Drucksache 18 / 10 434 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) vom 15. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Februar 2017) und Antwort Unzumutbare Situation des Standesamtes Mitte (Funktionierende Stadt Teil 1) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann liegen dem Senat Erkenntnisse über die personelle Unterbesetzung des Standesamts Mitte von Berlin vor? Zu 1.: Der personelle Engpass beim Standesamt Mitte führte bereits im Jahr 2015 zu zwei sogenannten Notfallbestellungen durch die Fachaufsicht bei der zuständigen Senatsverwaltung. Dabei wird der Geschäftsbereich eines Standesamts einer Standesbeamtin oder eines Standesbeamten eines anderen Bezirks für begrenzte Zeit übertragen . Die jetzige akute Unterbesetzung mit ihren Folgen ist im Februar des laufenden Jahres bekannt geworden. 2. Wie viele Stellen sind nicht besetzt und müssen für einen ordnungsgemäßen Betrieb des Standesamts besetzt werden? Zu 2.: Derzeit fehlen nach Angaben des Standesamts Mitte vom 23.02.2017 fünf Dienstkräfte, die zuvor mit einem vollen Stellenanteil beschäftigt waren. Drei davon befinden sich in Ausbildung, können aber wegen der Ausbildungsphase aktuell nicht mit der dafür erforderlichen elektronischen Signatur beurkunden. Aufgrund der in den letzten Jahren angestiegenen Fallzahlen, der zusätzlich übertragenen Aufgabe der Ausstellung von Bestattungsscheinen und dem sehr gehäuften Auftreten von Hindernissen in den Publikumszeiten (Sprachbarrieren, fehlende Identitätsnachweise etc.) sind die vorgesehenen 15 Standesbeamtinnen und Standesbeamten für einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb auch erforderlich. Im Jahr 2002 hatte das Standesamt Mitte bei geringeren Fallzahlen 21. 3. Was hat der Senat bisher getan, um die Situation im Standesamt Mitte zu verbessern? Was wird der Senat tun? Zu 3.: Siehe Antwort zu 1. Die Organisations- und Personalhoheit liegt bei den Bezirken. Der Senat geht davon aus, dass der Bezirk Mitte durch eine zügige Neubesetzung offener Stellen Abhilfe schaffen wird. 4. Ist es richtig, dass neu eingestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine Tätigkeit im Standesamt eine sechsmonatige Fortbildung absolvieren müssen, d.h. erst hiernach im Standesamt einsetzbar sind? Zu 4.: Ja. Das Amt der Standesbeamtin setzt die Beherrschung einer wesentlich umfänglicheren Materie voraus, als es für andere Geschäftsbereiche in der Laufbahn des gehobenen, nichttechnischen Verwaltungsdienstes ansonsten der Fall ist. Anzuwenden sind nicht nur Gesetze aus den verschiedensten Fachrichtungen (Personenstandsgesetz , Personenstandsverordnung, Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz – PStG-VwV, Landesverordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes im Land Berlin, Bürgerliches Gesetzbuch, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Staatsangehörigkeitsgesetz , Gesetz über das Verfahren in Familiensachen - FamFG, Aufenthaltsgesetz, Aufenthaltsverordnung , Beurkundungsgesetz, Staatsverträge und der daraus resultierenden Gesetze), sondern auch entsprechende Regelungen ausländischer Staaten, wenn ausländische Staatsangehörige an personenstandsrechtlichen Sachverhalten beteiligt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass derartige Regelungen auch aus lange zurückliegenden Zeiten und sogar aus nicht mehr existierenden Staaten zur Anwendung kommen (beispielsweise auch aus der ehemaligen DDR), da die Beurteilung eines personenstandsrechtlichen Sachverhalts auf den Ereigniszeitpunkt abgestellt werden muss. Bereits die Findung der anzuwendenden Rechtsmaterie bedingt lange Erfahrung. Die Außenwirkung standesamtlicher Handlungen, gerade auch gegenüber anderen staatlichen Institutionen, ist erheblich. Personenstandsrechtliche Registereinträge haben nach außen volle Beweiskraft (vgl. § 54 Personenstandsgesetz – PStG). Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 434 2 5. Wenn ja, sieht der Senat eine Möglichkeit, diesen Ausbildungszeitraum angesichts der unzumutbaren Situation im Standesamt zu verkürzen? Zu 5.: Nein. Siehe Antwort zu 4. 6. Können übergangsweise erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen bezirklichen Standesämtern oder aus der Senatsverwaltung im Standesamt Mitte eingesetzt werden? Zu 6.: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Bezirken, die zu Standesbeamtinnen oder Standesbeamten bestellt sind, können grundsätzlich Unterstützung leisten, sofern die Amtsgeschäfte des Entsendestandesamts nicht darunter leiden. Zum Prozedere eines solchen Vorgangs wird auf die Antwort zu 1. verwiesen. Der Einsatz von Dienstkräften aus der zuständigen Senatsverwaltung ist nicht möglich. Aufgrund der gestiegenen Fallzahlen im Zusammenhang mit der Migrationsbewegung und den damit einhergehenden Fragen zum Umgang mit nicht nachgewiesenen Identitäten ist auch hier der Arbeitsanfall erheblich gestiegen. 7. Ist es richtig, dass es für die bezirklichen Standesämter deshalb so schwierig ist, Personal zu finden, da die Standesbeamten in Landes- und Bundesbehörden besser bezahlt werden? Wenn ja, was gedenkt der Senat hiergegen zu tun? Zu 7.: Die Einstufung der Berliner Standesbeamtinnen und Standesbeamten in die Besoldungsgruppe A10 resultiert aus einer Bewertungsentscheidung aus dem Jahr 2015. Standesbeamte auf Landesebene in der gleichen Besoldungsgruppe sind bereits aufgrund der bekannten Besoldungsunterschiede in Berlin schlechter bezahlt. Der Senat weist in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass eine angemessene Erhöhung der Besoldung von Berliner Landesbeamtinnen und –beamten zu den Vorhaben des Senats zählt. 8. Ist es möglich, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Mitte ihr Anliegen in einem anderen bezirklichen Standesamt erledigen? Wenn nein, warum nicht? Was müsste sich hier ändern? Zu 8.: Aufgrund der bundesrechtlichen Regelungen der §§ 8, 18 und 28 des Personenstandsgesetzes (PStG) können sich Bürgerinnen und Bürger nur an das Standesamt ihres Wohnsitzbezirks wenden. Soweit es um die bloße Anforderung von Urkunden und Registerauszügen aus bereits erstellten Registern geht, besteht keine Ortsgebundenheit ; sie können aufgrund des berlinweit existierenden elektronischen Personenstandsregisters bei jedem Berliner Standesamt angefordert werden. 9. Wird sich der Senat dafür einsetzen, dass Anträge bzw. Anmeldungen im Standesamt bzw. bzw. bestimmte Arbeitsschritte im Rahmen dessen künftig digital erfolgen, so dass die Mitarbeiterinnen entlastet werden können und die Bürgerinnen und Bürger keine langen Wartezeiten mehr haben? Zu 9.: Ein Automationsdefizit bei den Berliner Standesämtern existiert nicht. Aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben ist sichergestellt, dass standesamtliche Registereinträge in einem vollständig elektronischen Fachverfahren erzeugt, elektronisch signiert und in ein ebenfalls elektronisches Registerverfahren überführt werden. Alle Mitteilungen an andere Behörden erfolgen ebenfalls auf elektronischem Wege. Da sich das Standesamt jedoch mit höchstpersönlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen befasst, aus denen familienrechtliche Beziehungen mit ihren Rechtsfolgen entstehen , ist häufig die persönliche Vorsprache und die unmittelbare Vorlage von Identitätsnachweisen und Urkunden unablässig. Weitere Möglichkeiten zur Digitalisierung von Anmeldeverfahren werden daher nicht gesehen . Berlin, den 01. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mrz. 2017)