Drucksache 18 / 10 512 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 20. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Februar 2017) und Antwort Unbegleitet junge Volljährige im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) und wie viele unbegleitete junge Volljährige (18 bis 21 Jahre) leben Zurzeit in Berlin? 3. Wie viele unbegleitete junge Volljährige (18 bis 21 Jahre) sind im Land Berlin im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht? Zu 1. und 3.: Am Stichtag 31.12.2016 waren 1.845 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sowie 424 unbegleitete junge Volljährige (18 bis 21 Jahre) in Berlin auf Grundlage des Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) stationär untergebracht. 2. Wie sind die UMF untergebracht (bitte unter Angabe der Unterbringungsform und Aufschlüsselung nach Bezirken)? Zu 2.: Die differenzierten Angaben sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Quelle: Hilfeplanstatistik der Berliner Jugendämter, UMA-Portal (Unbegleitete Minderjährige Ausländer) zum Stichtag 31.12.2016, eigene Berechnungen 4. Wie viele unbegleitete junge Volljährige (21 bis 27 Jahre) sind im Land Berlin im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht? Zu 4.: Am Stichtag 31.12.2016 waren 13 unbegleitete junge Volljährige im Altersbereich 21 bis 27 im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe stationär untergebracht. 5. Wie viele UMF im Land Berlin sind zwischen 17 und 18 Jahre alt und sollen diese im Regelfall auch nach ihrem 18. Geburtstag im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht bleiben? Zu 5.: Am Stichtag 31.12.2016 waren insg. 509 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im 18. Lebensjahr stationär von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bzw. den Berliner Jugendämtern untergebracht . Ob bei Erreichen der Volljährigkeit weiterhin ein Bedarf an Hilfe zur Erziehung oder einer anderen Leistungsform des SGB VIII (z.B. Unterbringung in einer Mutter/Kind-Einrichtung) besteht, wird für jeden Einzelfall im Rahmen einer individuellen Hilfeplanung festgestellt . Gem. § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen „Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist….“ gewährt werden. Hilfeart/Leistungsform Summe SenBildJugFam M F-K P C-W S S-Z T-S N T-K M-H L R § 19 SGB VIII gemeinsame Wohnformen für Mutter/Kind bzw. Vater/Kind 8 - 0 0 1 0 0 0 3 0 1 0 3 0 § 33 SGB VIII Vollzeitpflege 39 - 8 4 0 3 3 8 6 0 0 0 3 4 § 27 SGB VIII stationäre Hilfe zur Erziehung 4 - 0 2 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 § 34 SGB VIII stationäre Hilfe zur Erziehung 1032 - 79 81 92 97 105 60 125 90 102 77 90 34 § 35 SGB VIII intensive stationäre Hilfe zur Erziehung 7 - 1 0 1 0 0 0 0 1 0 4 0 0 § 35a SGB VIII stationäre Eingliederungshilfe 2 - 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 § 42 Inobhutnahme/Sozialpädagogische Krisenintervention 53 - 6 7 2 7 5 2 0 7 1 2 14 0 § 42 bzw. § 42 a SGB VIII Inobhutnahme bzw. temporäre Inobhutnahme im Rahmen Erstaufnahme- und Clearingphase 700 700 - - - - - - - - - - - - Gesamt 1845 700 94 94 97 108 113 70 134 99 105 83 110 38 Jugendhilfeträger (Senatsverwaltung/Bezirk) Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 512 2 6. Sofern UMF auch nach ihrem 18. Geburtstag im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht bleiben sollen: Was tut der Senat, um diese Jugendlichen in die Lage zu versetzen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Zu 6.: Gem. § 41 SGB VIII soll die Hilfe für junge Volljährige so lange gewährt werden, wie diese aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Hierbei wird die Regel bis zum 21. Lebensjahr im Gesetz definiert. Im Rahmen der individuellen Hilfeplanung wird in Abstimmung mit den Beteiligten vereinbart, mit welchen Schritten das Ziel der Verselbständigung erreicht werden kann. Dazu gehört z.B. auch die Unterstützung zum Erwerb eines Schulabschlusses (Lernbegleitung , Sprachkurse, sozialer Kompetenzerwerb etc.) und/oder die Suche nach einem beruflichen Orientierungskurs , einem Ausbildungsplatz oder einer beruflichen Tätigkeit. Auch nach Beendigung der Hilfe soll der junge Mensch bei seiner Verselbständigung im notwendigen Umfang beraten und unterstützt werden. 