Drucksache 18 / 10 485 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 16. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Februar 2017) und Antwort Hygiene in Lebensmittelbetrieben - wann kommt das Smiley Transparenzsystem? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was plant der Senat, um die Einführung eines Smiley Transparenzsystems für Lebensmittelbetriebe, vor allem Gaststätten, zu ermöglichen? Zu 1.: In den Richtlinien der Regierungspolitik 2016 bis 2021 hat sich der Senat dazu verpflichtet, sich für eine bundesgesetzliche Regelung für ein Mehr an Transparenz im Bereich der Lebensmittelhygiene einzusetzen (sog. Smiley) und erforderlichenfalls auch eigene landesrechtliche Regelungen zu schaffen. Der Erlass einer vom Senat bevorzugten bundeseinheitlichen Transparenzregelung wird auch von der Verbraucherschutzministerkonferenz seit mehreren Jahren gefordert. Diese hatte zuletzt im Mai 2015 den Bund aufgefordert, kurzfristig den Entwurf einer Rechtsgrundlage zur Schaffung bundesweit einheitlicher Standards für die Transparentmachung von Kontrollergebnissen vorzulegen . Auch der Bundesrat hatte es bereits in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2013 (BR-Drs 789/12) für erforderlich erachtet, ein „…bundesweit einheitliches System zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Ergebnisse amtlicher Überwachungsund Kontrollmaßnahmen zu schaffen.“ 2. Welche Kenntnisse hat der Senat über das im Land Nordrhein-Westfalen geplante Transparenzsystem für Lebensmittelbetriebe und wie bewertet er dieses? Zu 2.: Das Gesetzgebungsverfahren zu dem am 15. Februar 2017 vom Landtag in Nordrhein-Westfalen verabschiedeten Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz (KTG) ist vom Senat mit Interesse verfolgt worden. Das Ziel des Gesetzes, die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen in verständlicher Form transparent und damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugänglich zu machen, wird - wie bereits in den Richtlinien der Regierungspolitik verankert - auch vom Senat angestrebt und daher ausdrücklich begrüßt. Es handelt sich bei diesem Gesetz jedoch - vor dem Hintergrund der bisherigen Untätigkeit des Bundes - um die eigenständige Regelung eines Bundeslandes, auch wenn diese in weiten Teilen der von der Projektgruppe der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz erarbeiteten Musterregelung entspricht. Im Gegensatz dazu favorisiert der Senat - wie bereits in Beantwortung der ersten Frage ausgeführt - den Erlass einer bundesrechtlichen einheitlichen Transparenzregelung . Nur durch eine solche Regelung kann nach Überzeugung des Senats ausreichend sichergestellt werden , dass flächendeckend einheitliche Veröffentlichungen der Lebensmittelkontrollergebnisse erfolgen und Wettbewerbsnachteile für einzelne Lebensmittelunternehmern vermieden werden. Erst wenn eine bundeseinheitliche Regelung auch nach den Bundestagswahlen nicht zu erreichen ist, wird der Senat innerhalb der verfassungsrechtlichen Vorgaben den Erlass möglicher landesgesetzlicher Regelungen anstreben. Vor diesem Hintergrund wird der Senat in der Folge auch die Umsetzung des Kontrollergebnis -Transparenz-Gesetzes weiterhin intensiv verfolgen . 3. Wie ist der aktuelle Stand der vom Land Berlin in den Bundesrat eingebrachte Initiative für ein Transparenzsystem ? Wie bewertet der Senat die Ergebnisse? Zu 3.: Aufgrund rechtlicher Bedenken an einer Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Schaffung landesgesetzlicher Transparenzregelungen ist durch den Senat am 8. September 2015 beschlossen worden, den von der damaligen Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz erarbeiteten Gesetzesantrag zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches beim Bundesrat einzubringen. Ziel dieser Bundesratsinitiative (BR- Drs. 410/15) ist eine Ergänzung dieses Gesetzes um eine Regelung, welche die Länder ausdrücklich ermächtigt, eigene gesetzliche Regelungen zum Aushang der Ergebnisse amtlicher Kontrollen in den betroffenen Lebensund Futtermittelunternehmen zu erlassen. In der Sitzung Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 485 2 des fachlich zuständigen Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates ist jedoch am 30. November 2015 beschlossen worden, die Beratungen über den Gesetzesantrag bis zum Wiederaufruf durch das antragstellende Land Berlin zu vertagen. Grund für die Vertagung war, dass noch Unklarheiten hinsichtlich der Auslegung der Reichweite der Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder für Informationen über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch bestehen. 4. Welche Unklarheiten gab/gibt es in Bezug auf die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch? Zu 4.: Wie sich aus der Beantwortung zu der Frage 3 bereits ergibt, wird die Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen nicht einheitlich beurteilt . Dies spiegelt sich auch in den verschiedenen Stellungnahmen wider, die zum Entwurf des Kontroll- Transparenz-Gesetzes für die Anhörung im zuständigen Ausschuss des Landtages in Nordrhein-Westfalen abgegeben wurden. Hintergrund der unterschiedlichen Auffassungen ist, dass das Recht der Lebensmittel, welchem auch die Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollberichten zuzuordnen ist, nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 20 Grundgesetz in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Eine Zuständigkeit der Länder zum Erlass eigener Regelungen in diesem Bereich ist nach Artikel 72 Absatz 1 Grundgesetz daher nur gegeben, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz umfassend und abschließend Gebrauch gemacht hat. Ob mit den diesbezüglichen Regelungen in § 6 Verbraucherinformationsgesetz sowie § 40 Lebensmittel - und Futtermittelgesetzbuch eine solche abschließende Regelung hinsichtlich der Veröffentlichung von amtlichen Kontrollergebnissen getroffen werden sollte, ergibt sich jedoch weder aus den Gesetzen selbst noch aus den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien und wird daher unterschiedlich beurteilt. 