Drucksache 18 / 10 529 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert (LINKE) vom 23. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2017) und Antwort Mindestlohnumgehungen im Berliner Taxigewerbe Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil spezielle Daten und Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort zukommen zu lassen und hat daher die für den Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zuständige Generalzolldirektion um Mitwirkung gebeten. Die Generalzolldirektion hat das an sie gerichtete Mitwirkungsersuchen zur Bearbeitung an das Bundesministerium der Finanzen weitergeleitet . Die dort in eigener Verantwortung erstellte Stellungnahme ist nachfolgend in ihren maßgeblichen Teilen wiedergegeben. 1. Welche Maßnahmen wird der Senat ergreifen, um Mindestlohnumgehungen im Taxigewerbe effektiv zu bekämpfen? Zu 1.: Die Bekämpfung nahezu aller Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung obliegt im gesamten Bundesgebiet und in allen Wirtschaftszweigen , mithin auch im hiesigen Taxengewerbe, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung . In diesem Zusammenhang führt die FKS im Taxengewerbe, wie auch in anderen Branchen, Prüfungen und Ermittlungen auf Grundlage des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) durch. Dabei wird auch geprüft, ob Mindestlohnunterschreitungen vorliegen. Die Arbeitsstatistik der FKS sieht eine gesonderte Erfassung des Taxigewerbes nicht vor. In der Arbeitsstatistik wird das Personenbeförderungsgewerbe erfasst, zu dem unter anderem auch das Taxigewerbe zählt. Die FKS des Hauptzollamts Berlin hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG im Jahr 2016 im Personenbeförderungsgewerbe die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Ergebnisse erzielt. Ergebnisse der FKS im Personenbeförderungsgewerbe in Berlin 2016 Personenbefragungen 424 Anzahl von Personen, die anhand von Geschäftsunterlagen geprüft wurden 197 Prüfungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern 77 Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Straftaten 11 Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Straftaten 25 Summe der Geldstrafen aus Urteilen und Strafbefehlen 16.475,00 € Summe der erwirkten Freiheitsstrafe (in Jahren) 5,3 Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten 5 Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten 3 Summe der festgesetzten Geldbußen, Verwarnungsgelder und Verfall 3.000,00 € Schadenssumme im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen Ermittlungen 110.059,88 € Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 529 2 2. Was gedenkt der Senat insbesondere gegen die im Tagesspiegel vom 20. Februar 2017 beschriebene Praxis im Berliner Taxigewerbe zu unternehmen, mittels der im Artikel genannten „Totmann-Taste“ Wartezeiten als unbezahlte Pausenzeiten zu deklarieren, obwohl dies nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Berlin- Brandenburg klar rechtswidrig ist? Zu 2.: Die Verwendung sogenannter Totmanntasten in Taxen, die zur Erfassung der Arbeitszeit der dortigen Beschäftigten dienen, verstößt nicht generell gegen geltendes Arbeitsrecht. Ihr Einsatz unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz ggf. der Mitbestimmung . Da die im Taxameter verbauten Totmanntasten auch nicht der Fahrpreisermittlung dienen bzw. Einfluss auf dieselbe haben, finden die Vorschriften des Eichrechts und des Personenbeförderungsrechts auf sie keine Anwendung . Soweit durch den Einsatz sogenannter Totmanntasten in Taxen reguläre Stand- bzw. Wartezeiten als Pausenzeiten deklariert werden sollen, ist dies allerdings nicht mit den geltenden arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zu vereinbaren. Reguläre Standzeiten, während derer auf den nächsten Kunden gewartet wird, gehören zur Arbeitszeit. Ordnet eine Arbeitgeberin bzw. ein Arbeitgeber an, dass die Totmanntaste in dieser Zeit nicht gedrückt werden darf, liegt dennoch keine Pause im arbeitszeitrechtlichen Sinn vor. Vielmehr ist diese Wartezeit wie Bereitschaftsdienst zu werten. Bereitschaftsdienste gehören auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeit. Dem Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) liegen gegenwärtig allerdings keine Erkenntnisse vor, dass im hiesigen Taxengewerbe – quasi flächendeckend – gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird. Entsprechende Beschwerden liegen dort nicht vor. Gleichwohl wird die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales die aktuelle Presseberichtserstattung zum Anlass nehmen, um die in Berlin ansässigen Taxiverbände über die vorgenannte Rechtslage in einem gesonderten Schreiben zu informieren und auf die Einhaltung der geltenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen hinzuwirken. Sofern in arbeitsgerichtlichen Streitverfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns bekannt werden, wird hiervon auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen regelmäßig auch die FKS Berlin unterrichtet. 