Drucksache 18 / 10 378 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 02. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Februar 2017) und Antwort Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassen – wie groß ist der Schaden in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat der Senat in Bezug auf Steuerhinterziehungen durch manipulierte Registrierkassen im Land Berlin, wie sie beispielsweise in der nichtöffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am 17. Februar 2016 diskutiert wurden und mit dem im Dezember 2016 in Kraft getretenen „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen “ verhindert werden sollen? Zu 1.: Im Bereich der bargeldintensiven Branchen sind im Land Berlin ebenfalls Fälle von Steuerhinterziehung durch manipulierte elektronische Registrierkassen entdeckt worden. Gesonderte statistische Aufzeichnungen zur Höhe der Steuerhinterziehung durch manipulierte Registrierkassen werden nicht geführt. 2. Auf welche Weise werden mit manipulierten Kassen bzw. Kassensystemen und deren Software der Umsatz und somit die Steuerschuld verändert? Welche wesentlichen Maßnahmen sieht das in Frage 1. genannte Gesetz zu ihrer Verhinderung vor? Zu 2. (Frage 1): Die in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses an den Bundesrat (BR-Drs. 407/1/16) aufgeführten Szenarien sind auch im Land Berlin feststellbar . Diese sind: a) Nachträgliche Manipulation der erfassten Kassendaten ggf. unter Zuhilfenahme spezieller Betrugssoftware (sog. Phantomware 1 bzw. Zapper 2 ), 1 Phantomware = im System integrierte, verborgene Manipulationssoftware 2 Zapper = Software, die nur temporär zum Zwecke der Manipulation in das System geladen wird. b) Verwendung von "Zweitkassen", die zwar ordnungsgemäß genutzt werden, deren Daten aber weder in die Finanzbuchhaltung/Steuererklärung einfließen noch im Rahmen einer Außenprüfung /Kassennachschau vorgelegt werden, c) Schlichte Nichteingabe von Geschäftsvorfällen, d. h. Kassen sind zwar vorhanden, werden aber nicht oder zumindest nicht für jeden Geschäftsvorfall genutzt. Zu 2. (Frage 2): Als wesentliche Maßnahmen zu ihrer Verhinderung sieht das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen folgende Punkte vor: zu a) Einführung von zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen für elektronische Aufzeichnungssysteme . Diese zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen müssen aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle bestehen (§ 146a Abs. 1 Abgabenordnung – AO). zu b und c) Einführung einer Belegausgabepflicht (§ 146a Abs. 2 Satz 1 AO), einer Mitteilungspflicht über den Einsatz elektronischer Aufzeichnungssysteme (§ 146a Abs. 4 AO) und einer Kassen-Nachschau (§ 146b AO). 3. In welchen Berliner Gewerbezweigen sind dem Senat Probleme mit Steuerhinterziehungen manipulierter Registrierkassen bekannt? Treten diese am häufigsten im Einzelhandel, Gaststätten- und Hotelgewerbe oder in Spielhallen und anderen Spielstätten auf? Zu 3.: Das Risiko, dass Registrierkassen manipuliert werden, ist in allen bargeldintensiven Branchen gegeben. Gesonderte statistische Aufzeichnungen hierzu werden nicht geführt. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 378 2 4. Zu welchem Anteil werden nach Erfahrungswerten des Senats Umsätze in den entsprechenden Gewerbezeigen nicht offiziell verbucht? Zu 4.: Es kann nicht seriös eingeschätzt werden, zu welchem Anteil Umsätze in den entsprechenden Gewerbezweigen nicht offiziell verbucht werden. 5. Sind Steuerhinterziehungen durch manipulierte Kassen in der Vergangenheit bereits bei Überprüfungen und Kontrollen entsprechender Betriebe aufgefallen und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, worauf führt der Senat dies zurück? Zu 5.: Ja. Festgestellte Steuerhinterziehungen führen zur Nachforderung der hinterzogenen Steuer sowie zur Einleitung von Steuerstrafverfahren, deren Ausgang vom Einzelfall abhängt. 