Drucksache 18 / 10 359 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Karsten Woldeit (AfD) vom 23. Januar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Januar 2017) und Antwort Gewalt gegen Polizisten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Laut Berliner Morgenpost vom 22. Januar 2017 wurden von Unbekannten in Berlin-Mitte 5 Polizeiautos mit Steinen angegriffen. Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, bezeichnete diese Straftat als Tötungsversuch, welcher nicht kleinzureden sei. Wie gedenkt der Senat in Zukunft die Polizisten vor solchen Angriffen zu schützen? Zu 1.: Im Jahr 2016 wurden Alltagstauglichkeitstests mit Sicherheitsscheibenfolien für Einsatzfahrzeuge der Polizei Berlin durchgeführt. Aktuell werden zwei Lösungen zum Insassenschutz eingesetzt. Alle seit November 2016 neu beschafften Einsatzwagen (inklusive Einsatzwagen für den Objektschutz) werden mit einer erprobten Sicherheitsfolie an den Seitenscheiben beklebt. Die Folien mindern die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen durch Splitter als Folge von Glasbruch und sind durchwurfhemmend . Parallel werden bei 10 Fahrzeugen der Direktion 5 Polycarbonatscheiben (Kunststoffscheiben) in der Praxis erprobt. Sollten trotz der Sicherheitsscheibenfolien Fremdkörper (wie beispielsweise Steine) von außen in ein Einsatzfahrzeug eindringen, kann die persönlich zur Verfügung gestellte Schutzausstattung (z. B. ballistische Schutzweste ) Verletzungen abhalten. Die Berliner Polizei erfasst regelmäßig die Angriffe auf die Einsatzfahrzeuge und wird auf Basis der gewonnenen Daten über weitere Nachrüstungen entscheiden. 2. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2015 wurden 7.060 Polizisten angegriffen. Dies waren 520 mehr als im Vorjahr. Wie viele Angriffe auf Polizisten gab es im Jahr 2016? Zu 2.: Im Jahr 2016 wurden gemäß der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 6.354 Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte während der Ausübung ihres Dienstes Opfer einer Straftat gegen die Freiheit oder körperliche Unversehrtheit. 3. Offensichtlich ist hier von einer steigenden Aggressivität gegenüber der Polizei auszugehen. Welche direkten Gegenmaßnahmen empfiehlt der Senat? Zu 3.: Die Polizei Berlin hat im Jahr 2016 eine zentrale Ansprechstelle „Gewalt gegen Polizeidienstkräfte“ im Polizeipräsidium Stab eingerichtet. Dort werden alle themenbezogenen Informationen gebündelt und einheitlich erfasst. Dies ermöglicht es, Entwicklungen und Handlungsbedarfe in Bezug auf das Phänomen „Gewalt gegen Polizeidienstkräfte“ zeitgerecht zu erkennen, auf einer validen Informationsbasis strategische und/oder taktische Entscheidungen zu treffen und diese sowohl nach innen, als auch nach außen zu vermitteln. Zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten spielen die Ausrüstung sowie das polizeiliche Einsatztraining eine maßgebliche Rolle. Die Anpassung von Führungs- und Einsatzmitteln und taktischen Trainings ist ein fortwährender Prozess. Im Rahmen des Einsatztrainings werden beispielsweise verschiedene Deeskalationsstrategien, welche sich z. B. auf den Umgang mit aggressiven und / oder psychisch erkrankten Personen beziehen, gelehrt. In Bezug auf Führungs- und Einsatzmittel hat die Polizei Berlin auf die Entwicklungen reagiert und sukzessive die Ausstattung mit ballistischen Schutzwesten, veränderten Reizstoffsprühgeräten, Mehrzweckeinsatzstöcken sowie Funkwagen mit Videoüberwachung und Splitterschutzfolie vorgenommen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 359 2 Aktuell werden neue Schusswaffen sowie Zubehör für die ballistischen Schutzwesten, welches die Möglichkeit der Aufrüstung zur Erhöhung der Schutzklasse bietet, beschafft. Weiterhin werden seit dem 6. Februar 2017 Distanz- Elektroimpulsgeräte („Taser“) bei der Polizei Berlin auf zwei Polizeiabschnitten über einen Zeitraum von drei Jahren erprobt. Der Einsatz von Body-Cams wird aktuell geprüft. Der Senat wird darüber hinaus die Polizei systematisch (personell) stärken und darauf hinwirken, ihre Vernetzung mit präventiv arbeitenden gesellschaftlichen Akteuren sowie ihre Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung zu verbessern. 