Drucksache 18 / 10 345 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 25. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Januar 2017) und Antwort Neuvergabe der Werberechte und Betrieb öffentlicher Toiletten in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Den Medien sind Aussagen des Senats zu entnehmen, dass die Neuausschreibung der Werberechte des Landes durch den Senat mit Zustimmung des Berliner Abgeordnetenhauses erfolgt und durch das Parlament gebilligt sei – wann und in welcher Form erfolgte die Befassung des Abgeordnetenhauses durch den Senat, vor allem mit welchem Votum des Abgeordnetenhauses? Frage 2: In welcher Form und in welchem Umfang beabsichtigt der Senat das Berliner Abgeordnetenhaus bei der Neuausschreibung der Werberechte und der Neukonzeption des Betriebes und der Finanzierung der öffentlichen Toiletten im weiteren Verfahren zu beteiligen? Antwort zu 1 und 2: Bei der Ausschreibung der Sondernutzung der öffentlichen Straßen im Land Berlin für die Errichtung und den Betrieb von Werbeanlagen handelt es sich um eine originäre Angelegenheit der Verwaltung. Insoweit wurde auch von keiner der bisher im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenen Fraktionen eine förmliche Befassung des Abgeordnetenhauses gewünscht. Der Senat hat jedoch bisher regelmäßig die Koalitionsfraktionen des Abgeordnetenhauses über den Stand der Vorbereitung der Ausschreibung informiert. Eine Beteiligung des Abgeordnetenhauses in Bezug auf die Werberechte und die öffentlichen Toiletten erfolgt im Rahmen der Befassung mit dem Haushaltsplan 2018/2919. Frage 3: Den Medien ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Beendigung insbesondere des werbefinanzierten Betriebs der öffentlichen Toiletten auch auf eine Intervention des Berliner Rechnungshofes beruhen würde. Liegt dem Senat eine Stellungnahme des Berliner Rechnungshofes vor und wenn ja, mit welcher Begründung und welchem Petitum? Antwort zu 3: Der Rechnungshof von Berlin hatte in den Jahren 2007 und 2008 die bezirklichen Koppelungsverträge über Werbung und den Betrieb von Zierbrunnen geprüft und beanstandet. In seiner abschließenden Stellungnahme vom 24.07.2008 hat er ausgeführt, dass die Verträge keinen hinreichenden Sachzusammenhang nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zwischen der vom Bezirk erteilten Sondernutzungserlaubnis für die Werbung einerseits und der im Gegenzug von dem Werbeunternehmen zu erbringenden Sach- bzw. Dienstleistung andererseits aufwiesen und insoweit ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot gegeben sei. Zudem sei ein Absehen von den Gebühren der Sondernutzungsgebührenverordnung (SNGebV) nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SNGebV, wonach die Verordnung nicht für in allen Bezirken einheitlich auszuübende Sondernutzungen gelte, die in öffentlich-rechtlichen Verträgen zugelassen werden, den einzelnen Bezirken nicht möglich. Frage 4: In welcher Form und in welchem Umfang erfolgte bezüglich der Neuausschreibung der Werberechte und der Neukonzeption des Betriebes und der Finanzierung der öffentlichen Toiletten eine Abstimmung mit den Bezirken? Frage 5: Welche Stellungnahmen haben die einzelnen Berliner Bezirke zum Vorhaben des Senats abgegeben? Haben die Berliner Bezirke dem Vorgehen ausdrücklich zugestimmt? Antwort zu 4 und 5: Es erfolgen und erfolgten laufend Abstimmungen mit den Bezirken auf allen Ebenen. Bereits Mitte 2014 wurden erste Gespräche mit den zuständigen Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten sowie Amtsleiterinnen und Amtsleitern im Hinblick auf die Werberechtsverträge in Berlin geführt. Hier gab es eine breite Zustimmung der Bezirksämter zu dem laufenden Prozess. Im März 2015 fand dann mit den Bezirken eine gemeinsame Informations- und Diskussionsveranstaltung Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 345 2 zur Neuordnung der