Drucksache 18 / 10 428 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sibylle Meister (FDP) vom 14. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Februar 2017) und Antwort Versorgung Berlins mit öffentlichen Toiletten besser ohne Werbung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wem gehören die Toilettenanlagen im Berliner Straßenland? Antwort zu 1.: Die auf der Grundlage der zwischen dem Land Berlin und der Firma Wall geschlossenen Verträge errichteten City-Toiletten, City Pissiors, Café Achteck und Sanitärcontainer gehören der Firma Wall, alle übrigen fest mit dem Straßenland verbundenen Anlagen, die derzeit von der Firma Wall betrieben werden, gehören dem Land Berlin. Darüber hinaus betreibt auch die Firma Ströer Toilettenanlagen im öffentlichen Straßenland, die in deren Eigentum stehen. Frage 2: Was passiert mit diesen Anlagen nach Ablauf des aktuellen Betreibervertrages? Gehen diese an einen zu-künftigen Betreiber über? Frage 3: Welche Änderungen plant der Senat bei der Neuausschreibung des Betreibervertrages für die öffentlichen Toilettenanlagen und warum? Antwort zu 2. und 3.: Nach über 25 Jahren war es erforderlich , die bestehende Situation für diese wichtige Aufgabe hinsichtlich möglicher Änderungen des Bedarfs neu zu bewerten. Ein Weiterbetrieb der von der Firma Wall abgeschriebenen bestehenden Toilettenanlagen zu den gleichen vertraglichen Konditionen könnte den geänderten Ansprüchen an den öffentlichen Raum nicht hinreichend Rechnung tragen. Der Senat hat sich daher dazu entschlossen, das Thema öffentliche Toiletten eigenständig als wichtigen Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge konzeptionell aufzuarbeiten. Der Senat lässt derzeit ein Toilettenkonzept für Berlin erarbeiten. Im Rahmen dieses Konzepts ist auch zu klären, mit welchen ggf. weiteren funktionalen Merkmalen die öffentlichen Toiletten auch im Hinblick auf diese Nutzergruppen ausgestattet sein sollen. Eine Aussage zum vorhandenen und benötigten Angebot an öffentlichen Toiletten mit entsprechender Bewertung sowie eine Entscheidung über den Erhalt der vorhandenen City-Toiletten und der Toilettenstandorte, die Errichtung neuer Toiletten und den Betreiber lassen sich somit erst nach Vorlage des Konzepts Mitte 2017 treffen. Der Senat beabsichtigt, mit der Umsetzung des Toilettenkonzepts noch in diesem Jahr zu beginnen, so dass nach den entsprechenden Vorbereitungen eine anschließende Realisierung rechtzeitig zum Ende der laufenden Verträge möglich sein wird. Frage 4: In welchem Planungsstand befindet sich das Ausschreibungsverfahren? Antwort zu 4: Ein Ausschreibungsverfahren kann sinnvollerweise erst nach Fertigstellung des Toilettenkonzepts für Berlin beginnen. Frage 5: Aus welchem Grund plant der Senat bei der Neuausschreibung auf werbeabhängige Vertragsleistungen zu verzichten? Antwort zu 5: Eine Neuausschreibung der Toiletten unter erneuter Koppelung an Werberechte wäre für das Land Berlin nicht vorteilhaft. Da sich die Toiletten wegen des hohen Investitions- und Unterhaltungsaufwands nicht allein durch die Werbung an den Toiletten selbst finanzieren lassen, müssten sie an weitere freistehende und i.d.R großflächige Werbeanlagen gekoppelt werden. Dies wäre jedoch mit erheblichen Nachteilen und Risiken verbunden . Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 428 2 Die Koppelung des Bestands einer Toilettenanlage alleine daran, dass zunächst an an-derer Stelle im Bezirk mehrere z.T. großformatige Werbeanlagen errichtet werden , ist – zum Nachteil der Nutzer – weder bedarfs- noch sachgerecht. Die Versorgungssituation in den einzelnen Bezirken wäre damit abhängig von dem Grad der Kommerzialisierung des Straßenlandes. Es bestünde keine Möglichkeit, Werbestandorte zu reduzieren, ohne Toilettenstandorte zu gefährden. Die Koppelung würde zu einer intransparenten Vermischung von Leistungs- und Kostenpositionen führen. Auch auf der Grundlage des laufenden Toilettenvertrages kennt das Land Berlin weder die Einnahmen aus der Werbung noch die tatsächlichen Kosten für den Toilettenbetrieb . Es lässt sich auch nicht nachvollziehen, welche oder wie viele Werbeanlagen jeweils dem Betrieb einer bestimmten Toilette zugeordnet sind. Wird nicht erkennbar, was für das Werberecht gezahlt würde und was Errichtung und Betrieb von Toilettenanlagen kosten, kann das Land Berlin nicht beurteilen, ob der Vertrag tatsächlich wirtschaftlich ist. Werden die Einnahmen aus der Werbung mit den Ausgaben für die Toiletten außerhalb des Haushalts in Ausgleich gebracht, wären sie unter Vernachlässigung der Prinzipien der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit dem Budgetrecht des Abgeordnetenhauses entzogen. Das Bundeskartellamt hat am 26.11.2009 in seinem „Eckpunktepapier zu den Ergebnissen der Sektoruntersuchung im Bereich Außenwerbung“ ausgeführt, dass in Großstädten über 400.000 Einwohner Ausschreibungen von Werberechten mit sachgerechten Losbildungen durchgeführt werden müssen, um insbesondere bei Exklusivverträgen zu vermeiden, dass die Vergabe großer Werbeflächen an die Stadtmöblierung gekoppelt wird. Insgesamt ist daher zur Vermeidung der vorgenannten Marktverzerrungen, rechtlicher und wirtschaftlicher Risiken und intransparenten Leistungsbeziehungen eine Trennung der Werberechte von der Anschaffung und dem Betrieb der Toiletten sinnvoll. Vor diesem Hintergrund verzichten auch die Metropolen Hamburg, München und Köln sowie die Mehrzahl der übrigen größeren deutschen Städte ganz bewusst darauf, Toilettenanlagen über Außenwerbung zu finanzieren. Hauptgrund ist auch hier regelmäßig die Intransparenz von Koppelungsverträgen, aber auch die Problematik, die sich regelmäßig nach Ablauf der meist langjährigen, an die Außenwerbung gekoppelten Verträge für den Bestand, den Betrieb und ggf. die Neuerrichtung der Toilettenanlagen stellt. Der Senat hat sich daher für eine Vorgehensweise entschieden , die dem Land Berlin größtmögliche Handlungsspielräume eröffnet, in Anbetracht der bestehenden komplexen Vertrags- und Rechtslage ein rechtssicheres Verfahren ermöglicht, ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet und dabei auch die Entwicklungen des Außenwerbemarkts berücksichtigt. Frage 6: Welche finanziellen Nachteile entstehen dem Land Berlin durch diesen Verzicht über die gesamte Laufzeit des Vertrages von 15 Jahren? Antwort zu 6: Keine. Auch wenn die Ausschreibung der Werberechte im öffentlichen Straßenland aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen unter weitestgehender Entkopplung von Sach- und Dienstleistungen erfolgt, sollen die erzielten Einnahmen aus den Werberechtsverträgen der Deckung der erforderlichen Ausgaben für die Stadtmöbel und damit auch der öffentlichen Toiletten dienen. Die entsprechenden Haushaltstitel werden im Haushaltsplan für die Jahre 2018/2019 im Einzelnen dargestellt . Die Problematik, die sich regelmäßig nach Ablauf der meist langjährigen, an die Außenwerbung gekoppelten Verträge für den Bestand, den Betrieb und ggf. die erforderliche Neuerrichtung von Toilettenanlagen stellt, sollte sich somit nicht wiederholen können. Berlin, den 01. März 2017 In Vertretung J e n s – H o l g e r K i r c h n e r ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2017)