6. Wie hoch waren nach Schätzung des Senats die Steuerausfälle für das Land Berlin durch unterschlagene Einnahmen aus manipulierten Kassen jeweils in den letzten fünf Jahren? Liegen diese in ähnlicher Größenordnung wie von der Finanzministerin Schleswig-Holsteins in der genannten Sitzung des Finanzausschusses für ihr Bundesland auf 150 Millionen Euro pro Jahr beziffert? Zu 6.: Es kann nicht seriös eingeschätzt werden, in welcher Höhe Steuerausfälle für das Land Berlin eingetreten sind. 7. Welche sonstigen Schäden oder Nachteile wie z.B. Wettbewerbsverzerrung in den betreffenden Unternehmensbereichen sieht der Senat durch entsprechende Kassenmanipulationen ? Zu 7.: Kassenmanipulationen bergen die Gefahr, dass die Steuermoral der Steuerehrlichen untergraben wird. Daneben kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. 8. Welche Position vertritt der Senat in Bezug auf die technischen Lösungen zum Manipulationsschutz und die noch zu erlassende Rechtsverordnung zum „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen “ hinsichtlich technischer Spezifikationen und Anwendungsbereichen? Zu 8.: Der Senat unterstützt die Einführung jeder geeigneten technischen Maßnahme zur Sicherstellung der Unveränderbarkeit der digitalen Grundaufzeichnungen. Hinsichtlich technischer Spezifikationen und Anwendungsbereichen liegen dem Senat keine aktuellen Informationen vor. 9. Welche Erwartungen hinsichtlich Umstellungskosten für Gewerbetreibende liegen vor und welche Umstellungsfristen sind bis zur vollständigen Umsetzung des Gesetzes zu berücksichtigen? Zu 9.: Für die Wirtschaft entsteht ein einmaliger Erfüllungsaufwand i. H. v. rd. 470 Mio. Euro für die Neuanschaffung und Umstellung der Geräte und jährlich laufender Erfüllungsaufwand i. H. v. rd. 106 Mio. Euro (BT- Drs. 18/9535). Die in Antwort zu Frage 2 genannten Systeme sind nach Ablauf des 31.12.2019 einzusetzen (§ 30 Abs. 1 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung – EGAO). Daneben bestehen Übergangsfristen (§ 30 Abs. 3 EGAO). 10. Mit welchen Maßnahmen kann in der Zeit bis zum Ablauf der Umstellungsfristen Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassen in Berlin möglichst wirkungsvoll verhindert werden? Zu 10.: Die Berliner Steuerverwaltung begegnet der Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassen durch verstärkte Kontrollen der bargeldintensiven Branchen. Diese Kontrollen wurden intensiviert und ausgeweitet (Kassenauslesungen, Steuerprüfungen, ggf. Steuerstrafverfahren ). Dafür setzt die Berliner Steuerverwaltung gezielt ausgebildete und speziell technisch ausgestattete Außenprüferinnen und Außenprüfer ein. 11. Welche Unternehmen fallen nicht unter die Einführung einer allgemeinen Kassenpflicht nach diesem Gesetz? Welche Regelungen betreffen insbesondere Spielhallen, weitere Spielstätten und Wettbüros? Zu 11.: Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen begründet keine allgemeine Registrierkassenpflicht. Es regelt Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. 12. Welche ergänzenden rechtlichen Regelungen zur Verhinderung von solchen Steuerhinterziehungen sind nach Kenntnis des Senats auf Bundes- bzw. Landesebene nach Verabschiedung des in Frage 1. genannten Gesetzes sinnvoll bzw. geplant? Zu 12.: Um die Regelungen des § 146a AO inhaltlich auszugestalten, bedarf es einer Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen gemäß § 146a Abs. 3 AO. Berlin, den 14. Februar 2017 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Feb. 2017)