Drucksache 18 / 10 377 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 02. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Februar 2017) und Antwort Kritische Infrastruktur Trinkwasser: Ist die Notfallversorgung mit Trinkwasser trotz der sinkenden Zahl an Straßenbrunnen in Berlin gesichert? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Wie ist im Land Berlin die Zuständigkeit für die Aufstellung und Wartung von Straßenbrunnen (Notbrunnen ) sowie die Beprobung der Wasserqualität geregelt? Zu 1.: Die Straßenbrunnen im Land Berlin bestehen aus „Landesbrunnen“ als Einrichtungen des Katastrophenschutzes und aus „Bundesbrunnen“ als Einrichtungen des Zivilschutzes. Die Zuständigkeit für die Bundesbrunnen liegt bei der für Umwelt zuständigen Senatsverwaltung . Für die Reparatur bzw. Wartung der Landesbrunnen sind die bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter zuständig. Für die Ausführung von Reparatur- bzw. Wartungsarbeiten an den Bundesbrunnen sind ebenfalls die bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter zuständig, die die dafür erforderlichen Mittel über die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Wasserbehörde ) jährlich beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) anfordern sowie die Umsetzung aller erfolgten Arbeiten rückmelden. Die Errichtung von Bundesbrunnen wird durch das BBK in Zusammenarbeit mit der Wasserbehörde geplant und durchgeführt. Für die Beprobung zur Feststellung der Wasserqualität sind die bezirklichen Gesundheitsämter zuständig. Die Wasserqualität wird regelmäßig in mindestens fünfjährigem Abstand nach den Qualitätsstandards in der Trinkwassernotversorgung der Wassersicherstellungsgesetz- Ausführungsbestimmungen vom 14.04.2015 überprüft, ergänzt um Vinylchlorid und mikrobiologische Parameter. 2) Welchen Zwecken dienen die in Berlin vorhandenen Straßenbrunnen (Notbrunnen) vorrangig? Zu 2.: Sie dienen vorrangig der Sicherstellung einer Ersatz- bzw. Notwasserversorgung der Bevölkerung im Krisen- bzw. Katastrophenfall bei einem großflächigen Ausfall der netzgebundenen öffentlichen Wasserversorgung . 3) Wie viele Berliner Straßenbrunnen sind aktuell funktionsfähig und in Betrieb, wie viele waren es vor 20 bzw. vor 10 Jahren (bitte jeweils Gesamtzahl und Aufschlüsslung nach Bezirken angeben)? Zu 3.: Die von den Berliner Bezirken übermittelten Daten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst dargestellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 377 2 Bezirk Funktionsfähige und sich in Betrieb befindliche Berliner Straßenbrunnen Aktuell (Stand 2016/2017) Vor 10 Jahren (2006/2007) Vor 20 Jahren Charlottenburg- Wilmersdorf 106 Es wurden keine Daten übermittelt. Friedrichshain-Kreuzberg 120 Es wurden keine Daten übermittelt. Lichtenberg 75 Es liegen keine Daten vor. Marzahn-Hellersdorf 110 86 Kurzfristig können keine Angaben gemacht werden. Mitte 194 Die Anzahl der Notwasserbrunnen ist in den vergangenen 20 Jahren gleich geblieben. Eine Ermittlung der Anzahl der funktionsfähigen Brunnen ist dabei nicht mehr möglich . Neukölln 118 Es liegen keine Daten vor. Pankow 104 89 Es liegen keine Daten vor. Reinickendorf 156 183 166 (Stand 1998) Spandau 120 87 Es liegen keine Daten vor. Steglitz-Zehlendorf 39 Angaben zu vergangenen Jahrzehnten können nicht gemacht werden. Tempelhof-Schöneberg 204 Zahlen zu der Situation vor 20 bzw. 10 Jahren können kurzfristig nicht übermittelt werden. Treptow-Köpenick 83 Es wurden keine Daten übermittelt. 4) Welche Gründe können zur Kennzeichnung eines Straßenbrunnens mit dem Schild „Kein Trinkwasser“ führen, welche dieser Gründe liegen am häufigsten vor? Zu 4.: Die Beurteilung der Untersuchungsergebnisse für die Entscheidung, ob ein Hinweisschild „Kein Trinkwasser “ angebracht wird, erfolgt auf der Grundlage der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung. Werden die dort festgelegten Grenzwerte für bakteriologische und/oder chemische Verunreinigungen überschritten, wird das Tiefbauamt darüber informiert und gebeten, ein entsprechendes Hinweisschild anzubringen. Einzelne Bezirke verwenden vorsorglich für alle Straßenbrunnen die Kennzeichnung „Kein Trinkwasser“. Am häufigsten liegt eine chemische Beanstandung vor. 5) Wie viele der aktuell betriebs- und funktionsfähigen Straßenbrunnen sind mit dem in Frage 4 genannten Schild gekennzeichnet? Zu 5.: Die von den Berliner Bezirken übermittelten