7. Mit welchen konkreten Maßnahmen stärkt der Senat die Arbeit von ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingshilfe ? Zu 7.: Dem Senat ist die Arbeit von ehrenamtlich Tätigen (im vorliegenden Kontext u.a. ehrenamtliche Vormünder , Patenschaftsprojekte, Freiwillige in Kitas und Schulen) in der Flüchtlingshilfe sehr wichtig. Er stärkt sie durch die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen: Einzelvormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Aufgrund der hohen Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und der großen Bereitschaft in der Bevölkerung , eine ehrenamtliche Vormundschaft im Rahmen eines bürgerlichen Engagements zu übernehmen, fördert die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBildJugFam) die Akquise, Schulung, Beratung und Betreuung ehrenamtlicher Vormünder. Im Jahr 2016 wurden 15 Informationsveranstaltungen für ehrenamtliche Vormünder mit 339 Teilnehmenden durchgeführt. Ebenso fanden zahlreiche Beratungsangebote für ehrenamtliche Vormünder zum Austausch und zur Reflexion ihrer Arbeit statt. Koordinierung Patenschaften für geflüchtete Kinder und Jugendliche Es besteht eine sehr große Bereitschaft in der Bevölkerung , ehrenamtliche Patenschaften für geflüchtete Kinder zu übernehmen. Die SenBildJugFam fördert zahlreiche Patenschaftsprogramme, deren Aufgabe darin besteht, geeignete ehrenamtliche Patinnen und Paten auszuwählen, Schulungen für diese durchzuführen und sie bei ihrer Tätigkeit fachlich zu begleiten. Aufgabe der Patenschaftsprogramme ist es ebenso, Kontakte zu Kindern, Jugendichen und deren Familien zu knüpfen, die ein Interesse haben, an einem Patenschaftsprogramm teilzunehmen . Durch die Unterstützung der Patenschaftsprogramme werden die notwendigen fachlichen Standards in der Patenschaftsarbeit gesichert. Durch die Maßnahme wird darüber hinaus eine Ausweitung der ehrenamtlichen Patenschaften ermöglicht. Angebote der Jugendverbände mit jungen Geflüchteten Seit 2015 bieten Berliner Jugendverbände und Migrantenjugendselbstorganisationen verstärkt Projekte für und mit jungen Geflüchteten an. Dieses Angebot, das durch die SenBildJugFam seit 2016 gefördert wird, dient der Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements und setzt auf Integration durch Begegnung und gegenseitige Verständigung. Der vom Berliner Senat geförderte Landesjugendring berät und begleitet die Jugendverbände und Migrantenjugendselbstorganisationen. Stadtteilzentren und Projekte der Willkommenskultur Stadteilzentren (STZ) sind als Einrichtungen der Nachbarschaftsarbeit und Selbsthilfe im besonderen Maße geeignet, die Koordination und Organisation der freiwillig Tätigen im Bereich der Entwicklung und Verstetigung von Strukturen der Willkommenskultur und der lebendigen Nachbarschaft zu übernehmen. Für die zusätzlichen Herausforderungen, Flüchtlinge in Nachbarschaften zu integrieren und fremdenfeindlichen Aktionen entgegen zu wirken, stehen den dreißig landesgeförderten Stadtteilzentren mit ihren sozialkulturellen und demokratiefördernden Ansätzen ca. 600.000 € zusätzlich pro Jahr zur Verfügung. In Abhängigkeit der lokalen Bedarfe und Ressourcen erfolgen Schwerpunktsetzungen wie die Vernetzung der Nachbarschaft, die Ermöglichung von Begegnungen und die Informationsweitergabe. Strukturelle Unterstützung der Willkommensinitiativen und Bündnisse Mehr als 60 Projekte von Initiativen und Bündnissen in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe konnten im Jahr 2016 für schnelle Hilfsmaßnahmen mit insgesamt 140.000 € aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin gefördert werden. Darüber hinaus wurden von der damaligen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zur Unterstützung und nachhaltigen Etablierung ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagements weitere 266.000 € zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wurden