3. Was gedenkt der Senat gegen die ausufernde Schwarzarbeit im Taxigewerbe zu unternehmen und wie will er Beschäftigte vor Ausbeutung durch illegale Geschäftsmodelle schützen? Zu 3.: Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung breiten sich vor allem dort leichter aus, wo das Bewusstsein für die Illegalität dieser Verhaltensweisen in der Bevölkerung gering ausgebildet ist. Zur Eindämmung von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Mindestlohnunterschreitungen setzt der Senat deshalb vor allem auf fortwährende Maßnahmen der Information und Aufklärung über die negativen Auswirkungen dieser schattenwirtschaftlichen Aktivitäten. Hierzu besteht bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales die Zentrale Informations- und Anlaufstelle zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Land Berlin. Die Verfolgung nahezu aller Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung obliegt im gesamten Bundesgebiet und in allen Wirtschaftszweigen, mithin auch im hiesigen Taxengewerbe, vorrangig der FKS der Bundeszollverwaltung. Dies gilt entsprechend auch für die Überwachung der Einhaltung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Hierbei arbeiten die zuständigen Berliner Landesbehörden bereits intensiv mit der FKS zusammen. Fällen von Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit begegnet die Berliner Steuerverwaltung mit geeigneten Prüfungs- und Kontrollmaßnahmen. Hierbei erfolgt die Überprüfung dieser und anderer Unternehmen grundsätzlich unter Abwägung aller steuerlichen Risikogesichtspunkte im Rahmen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens durch den Innendienst der Finanzämter, ggf. durch eine Außenprüfung oder Maßnahmen der Steueraufsicht (Aufdeckung unbekannter Steuerfälle). Auch im Taxengewerbe gibt es Fälle von Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit. Seit Anfang dieses Jahres werden Taxiunternehmen verstärkt durch die Berliner Steuerverwaltung überprüft. Zwecks Intensivierung der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches der Taxigenehmigungs- und Aufsichtsbehörden (Berlin: Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – LABO) mit der FKS hat sich Berlin im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung erfolgreich dafür eingesetzt, dass der in § 2 Abs. 2 SchwarzArbG genannte Kreis der Zusammenarbeitsbehörden um die nach § 46 des Personenbeförderungsgesetzes zuständigen Behörden erweitert wird. Das vorgenannte Gesetz ist am 10. März 2017 in Kraft getreten (BGBl. I S. 399 ff.). Im Übrigen ist die verstärkte Bekämpfung der Schwarzarbeit im hiesigen Taxengewerbe auch Bestandteil des Handlungskonzepts zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft und des Steuerbetrugs im Berliner Taxengewerbe , das von einer bereits im September 2016 gegründeten ressortübergreifenden Arbeitsgruppe erarbeitet wurde. In dieser Arbeitsgruppe wirken unter Leitung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auch die für Finanzen, Arbeit, Inneres und Wirtschaft zuständigen Senatsverwaltungen sowie das Hauptzollamt Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 529 3 Berlin (FKS), das LABO sowie anlassbezogen das Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg sowie das Landeskriminalamt mit. Hintergrund für die Gründung der vorgenannten Arbeitsgruppe und die Erarbeitung des vorgenannten Handlungskonzepts sind die Erkenntnisse der im Juni 2016 veröffentlichten Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit des Taxigewerbes in der Bundeshauptstadt Berlin. Das vorgenannte Handlungskonzept befindet sich gegenwärtig in der abschließenden Ressortabstimmung und wird anschließend zeitnah von den jeweils zuständigen Dienststellen umgesetzt. Berlin, den 13. März 2017 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mrz. 2017)