5. Welche Vorschläge wurden von der Projektgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz in Bezug auf einheitliche landesrechtliche Regelungen erarbeitet ? Wie schätzt der Senat diese Vorschläge ein? Zu 5.: Durch die genannte Projektgruppe wurden die zuvor für die Verbraucherschutzministerkonferenz im Jahr 2011 erarbeiteten Regelungsvorschläge für ein bundeseinheitliches Modell zur Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Betriebskontrollen 1:1 in eine landesrechtliche Musterregelung überführt. Inhaltlich deckt sich die erarbeitete Musterregelung im Wesentlichen mit den Regelungen des aktuell durch den Landtag in Nordrhein- Westfalen verabschiedeten Kontroll-Transparenz- Gesetzes. 6. Wie viele Lebensmittelbetriebe gibt es in Berlin? 6.1. Wie viele Lebensmittelbetriebe wurden in den Jahren 2010-2016 kontrolliert? (Bitte unterteilen Sie nach Jahren) 6.2. Wie viele Kontrollen wurden durchgeführt? Zu 6. bis 6.2.: Tabelle über die Berichterstattung zur amtlichen Lebensmittelüberwachung gemäß § 22 Abs. 4, Anlage 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Rahmenüberwachung - AVV Rüb -: Zahl der 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 6. Lebensmittelbetriebe 53.236 52.704 53.334 53.195 53.064 53.858 Eine Statistik ist für diese Daten noch nicht verfügbar . 6.1. Betriebskontrollen 25.779 25.265 23.423 22.764 21.243 22.513 6.2. Kontroll-besuche 50.061 48.042 44.466 42.069 39.743 38.476 7. Wie viele Verstöße gegen entsprechende Vorschriften wurden in den Jahren 2010-2016 protokolliert? 7.1. Welcher Art waren diese Verstöße? 7.2. Wie viele schwere Hygieneverstöße gab es? 7.3. Wie viele Betriebe wurden wegen Verstößen geschlossen? Zu 7. und 7.1.: Tabelle über die Berichterstattung zur amtlichen Lebensmittelüberwachung gemäß § 22 Abs. 4, Anlage 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Rahmenüberwachung - AVV Rüb -: Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 485 3 7. Zahl der Verstöße (*) 7.1. Art der Verstöße (*) 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Hygiene (HACCP, Ausbildung) 2.859 3.657 3.638 3.430 3.441 3.613 Eine Statistik ist für diese Daten noch nicht verfügbar. Hygiene allgemein 5.961 6.541 6.049 5.997 5.868 6.394 Zusammensetzung (nicht mikrobiologisch) 68 113 107 115 145 170 Kennzeichnung und Aufmachung 1.824 2.027 2.082 2.087 2.075 3.607 Andere 465 368 314 268 247 288 (*) Nur diejenigen Verstöße, die zu formellen Maßnahmen der zuständigen Behörden im Sinne der Leitlinien geführt haben. Zu 7.2.: Daten über „schwere“ Hygieneverstöße sind nicht verfügbar. Auf die Angaben in der Tabelle über die Berichterstattung zur amtlichen Lebensmittelüberwachung gemäß § 22 Abs. 4, Anlage 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Rahmenüberwachung - AVV Rüb - unter Frage 7.1. „Art der Verstöße“ wird hingewiesen . Zu 7.3.: Die Frage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann, weshalb die Berliner Überwachungsbehörden konkret abgefragt wurden, von denen 10 zum genannten Termin geantwortet haben. Die Ergebnisse sind in nachstehender Tabelle zusammengefasst , *wobei für 4 Bezirke nur die Gesamtzahl der in den Jahren 2010 bis 2016 erfolgten Schließungen hier vorliegt. Diese Gesamtzahl wird daher in der letzten Spalte der nachfolgenden Tabelle separat erfasst. Tabelle über Lebensmittelbetriebe, die geschlossen wurden („Vollschließung“) : 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2010-2016 91 66 87 66 71 75 118 *234 Es wird darauf hingewiesen, dass bei Verstößen Maßnahmen als Ordnungswidrigkeiten geahndet oder Strafmaßnahmen ergriffen werden. Parallel kann auch ein Verwaltungsverfahren eingeleitet werden. Dagegen erfolgen Betriebsschließungen ausschließlich als temporäre Maßnahme der Gefahrenabwehr und nicht als Maßnahme bei festgestellten Verstößen. Dabei handelt es sich nicht zwingend um eine Geschäftsaufgabe sondern ggf. um Schließungen mit der Option der Wiederöffnung nach Beseitigung der Gefahr. Diese Differenzierung ist anhand der vorhandenen Datenlage nicht möglich. 8. Wie sind die Senatspläne bzgl. der Ausstattung der bezirklichen Gesundheitsämter mit Lebensmittelkontrolleur Innen? Gibt es Pläne um die Anzahl der Kontrolleur Innen zu erhöhen? Zu 8.: Die Dienstbehörden der Lebensmittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrolleure sind die bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter. In den Richtlinien der Regierungspolitik 2016 bis 2021 hat sich der Senat dazu verpflichtet, die Lebensmittel - und Veterinäraufsichtsbehörden zu stärken und personell angemessen auszustatten. Berlin, den 07. März 2017 In Vertretung M. Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mrz. 2017)