Drucksache 18 / 10 387 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Hakan Taş (LINKE) vom 06. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Februar 2017) und Antwort Schusswaffengebrauch der Polizei Berlin und der Umgang mit psychisch kranken Menschen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen haben Berliner Polizist*innen seit dem 31. Juli 2014 (Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 17/14 324) von der Schusswaffe gegen Menschen , Tiere, Sachen und Sonstiges Gebrauch gemacht (bitte nach Jahr und Ziel aufschlüsseln)? Zu 1.: 2014 in 0 Fällen gegen Menschen, in 22 Fällen gegen Tiere, in 0 Fällen gegen Sachen, in 1 Fall als Warnschuss, in 2 sonstigen Fällen 1 25 Fälle insgesamt 2015 in 2 Fällen gegen Menschen, in 57 Fällen gegen Tiere, in 0 Fällen gegen Sachen, in 1 Fall als Warnschuss, in 17 sonstigen Fällen 2 77 Fälle insgesamt 2016 in 0 Fällen gegen Menschen, in 62 Fällen gegen Tiere, in 0 Fällen gegen Sachen, in 0 Fällen als Warnschuss, in 16 sonstigen Fällen 3 78 Fälle insgesamt Die offenen Vorgänge werden erst nach Vorliegen des abschließenden Berichtes in Kategorien untergliedert in der Statistik dargestellt. Dies ist der Grund dafür, dass die Zahlen der Schusswaffengebrauchsstatistik Veränderungen unterliegen - bis zum Abschluss des letzten Vorgangs aus dem jeweiligen Jahr. 1 2 unbeabsichtigte Schussabgaben 2 6 unbeabsichtigte Schussabgaben, 1 unzulässiger Schusswaffengebrauch , 1 Suizid, 9 offene Vorgänge 3 6 unbeabsichtigte Schussabgaben, 10 offene Vorgänge 2. Wie viele Menschen und wie viele Tiere wurden durch beabsichtigte Schüsse aus Dienstwaffen im in Frage 1. definierten Zeitraum verletzt oder getötet (bitte nach Jahr, Mensch/Tier und beabsichtigte Schüsse aufschlüsseln )? Zu 2.: 2014 in 0 Fällen Menschen verletzt, in 0 Fällen Menschen getötet, in 0 Fällen Tiere verletzt, in 22 Fällen Tiere getötet 4 2015 in 1 Fall Menschen verletzt, in 2 Fällen Menschen getötet 5 , in 0 Fällen Tiere verletzt, in 57 Fällen Tiere getötet 6 2016 in 0 Fällen Menschen verletzt, in 0 Fällen Menschen getötet, in 0 Fällen Tiere verletzt, in 62 Fällen Tiere getötet 7 Wie bereits unter Punkt 1. dargelegt, werden die in Bearbeitung befindlichen Vorgänge erst nach deren Abschluss statistisch ausgewertet. 4 7 Füchse, 2 Hunde – davon 2 aggressiv, 1 Kaninchen, 1 Katze, 1 Reh, 1 Waschbär, 9 Wildschweine 5 davon 1 Suizid 6 1 Biber, 18 Füchse, 1 Hund, 2 Kaninchen, 3 Katzen, 1 Marder, 10 Rehe, 6 Waschbären, 15 Wildschweine 7 1 Bussard, 1 Dachs, 1 Fasan, 25 Füchse, 1 Hasen, 3 Hunde – davon 3 aggressiv, 1 Katze, 6 Rehe, 1 Schwan, 1 Waschbär, 21 Wildschweine Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 387 2 3. In wie vielen Fällen lösten sich bei der Berliner Polizei im Fragezeitraum ohne Absicht Schüsse aus Polizeiwaffen und wie viele Menschen wurden dadurch verletzt oder getötet (bitte aufschlüsseln)? Zu 3.: 2014 in 2 Fällen (2 verletzte Personen 8 / 0 getötete Personen) 2015 in 6 Fällen (0 verletzte Personen / 0 getötete Personen) 2016 in 6 Fällen (4 verletzte Personen 9 / 0 getötete Personen) 4. Wie viele von den verletzten bzw. getöteten Personen durch die Polizei Berlin waren im in Frage 1. definierten Zeitraum a. bewaffnet oder im Besitz gefährlicher Gegenstände (bitte aufschlüsseln)? b. waren zum Zeitpunkt des Waffengebrauchs psychisch auffällig, z.B. desorientiert, oder drohten mit Suizid? Zu 4.: zu a) 2015 in 1 Fall 1 verletzte Person (Polizeidienstkraft mit Dienstwaffe) in 2 Fällen jeweils 1 Person getötet (1 Suizid einer Polizeidienstkraft, 1 angreifende Person mit Messer) zu b) Auffälligkeiten psychischer Art werden hier nicht auswertbar erfasst. 