Werberechte im öffentlichen Straßenland statt. Daraufhin wurden auf Hauptverwaltungsebene und in allen zwölf Bezirken die Verträge mit allen Werbeunternehmen gekündigt. Im Dezember 2015 wurden die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister ausführlich über den Sach- und Verfahrensstand informiert. Im Frühjahr 2016 gab es weitere vertiefende Gespräche und Abfragen zu den einzelnen Werbeträgerund Toilettenstandorten und Ende 2016 wurden die Bezirke über den Beginn des Ausschreibungsverfahrens und die Ergebnisse der Abfrage zu den Werbeträgerstandorten informiert. Darüber hinaus war die Thematik wiederholt auf der Tagesordnung der Bezirksstadträte- und Amtsleitersitzungen sowie des Rats der Bürgermeister. Frage 6: In welcher Form und in welchem Umfang beabsichtigt der Senat die Bezirke bei der Neuausschreibung der Werberechte und der Neukonzeption des Betriebes und der Finanzierung der öffentlichen Toiletten im weiteren Verfahren zu beteiligen? Antwort zu 6: Der Senat beabsichtigt, die bereits aus der Antwort zu 4. und 5. ersichtliche laufende Abstimmung mit den Bezirken weiter fortzusetzen. Zu der Neukonzeption des Betriebes und der Finanzierung der öffentlichen Toiletten wird es in Kürze weitere Gespräche mit den Bezirken geben. Frage 7: Wie will der Senat sicherstellen, dass der Betrieb der öffentlichen Toiletten zum 1. Januar 2019 in gleichem Umfang wie heute sichergestellt ist? Antwort zu 7: Der Senat hat sich dazu entschlossen, das Thema öffentliche Toiletten eigenständig als wichtigen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge konzeptionell aufzuarbeiten. Der Senat lässt derzeit ein Toilettenkonzept für Berlin erarbeiten, das u. a. die Bewertung der City-Toiletten und insbesondere deren einzelne Standorte unter Berücksichtigung der Bedürfnisse unterschiedlicher sozialer Interessengruppen wie Touristinnen und Touristen oder behinderter Menschen zum Gegenstand hat. Im Rahmen dieses Konzepts ist auch zu klären, mit welchen ggf. weiteren funktionalen Merkmalen die öffentlichen Toiletten auch im Hinblick auf diese Nutzergruppen ausgestattet sein sollen. Eine Aussage zum vorhandenen und benötigten Angebot an öffentlichen Toiletten mit entsprechender Bewertung sowie eine Entscheidung über den Erhalt der vorhandenen Toilettenstandorte, die Errichtung neuer Toiletten und den Betrieb lassen sich somit erst nach Vorlage des Konzepts Mitte 2017 treffen. Der Senat beabsichtigt, mit der Umsetzung des Toilettenkonzepts noch in diesem Jahr zu beginnen, so dass nach den entsprechenden Vorbereitungen eine anschließende Realisierung rechtzeitig zum Ende der laufenden Verträge möglich sein wird. Frage 8: Wie will der Senat sicherstellen, dass die heutige vorbildliche, mehrfach ausgezeichnete und als Referenz für andere Metropolen geltende barrierefreie Toiletteninfrastruktur dauerhaft qualitativ und quantitativ erhalten bleibt und weiter ausgebaut wird? Antwort zu 8: Das Toilettenkonzept für Berlin soll zukunftsweisend die Versorgung über die nächsten Jahrzehnte sicherstellen. Dabei soll die künftige Versorgung mit öffentlichen Toiletten nicht hinter den heute erreichten Standard zurückzugehen. Bei der Erarbeitung des Toilettenkonzeptes in den nächsten Monaten geht es neben der Sicherstellung der Versorgung im Wesentlichen auch um eine den heutigen Ansprüchen entsprechende Qualität. Daher wurden Schwerpunkte – Wirtschaftlichkeit , Gestalterische Qualität, Sicherheit, Inklusion, Hygiene , Umweltfreundlichkeit – gesetzt, die zu einem ganzheitlichen und nachhaltigen Konzept führen werden. Frage 9: Wie beabsichtigt der Senat zukünftig den Betrieb der öffentlichen Toiletten zu finanzieren, mit welchen Aufwendungen ist zu rechnen und aus welchem Haushaltstitel soll die Finanzierung des Betriebes erfolgen ? Antwort zu 9: Das Toilettenkonzept wird auch die Untersuchung zum Gegenstand haben, welche Möglichkeiten der Finanzierung