Drucksache 18 / 10 502 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 21. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Februar 2017) und Antwort Unterstützung von Kindern mit Teilleistungsstörungen durch schulische und außerschulische Maßnahmen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Warum werden Daten, wie zum Beispiel Anzahl der teilnehmenden Kinder an Fördermaßnahmen zur Behebung von Teilleistungsstörungen (Lese-, Schreibe-, Rechenschwäche ), im Land Berlin nicht zentral erfasst? Zu 1.: Die Berliner Bildungsstatistik erhebt Daten in den Berliner Schulen auf Basis des Schulgesetzes für das Land Berlin (SchulG) und auf Basis der Verabredungen der Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Fördermaßnahmen wird nicht erhoben, so auch nicht die Frage der Teilnahme an Fördermaßnahmen zur Behebung von Teilleistungsstörungen. Erfasst wird dagegen in Berlin die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, für die ein sonderpädagogischer Förderbedarf in einem Feststellungsverfahren ermittelt wurde . Diese Daten sind unter anderem für die Zumessung von Förderstunden nach der geltenden Verwaltungsvorschrift für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen notwendig. Zudem werden in Berlin keine Einzelangaben zu Schülerinnen und Schülern in der Bildungsstatistik erfasst, sondern es werden aggregierte Daten auf Klassenebene erhoben. 2. Wie will der Senat ohne diese Grundlage zu einer sachgerechten Einschätzung der zahlenmäßigen Entwicklung dieser Störungen kommen sowie eine seriöse finanzielle Planung für diesen Bereich absichern? Zu 2.: Wie in der Antwort zu 1. beschrieben, wird die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die an schulischen Fördermaßnahmen hinsichtlich Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten sowie Rechenstörungen teilnehmen , nicht erhoben. Die durch das Jugendamt bewilligten Eingliederungshilfen einschließlich der Integrierten Lerntherapien gemäß § 35a Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) werden erfasst . In der Antwort zur Frage 8. wird das Verfahren zur Bewilligung der Hilfe erläutert. Da es sich um einen individuellen Hilfebedarf des jeweils Betroffenen handelt, sind die Mengen der Hilfen nicht im Voraus planbar. 3. Welche Fördermaßnahmen für die genannten Teilleistungsstörungen hält der Senat für besonders sinn- und erfolgreich und gab es bisher eine Evaluation derselben? Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie tagt eine Facharbeitsgruppe zum Thema „Nachteilsausgleich“. Zu den Aspekten „Rechtliche Änderungen, Diagnostik und Förderung, Qualifizierungsmaßnahmen “ wird auch hinsichtlich Lese- Rechtschreibschwierigkeiten und Rechenstörungen mit Expertinnen und Experten aus der Praxis ein Konzept erarbeitet. Ergebnisse der Facharbeitsgruppe liegen voraussichtlich am Ende des Schuljahres 2016/2017 vor. Der Umgang mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten und Rechenstörungen ist in Berlin in den Verordnungen der Schularten und Ausführungsvorschriften geregelt. Für den Bereich Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) benennt jede Grundschule eine speziell geschulte Lehrkraft , die alle Lehrkräfte der Schule bei der Diagnose von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten sowie der Erarbeitung von Förderplänen unterstützt und die Schülerinnen und Schüler während des Förderzeitraums begleitet. Die Fortbildung und der fachliche Austausch werden in den Regionen durch regelmäßig stattfindende Regionalkonferenzen für LRS-Lehrkräfte abgesichert. Darüber hinaus werden in den Regionalkonferenzen im Fach Deutsch Tagesordnungspunkte zum Themenbereich LRS nach Bedarf aufgerufen. Die Bezirke setzen unterschiedliche Konzepte zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten um. Es Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 502 2 gibt sowohl Intensivkurse und -klassen als auch temporäre Lerngruppen. In einigen Bezirken wurden bzw. werden diese Maßnahmen evaluiert. Zur Unterstützung der Lehrkräfte im Umgang mit Rechenschwierigkeiten steht den Lehrkräften seit 2014 die Kartei „Auf dem Weg zum denkenden Rechnen“ zur Verfügung. Die iMint Akademie bietet in Kooperation mit der regionalen Fortbildung fortlaufend schuljahresbegleitende Qualifizierungsangebote zur Diagnose und Förderung von Kindern mit besonderen Schwierigkeiten im Rechnen an, mit dieser praxiserprobten Kartei und zur Prävention von Rechenstörungen im Mathematikunterricht der Schulanfangsphase. An einigen Schulen wird das Förderkonzept „Mathe sicher können“ erprobt und evaluiert . 