5. Gibt es bei der Berliner Polizei Beamt*innen oder andere Einsatzkräfte, die im Umgang mit psychisch auffälligen Personen besonders ausgebildet sind? a. Wenn ja, wie viele und in welchen Einheiten? b. In wie vielen der unter 1. bis 7. genannten Fälle waren solche Kräfte anwesend? Zu 5.: In der Polizei Berlin gibt es besonders geschulte Dienstkräfte, die bei Erstkontakten auf in Ausnahmesituationen befindliche Personen reagieren können. Darüber hinaus steht eine Verhandlungsgruppe im Landeskriminalamt Berlin, die vorrangig in Fällen der Schwerstkriminalität agiert, zur Verfügung. Eine personengenaue Erfassung von Einsatzkräften an bestimmten Einsatzorten und deren Aus- und Fortbildungsstand findet nicht statt. 8 davon 2 Polizeidienstkräfte (1 Knalltrauma, 1 Selbstverletzung ) 9 davon 4 Polizeidienstkräfte (4 Knalltraumen) 6. In welchem Umfang erfolgt eine Schulung der Polizeibeamt *innen im Umgang mit psychisch erkrankten, verwirrten oder suizidgefährdeten Menschen in der Ausbildung und in Weiterbildungsmaßnahmen (bitte aufschlüsseln nach Stundenumfang, Datum und Kapazität der Weiterbildungskurse sowie Teilnehmerzahl) a. bei Beamt*innen im allgemeinen Polizeivollzugsdienst ? b. gesondert in der Ausbildung von EHu-, MEK-, Sek-Beamt*innen? c. Gibt es Dienstanweisungen zu dem Thema (wenn ja, bitte in Kopie anfügen)? Zu 6.: Der Umgang mit psychisch erkrankten Personen in Akutsituationen ist integraler Bestandteil eines großen Teils des Einsatztrainings, weil diese Personen im konkreten Verhalten ähnlich unberechenbar reagieren können wie Personen unter starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss oder generell wie Menschen in extremen persönlichen Lebenssituationen, z. B. bei Wegweisungen aus der eigenen Wohnung nach Fällen häuslicher Gewalt. Im Mittelpunkt von Lehre und Training steht ohnehin die konflikt- und gefährdungsarme Interaktion mit einem Gegenüber in einer akuten psychischen Ausnahmesituation als Bestandteil polizeilichen Handelns. Dagegen ist ein Training ausschließlich zum Umgang mit psychisch kranken Personen aufgrund der großen Bandbreite diagnostischer und personenbedingter Einflussfaktoren für den polizeilichen Einsatz aus fachlichen Gründen weder vorgesehen noch zielführend. Psychische Erkrankungen sind von den Polizeidienstkräften vor Ort nicht diagnostizierbar, in den wenigsten Fällen vorher bekannt und machen hinsichtlich der Angriffsintensität für die betroffene Dienstkraft keinen Unterschied . Die Verteidigungsintensität bzw. die Intensität der Zwangsmittelanwendung muss sich immer an der Intensität des Angriffs bzw. des Widerstandes gegen eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme bemessen, unabhängig von der Tätermotivation und einem evtl. vorhandenen Krankheitsgrad. Für alle (insbesondere konfliktträchtigen) Einsatzsituationen gelten bundeseinheitliche Empfehlungen. Diese werden auch im Rahmen des Einsatztrainings ganzheitlich vermittelt. Neben der integrativen Behandlung des Themenbereichs im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden folgende spezialisierte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt: Alle Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger durchlaufen im Rahmen ihrer Ausbildung / ihres Studiums ein gesondertes Verhaltenstraining, in dem auch auf den Umgang mit psychisch erkrankten Personen eingegangen wird. Der Umfang beträgt im mittleren Dienst 15 Tage in der Ausbildung und im gehobenen Dienst 10 Tage während des Studiums. