolgt nicht. 13. Wie viele Stellen stehen den Fachdiensten in den Jugendämtern jeweils für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zusätzlich zur Verfügung aufgeschlüsselt nach Bezirken? Zu 13.: Auf Grund des starken Anstiegs der Zugangszahlen unbegleiteter Minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer (UMA) im Jahr 2015 wurde den 12 Berliner Jugendämtern ein Stellenaufwuchs im Umfang von 24,0 Vollzeitstellenäquivalenten (VZÄ) ermöglicht. 14. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befinden sich in einer Schulausbildung (bitte nach Schularten aufgeschlüsselt)? Zu 14.: In einer Stichtagsabfrage zum 31.01.2017 besuchen 78 % der vom Landesjugendamt/der von der Sen- BildJugFam betreuten minderjährigen Flüchtlinge eine Schule bzw. Willkommensklasse. 4 % besuchen eine Grundschule, 53 % die Oberstufe, 43 % Oberstufenzentren bzw. Berufsschulen. Eine Schulanmeldung der UMF erfolgt erst nach Durchlaufen des Vorclearings und im Rahmen des Clearingprozesses, sobald ein geeigneter Schulplatz gefunden wurde. Für die von den Bezirken betreuten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge liegen keine Angaben zum Schulbesuch. 15. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befinden sich in einer Berufsausbildung? 16. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befinden sich in Maßnahmen zur Berufsvorbereitung (sortiert nach Anzahl und Maßnahme)? Zu 15. und 16.: Weder im Bildungsbereich noch in der beruflichen Bildung werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als eigene Zielgruppe erfasst. Insgesamt befinden sich von den Schülerinnen und Schülern über 16 Jahren: - 2.847 in 221 Willkommensklassen mit 264 Vollzeiteinheiten der Lehrkräfte und - 603 in 43 Klassen der Berufsvorbereitung. 17. Wie bewertet der Senat die bisher zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Berufsvorbereitung für unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge und welche Verbesserungen plant er? Zu 17.: Die für die über 600 Schülerinnen und Schüler bereitgehaltenen Maßnahmen sind zielgerichtet auf eine spätere Berufsausbildung ausgerichtet, selbstverständlich auch für die in den Klassen unterrichteten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge; ihre Anzahl wird jedoch nicht erfasst. Die in der Berufsvorbereitung befindlichen Schülerinnen und Schüler werden nach der regulären Stundentafel der Berufsqualifizierenden Lehrgänge (BQL) unterrichtet, um den Abschluss Berufsbildungsreife (BBR) und erweiterte Berufsbildungsreife (eBBR) zu erreichen, mit dem sie anschließend u.a. die Berufsfachschule besuchen können . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 342 4 Integriert ist der Spracherwerb und ab 2. Schulhalbjahr auch ein begleitetes Praktikum an 24 Schulstandorten . 18. Welche Maßnahmen plant der Senat um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge verstärkt bis zum Abschluss einer Ausbildung in der Jugendhilfe zu belassen? Zu 18.: Der Senat unterstützt Projekte zur beruflichen Orientierung und plant weitere Maßnahmen, damit unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erfolgreich ihre Ausbildung abschließen können. Bei jedem Jugendlichen wird der individuelle Hilfebedarf geprüft und auch Maßnahmen über den § 13 SGB VIII (Jugendberufshilfe) als unterstützende Maßnahme zur Verfügung gestellt. 19. Wie wird der regelmäßige Austausch zwischen Senat, Jugendämtern, Trägern, Schulen und anderen Akteuren organisiert? Zu 19.: Zur Integration der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erfolgt eine enge Abstimmung zwischen den Senatsstellen und insbesondere zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und den bezirklichen Jugendämtern mit einer Vielzahl von gemeinsamen Arbeitsgruppen und -gremien. Berlin, den 09. Februar 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Feb. 2017)