4. Des Weiteren wird seitens der GdP berechtigterweise beklagt, dass ein Flaschenwurf auf einen Polizisten, im Rahmen einer Demonstration, als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Welche Maßnahmen plant der Senat, um der hier in Berlin seit Jahren zunehmenden Gewalt gegen Polizisten entschieden entgegenzutreten? Zu 4.: Der Senat unterstreicht, dass Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten entschlossen entgegenzutreten ist. Hierzu gehört neben der Prävention auch ein konsequentes Vorgehen gegen Straftäterinnen und Straftäter. Soweit die Ahndungsmöglichkeit eines Flaschenwurfes auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte angesprochen wird, sei darauf hingewiesen, dass eine solche Tat auch nach § 113 Strafgesetzbuch (StGB) (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte), §§ 223, 224 StGB (Körperverletzung und Gefährliche Körperverletzung), §§ 125, 125a StGB (Landfriedensbruch und Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs) oder §§ 211, 212 StGB (Mord und Totschlag) strafbar sein kann. Die Ahndungsmöglichkeit und Strafbarkeit richtet sich nach dem spezifischen Tathergang im Einzelfall und der individuellen Schuld der Täterin oder des Täters. Im Rahmen der grundgesetzlich verankerten Gewaltenteilung , die zu den Prinzipien unserer Demokratie gehört, obliegt die Rechtsprechung der Judikative. Der Senat nimmt daher aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Bewertung von gerichtlichen Entscheidungen vor, die stets eine richterliche Würdigung eines konkreten Einzelfalles darstellen. Ebenso werden keine allgemeinen Aussagen zu nicht näher benannten Verfahren nach anderen Verfahrensvorschriften getroffen. 5. Die Gewerkschaft der Polizei fordert die Einführung des Paragrafen 115 StGB. Dieser würde sogenannte Ordnungswidrigkeiten, wie Flaschenwürfe auf Polizisten, zu einer Straftat deklarieren. Gedenkt der Senat diese Forderung zu unterstützen, bzw. umzusetzen? Zu 5.: Der Senat begrüßt Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuchs, wenn diese geeignet sind, den strafrechtlichen Schutz von Polizeidienstkräften, sonstigen Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Rettungskräften zu verbessern. Neben der Forderung der Gewerkschaft der Polizei sind dem Senat dazu auch zwei Gesetzesinitiativen der Länder Hessen und Saarland bekannt. Aktuell hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in die gleiche Richtung zielt (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften). Diesem Vorschlag hat das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 08.02.2017 zugestimmt. Der Senat wird im Rahmen der Bundesratsbefassung entscheiden, ob dieser Gesetzesvorschlag unterstützt wird. 6. Die vermehrten Straftaten gegenüber Polizisten sind auf Linksextremisten, wie die selbsternannte „Antifa“ zurückzuführen. Diese wurde in der Vergangenheit durch Gefälligkeitsurteile der Justiz in ihrem Handeln noch bestärkt. Welche Erlässe, bzw. Maßnahmen sind durch den Senat geplant, um unsere Polizei vor weiteren Gewaltexzessen zu schützen? Zu 6.: Die Staatsanwaltschaft kommt ihrem gesetzlichen Auftrag nach, Straftaten jedweder Art zu verfolgen und in den dafür geeigneten Fällen die öffentliche Klage zu erheben. Die Polizei ist bei der Erforschung und Aufklärung , ihrem gesetzlichen Auftrag der Strafprozessordnung entsprechend, an diesem Verfahren beteiligt. Die Gerichte sind gemäß Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) an Gesetz und Recht gebunden; Richterinnen und Richter sind gemäß Artikel 97 Absatz 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die Urteile unterliegen, einzelfallbezogen, der Überprüfung im jeweiligen Instanzenzug, nicht jedoch der Beurteilung durch die Exekutive. Die Gerichte erfüllen in Berlin ihre Aufgaben unabhängig und entscheiden ohne Ansehen der Person . Die grundsätzliche Aussage, dass die Justiz extremen Kräften gegenüber „Gefälligkeitsurteile“ spricht, entbehrt jeder nachvollziehbaren Grundlage. 7. Beschimpfungen der Polizei wie ACAB (all cops are bastards), Bullenschweine u.ä. zeugen von nachlassendem Respekt. Welche Maßnahmen wird der Senat ergreifen, bzw. planen, um den notwendigen Respekt gegenüber der Polizei wieder herzustellen? Zu 7.: Die Polizei Berlin hat sich im Sommer 2016 gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr und den Berliner Ordnungsämtern an einer Kampagne für mehr Respekt für diese Berufsgruppen beteiligt. Diese Kampagne hat ihre Grundlage in einem Konzept der Landeskommission Berlin gegen Gewalt aus dem Jahr 2014. Mit der Aussage „Respekt? Ja bitte!“ schilderten im Radio und Internet Mitarbeitende alltägliche Einsatzsituationen und vermittelten damit die Hilfsbereitschaft und Nähe zur Bevölkerung . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 359 3 Herausragende Ereignisse der täglichen Polizeiarbeit werden zur transparenten Darstellung von Einsatzmaßnahmen über die sozialen Medien Facebook und Twitter einsatzbegleitend kommuniziert. Die Resonanz der Bevölkerung , über aktuelle Geschehnisse direkt von der Polizei informiert zu werden, stellt sich als äußerst positiv heraus. Berlin, den 16. Februar 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Feb. 2017)