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 387 3 Alle Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer der Polizei Berlin werden seit 2014 in speziellen auf die Thematik ausgerichteten mehrtägigen Seminaren fortgebildet, um die Thematik in das für alle Einsatzkräfte verpflichtende jährliche Einsatztraining einfließen zu lassen. Zusätzlich werden verschiedene themenbezogene Fortbildungsseminare an der Polizeiakademie angeboten, in denen die Thematik unter Einbindung von Psychologinnen und Psychologen, externen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern wie dem Berliner Krisendienst sowie Einsatztrainerinnen und Einsatztrainern geschult wird. Im Rahmen der verpflichtenden Fortbildung der Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer wurde der Themenbereich in 2016 um den „Umgang mit traumatisierten Personen “ erweitert. Folgende Weiterbildungsmaßnahmen werden angeboten : Titel: Umgang mit psychisch gestörten Personen im Spannungsfeld zwischen Kommunikation und Zwangsmaßnahmen für Einsatztrainer der Polizei Berlin Dauer: 3 Tage (24 Unterrichtseinheiten), Teilnehmende bisher: 46 Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer Titel: Psychische Störungen und Polizei „Krank und/oder gefährlich?“ Gefährlichkeit und Handlungsstrategien im Umgang mit psychisch gestörten Personen Dauer in Tagen: 1 Tag (8 Unterrichtseinheiten), Teilnehmende bisher: 40 Einsatzkräfte Titel: Umgang mit psychisch gestörten Personen im Spannungsfeld zwischen Kommunikation und Zwangsmaßnahmen Dauer in Tagen: 3 Tage (24 Unterrichtseinheiten), Teilnehmende bisher: 109 Einsatzkräfte Die genannten Seminarreihen werden fortgeführt. Eine weitere, wie in der Fragestellung 6 b vorgegebene , themenbezogene Unterteilung nach Dienstbereichen, welche über die oben dargestellte Zielgruppenzuordnung hinausgeht, gibt es nicht. Im Polizeilichen Einsatztraining werden auf Grundlage der Geschäftsanweisung Zentrale Serviceeinheit (GA ZSE) IV Nr. 3/2011 alle Dienstkräfte mit Vollzugsaufgaben in insgesamt drei Zielgruppen eingeordnet, die sich hinsichtlich des Umfangs, des Inhalts und der Intensität des Trainings an der Konfliktträchtigkeit des jeweiligen Aufgabengebiets orientieren. Zielgruppe 1: Konfliktträchtiges Aufgabengebiet wie Funkwageneinsatzdienst, Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizei und der Direktionen, operative, überwiegend in bürgerlicher Kleidung agierende Einsatzdienststellen. Zielgruppe 2: Bedingt konfliktträchtiges Aufgabengebiet wie überwiegend sachbearbeitende Dienstkräfte, Angestellte im Objektschutz . Zielgruppe 3: Wenig konfliktträchtige Aufgabengebiete wie Dienstkräfte in Führungsstäben und Leitstellen oder in der Ausund Fortbildung. Der Umgang mit mutmaßlich psychisch kranken Personen richtet sich nach der Geschäftsanweisung (GA) des Stabes des Polizeipräsidenten (PPr St) Nr. 5/2007 über die polizeiliche Behandlung von psychisch kranken Personen vom 16.01.2007 (außer Kraft getreten). Diese in der Anlage befindliche GA ist aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung weiterhin gültig. 7. Gibt es ein standardisiertes Verfahren oder Geschäftsanweisungen der Berliner Polizei im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, die Hilfe anderer Behörden oder Einrichtungen, z.B. den psychosozialen Notdienst, in Anspruch zu nehmen? Zu 7.: Es wird auf die in Frage 6 genannte und in der Anlage befindliche GA PPr St Nr. 5/2007 über die polizeiliche Behandlung von psychisch kranken Personen vom 16.01.2007 hingewiesen. Berlin, den 27. Februar 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Feb. 2017) S18-10387 ~0578883