mehr als 50 - insbesondere kleine Projekte und Initiativen - unterstützt, deren freiwilliges Engagement Integration und gesellschaftliche Teilhabe geflüchteter Menschen befördert. Generell richtete sich diese Unterstützung an alle gemeinnützigen Organisationen und Initiativen, welche in der Flüchtlingshilfe oder im Bereich der Integration von Migranten tätig sind; dies schließt u.a. auch die Förderung von IT-gestützten Lösungen zu Information und Wissenstransfer ein. Für 2017 ist eine Weiterführung dieser Unterstützungsmöglichkeiten für Projekte ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in ähnlicher Höhe vorgesehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 512 3 Zur Qualifizierung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer zählt auch die Vermittlung von Kompetenzen z.B. im Konfliktmanagement. Mit bis zu 68.000 € wird das STZ Steglitz im Jahr 2017 gefördert, um einen berlinweiten Konfliktlotsenpool aufzubauen. Damit wird eine Infrastruktur geschaffen, welche dazu dient, das vorhandene Potenzial an ehrenamtlichen Konfliktlotsen und Supervisoren zu aktivieren, zu bündeln und zielgerichtet mit den Bedarfen der Initiativen/Unterkünften etc. zu matchen. Koordination und Vernetzung der beteiligten Akteure (u.a. zwischen Freiwilligen, Verwaltungen, Betreibern und Trägern) Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) setzen den Anspruch von Transparenz und Kommunikation u.a. durch die Jour fixe Formate um: Im 14-tägigen „Jour fixe Ehrenamtskoordination Bezirke “ verständigen sich Koordinatorinnen und Koordinatoren in der Flüchtlingshilfe der Bezirke, die SenIAS, das LAF, das Flüchtlingshilfe-Netzwerk „Berlin hilft“ als berlinweiter Netzwerk-Vertreter lokaler Willkommensund Unterstützungsbündnisse, die Stiftung „Gute Tat“, der Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin sowie Vertreterinnen und Vertreter von Freiwilligenagenturen zu aktuellen Themen ehrenamtlichen Engagements im Rahmen der Berliner Flüchtlingshilfe. Seit September 2016 etablieren die für Soziales zuständige Senatsverwaltung und das LAF regelmäßige berlinweite monatliche Veranstaltungen „Jour fixe Ehrenamtskoordination an Unterkünften“, dies mit den Zielen der Informationsaufnahme und Vernetzung untereinander sowie mit Initiativen bezirklicher Ehrenamtskoordination und weiterer Gremien des Erfahrungsaustausches untereinander sowie des Austausches mit Institutionen und Ämtern , der Impulssetzung für die qualitative Entwicklung des Aufgabenfeldes Ehrenamtskoordination, der Erhebung , Zuordnung und Erfüllung von Wissensbedarfen und der Sensibilisierung für Ehrenamtliche und Willkommensinitiativen . Seit November 2016 werden die Veranstaltungen weiterhin monatlich, jedoch regional durchgeführt. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und das LAF haben die Landesfreiwilligenagentur Berlin beauftragt, im Rahmen des „Beratungsforum Engagement “ z.B. folgende Leistungen zu erbringen: Angebot geeigneter Qualifikationen im Freiwilligenmanagement, die Entwicklung von Leitfäden im Freiwilligenmanagement , die Etablierung von 4 regionalen Anlaufstellen für Freiwilligenmanagement und die Durchführung regelmäßiger Jour fixe-Veranstaltungen sowie eine Jahresfachtagung zur Vorstellung u.a. aktueller good-practice- Beispiele. Freiwilligenpass Flüchtlingshilfe und feierliche Verleihungsveranstaltungen im Berliner Rathaus Speziell für die vielen freiwillig Aktiven in der Flüchtlingshilfe wurde das bekannte Anerkennungsinstrument „Berliner FreiwilligenPass“ zur Anerkennung des spontanen Engagement für Geflüchtete um einen Freiwilligen- Pass Flüchtlingshilfe erweitert. Im Rahmen der Anerkennungskultur für geleistetes ehrenamtliches Engagement verleiht die für Soziales zuständige Senatsverwaltung drei Mal im Jahr Berliner FreiwilligenPässe, Schüler FreiwilligenPässe und Freiwilligen Pässe Flüchtlingshilfe im Berliner Rathaus. Der FreiwilligenPass Flüchtlingshilfe wird am 21.03.2017 zum zweiten Mal in diesem Rahmen verliehen. Berlin, den 10. März 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mrz. 2017)