von Errichtung und Betrieb der Toiletten bestehen und eine Prognose der zu erwartenden Unterhalts - und Reinigungskosten für die Toiletten treffen. Auch wenn die Ausschreibung der Werberechte im öffentlichen Straßenland aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen unter weitestgehender Entkopplung von Sach- und Dienstleistungen erfolgt, sollen die erzielten Einnahmen aus den Werberechtsverträgen der Deckung der erforderlichen Ausgaben für die Stadtmöbel und damit auch der öffentlichen Toiletten dienen. Die entsprechenden Haushaltstitel werden im Haushaltsplan für die Jahre 2018/2019 im Einzelnen dargestellt. Frage 10: Inwieweit ist sichergestellt, dass das Haushaltsrecht des Berliner Abgeordnetenhauses gewahrt bleibt bei zu erwartenden Aufwendungen in zweistelliger Millionenhöhe pro Jahr für den Betrieb der öffentlichen Toiletten? Antwort zu 10: Während nach den bisherigen Koppelungsverträgen die Einnahmen aus der Werbung mit den Ausgaben für die Toiletten außerhalb des Haushalts in Ausgleich gebracht werden, werden diese Positionen künftig unter Beachtung der Prinzipien der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit durch getrennte Einnahmeund Ausgabetitel im Haushaltsplan 2018/2019 nach über 25 Jahren erstmalig der Kontrolle des Abgeordnetenhauses von Berlin unterworfen. Auch wenn die tatsächlich zu erwartenden Aufwendungen erst mit dem Toilettenkonzept Mitte dieses Jahres feststehen, wird gegenwärtig für den Betrieb der öffentlichen Toiletten nicht mit einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr gerechnet. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 345 3 Frage 11: Ist dem Senat bekannt, dass eine Vielzahl bundesdeutscher Städte ihre öffentlichen Toiletten ganz oder zumindest in weiten Teilen werbefinanziert durch Stadtmöblierungsunternehmen betreiben lassen und erst jüngst auch entsprechende Neuvergaben durchgeführt wurden (bspw. in Hannover, Karlsruhe und Aachen) und wie beurteilt der Senat diese Praxis im Kontext des eigenen Vorgehens? Wie bewertet der Senat die Citytoiletten als Angebot für Touristen, aber auch für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen? Antwort zu 11: Dem Senat ist bekannt, dass die genannten Städte die Vergabe der Werberechte bzw. eines Teils der Werberechte an den Betrieb von Toilettenanlagen koppeln. In Hannover stehen die betroffenen ca. 50 Toilettenanlagen unterschiedlichster Bauarten jedoch vollständig in kommunalem Eigentum. In Karlsruhe und Aachen sind Aufbau und Betrieb von kleineren Mengen vollautomatischer WC-Anlagen betroffen (21 bzw. 6). Der Senat orientiert sich bei einem Bestand von über 250 öffentlichen Toilettenanlagen in Berlin jedoch eher an Städten, die mehr als eine Million Einwohnerinnen und Einwohner haben. Hamburg, München und Köln, aber auch viele kleinere deutsche Städte verzichten darauf, Toilettenanlagen über Außenwerbung zu finanzieren. Die Gründe dafür sind vielschichtig, Hauptgrund ist jedoch regelmäßig die Intransparenz von Koppelungsverträgen, aber auch die Problematik, die sich regelmäßig nach Ablauf der meist langjährigen, an die Außenwerbung gekoppelten Verträge für den Bestand, den Betrieb und ggf. die Neuerrichtung der Toilettenanlagen stellt. Der Senat hat sich auch angesichts der Erfahrungen in diesen Städten für eine Vorgehensweise entschieden, die dem Land Berlin größtmögliche Handlungsspielräume eröffnet, in Anbetracht der bestehenden komplexen Vertrags - und Rechtslage ein rechtssicheres Verfahren ermöglicht , ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet und die Entwicklungen des Außenwerbemarkts berücksichtigt . Zur Bewertung der City-Toiletten wird im Übrigen auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/10276 verwiesen. Berlin, den 13. Februar 2017 In Vertretung J e n s – H o l g e r K i r c h n e r ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Feb. 2017)