Daten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst dargestellt. Bezirk Anzahl der Berliner Straßenbrunnen, die aktuell mit dem Schild „Kein Trinkwasser“ gekennzeichnet sind Charlottenburg-Wilmersdorf 104 Friedrichshain-Kreuzberg 79 Lichtenberg 75 Marzahn-Hellersdorf 28 Mitte 194 Neukölln 75 Pankow 38 Reinickendorf 87 Spandau 49 Steglitz-Zehlendorf 59 Tempelhof-Schöneberg 204 Treptow-Köpenick 98 Summe 1.090 1.090 Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 377 3 6) Sind Straßenbrunnen mit der Kennzeichnung „Kein Trinkwasser“ in Notsituationen dennoch für die Versorgung der Bevölkerung einsetzbar und wenn ja, wie würde in einem solchen Fall sichergestellt, dass von dem Wasser keine Gesundheitsgefahren ausgehen? Zu 6.: Bei Überschreitung der mikrobiologischen Parameter sind diese Brunnen durch die Zugabe von Trinkwasserdesinfektionstabletten nutzbar. Bei Überschreitung der chemischen Parameter nach der Trinkwasserverordnung in der Bekanntmachung vom 10.03.2016 (BGBl. I S. 459), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2016 (BGBl. I S. 1666), können Straßenbrunnen zur Notfallversorgung genutzt werden, wenn das Wasser den Mindestanforderungen an die Qualität von Notwasser gemäß den Ausführungsbestimmungen des Wassersicherstellungsgesetztes vom 24.08.1965 (BGBl. I S. 1225, 1817), das zuletzt durch Gesetz vom 12.08.2005 (BGBl. I S. 2354) geändert worden ist, entspricht. 7) Fördern alle mit Muskelkraft betriebenen Straßenbrunnen oberflächennahes Grundwasser oder gibt es auch andere Systeme, die stromabhängig und damit im Falle einer Unterbrechung der Stromversorgung ungeeignet sind? Zu 7.: Alle Straßenbrunnen werden mit Muskelkraft betrieben und fördern oberflächennahes Grundwasser. Darüber hinaus wird im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin die Wasserqualität von 29 Tiefspiegelbrunnen der Berliner Feuerwehr in bislang zweijährigem Abstand überprüft, um ergänzend zu den Straßenbrunnen weitere Wasserquellen im Krisen- bzw. Katastrophenfall zur Verfügung stehen zu haben. Diese Brunnen werden zur Löschwasserversorgung vorgehalten und mit strombetriebenen Pumpen bedient. 8) Ließe sich nach Kenntnis des Senats die Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Trink- und Löschwasser über die vorhandenen Straßenbrunnen im Falle einer Havarie, eines Terroranschlags oder eines anhaltenden Stromausfalls sicherstellen? Zu 8.: Die ehem. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat 2009 einen Bericht zum Thema „Vereinfachte Planung der Trinkwasser-Notversorgung Berlin“ erstellen lassen. Danach fehlten bereits zum damaligen Zeitpunkt ca. 1.000 Brunnen, um die Versorgung der gesamten Bevölkerung bei Zwischenfällen in Berlin sicherzustellen. Dementsprechend müsste in einem landesweiten längeren Katastrophenfall auch auf andere Ressourcen (z.B. Wassertransport aus anderen Bundesländern , Rückgriff auf private Brunnen) zurückgegriffen werden. 9) Gilt dies für alle Berliner Bezirke oder gibt es Bereiche , in denen die Dichte der Pumpen pro Einwohner nicht ausreicht (beispielsweise aufgrund von Ausstattungsunterschieden zwischen Bezirken im ehemaligen Ost- und Westteil der Stadt oder zwischen Innen- und Außenbezirken)? Zu 9.: Dies gilt für alle Bezirke, insbesondere in Bezirken im ehemaligen Ostteil der Stadt, aber z.B. auch in einem Außenbezirk wie Spandau. 10) Sieht der Senat Handlungsbedarf für die Versorgung mit Trinkwasser über Straßenbrunnen in Notfällen? Bezirk? Zu 10.: Bedingt durch die aktuellen Baumaßnahmen zur Sicherstellung von Wohnraum und der Zunahme der Bevölkerung ist von einem erheblichen Fehlbestand an Straßenbrunnen auszugehen. Daher sieht der Senat Handlungsbedarf und ermittelt derzeit in Zusammenarbeit mit den Berliner Bezirken den Bedarf an zusätzlichen Straßenbrunnen . 11) Für wie relevant hält der Senat eine missbräuchliche Nutzung von Straßenbrunnen u.a. zum Autowaschen, welche Verschmutzung des geförderten Wassers ist zu befürchten (Wasserqualität) und gibt es geeignete Erfahrungen zur effektiven Verhinderung solchen Missbrauchs ? Zu 11.: Eine Relevanz wird nicht gesehen. Umweltprobleme könnten dort auftreten, wo eine direkte Einleitung des Wassers in ein Oberflächengewässer besteht. Eine Nutzung der Straßenbrunnen z.B. für die Bewässerung der Straßenbäume ist erwünscht, damit die Brunnen nicht vertrocknen oder versanden. Berlin, den 16. Februar 2017 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Feb. 2017)