4. Sind Kinder mit Migrationshintergrund zahlenmäßig gleich oder häufiger von Teilleistungsstörungen betroffen und welche inhaltlichen und methodischen Unterschiede gibt es für sie hinsichtlich der Fördermaßnahmen? Zu 4.: Wie in der Antwort zu 1. beschrieben, wird die Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit Teilleistungsstörungen nicht erhoben. Bei Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten sowie Rechenstörungen erfolgt eine diagnosegestützte Förderung basierend auf den Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Die Lernvoraussetzungen schließen die sprachlichen Gegebenheiten der Schülerinnen und Schüler ein. 5. Wie werden die betroffenen Eltern mit und ohne Migrationshintergrund über die vorhandenen Fördermaßnahmen für ihre Kinder informiert und wie erfolgt die Aufklärung über die Antragsstellung sowie das Verfahren für eine integrative Lerntherapie an Schulen? Zu 5.: Grundsätzlich sind sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch ihre Erziehungsberechtigten über die Notwendigkeit sowie Art und Umfang allgemeiner und besonderer Fördermaßnahmen der Schule durch die Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer in geeigneter Form zu informieren. Mit Schreiben vom 29.07.2015 sind alle Berliner Schulpsychologischen Beratungszentren, allgemein bildenden Schulen in öffentlicher und privater Trägerschaft, Jugendämter und Erziehungs- und Familienberatungsstellen über die „Gemeinsamen Ausführungsvorschriften zum Verfahrensablauf bei Anfragen zu Integrierter Lerntherapie “ (AV ILT) in Kenntnis gesetzt worden. Eltern bzw. Sorgeberechtigte können sich an eine schulische Institution oder einen Dienst wenden, wenn ihr Kind Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben oder Rechnen hat und die Vermutung einer erheblichen Teilleistungsstörung besteht , Leistungsversagen droht und die Einschränkung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu befürchten ist. Dort werden sie über das weitere Verfahren beraten. 6. Wie lange dauert ein durchschnittliches Verfahren von der Antragstellung über die Diagnostik bis zur Gewährung der Hilfe? Wie hat sich dieses Verfahren in der Praxis bewährt oder ist es möglicherweise zeitlich gesehen zu lang? Zu 6.: Das in der AV ILT verbindlich festgelegte Verfahren hat sich in der Praxis bewährt. Die Daten zur durchschnittlichen Verfahrensdauer von der Antragsstellung über die Diagnostik bis zur Gewährung der Hilfe werden nicht erhoben. 7. Wie schätzt der Senat die Wirksamkeit der AV ILT (Integrativen Lerntherapie an den Schulen) ein und wie viele Kinder erhielten mit welchem Erfolg seit Bestehen der AV entsprechende Fördermaßnahmen? (Bitte Gesamtzahl und Anzahl jeweils aufgelistet nach Jahresscheiben .) Zu 7.: Am Stichtag 31.12.2015 gab es in Berlin 2.223 Integrierte Lerntherapien gemäß § 35a Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Im Verlauf des Jahres 2015 wurden 778 Integrierte Lerntherapien gemäß § 35a SGB VIII beendet. Von diesen wurden bei ca. 90 % die im Hilfeplan festgelegten Ziele erreicht. 8. Über welchen Zeitraum dürfen Kinder ILT (Monate /Jahre) nutzen und was passiert, wenn dieser nicht ausreicht , um eine Verbesserung der Situation zu erreichen? Können die Fördermaßnahmen über die Klasse 6 hinaus auch für ältere Kinder erfolgen? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Voraussetzung der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche gemäß § 35a SGB VIII ist die Feststellung einerseits der Abweichung der seelischen Gesundheit von dem alterstypischen Zustand für eine bereits bestehende oder mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizierte Mindestdauer von sechs Monaten und andererseits als Folgezustand, die vorhandene und nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Eingliederungshilfe kann als Integrierte Lerntherapie, Ambulante Psychotherapie oder in Form sonstiger ambulanter Hilfen sowie als teilstationäre oder als stationäre Hilfen geleistet werden. Umfang und Dauer der Hilfe nach § 35a SGB VIII richtet sich nach dem individuellen Hilfebedarf des Betroffenen und wird im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII durch das Jugendamt ermittelt. Grundsätzlich kommen Eingliederungshilfen gemäß § 35a SGB VIII für alle jungen Menschen in Betracht, sofern die Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, auch für junge Volljährige. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 502 3 9. Wie können ILT-Maßnahmen durch außerschulische Angebote ergänzt werden, wenn ILT allein nicht ausreicht? Wer finanziert diese zusätzliche außerschulische Förderung? Zu 9.: Die Integrative Lerntherapie ist eine durch das Jugendamt ermittelte Hilfe für den jungen Menschen. Zudem stehen den jungen Menschen alle weiteren Leistungen und Angebote der Jugendhilfe und anderer Leistungsträger (z.B. nach dem Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V)) offen. 10. Was plant der Senat hinsichtlich einer neuen AV ILT, wenn die zurzeit geltende AV am 30. August 2017 außer Kraft getreten ist? Gibt es bereits Erkenntnisse hinsichtlich notwendiger inhaltlicher Ergänzungen? 11. Wird der Senat zur Erarbeitung der neuen AV Expertinnen und Experten aus den Bezirken hinzuziehen? Wenn ja, wer wird diesem Expertenkreis angehören? Zu 10. und 11.: Die termingerechte Fortschreibung der AV ILT befindet sich in Vorbereitung; es werden dazu die notwendigen Expertinnen und Experten der beteiligten Bereiche aus der für Bildung und Jugend zuständigen Senatsverwaltung sowie aus den Bezirken hinzugezogen. Berlin, den 02. März 2017 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2017)