Drucksache 18 / 10 533 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) vom 27. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Februar 2017) und Antwort Der ungewollte Bürger - verhindert der Senat Bürgerbeteiligung durch fehlende Standards bei Volksbegehren in den Bezirksämtern? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Standards gibt es bei der Durchführung von Volksbegehren? a. in Bezug auf die Öffnungszeiten der Auslegungsstellen b. in Bezug auf die Anzahl von Auslegungsstellen je Einwohner c. in Bezug auf die Lage und Erreichbarkeit der Auslegungsstellen (bspw. gute Erreichbarkeit des Stockwerks) d. in Bezug auf das Prozedere bei den Auslegungsstellen (bspw. besondere Warteschlange für Teilnehmer /-innen, damit diese nicht 30 Min. und länger warten müssen etc.) e. in Bezug auf die Schulung der Mitarbeiter/-innen (Pförtnerdienste, Bürgerdienste etc.) f. in Bezug auf die Ausschilderung der Auslegungsstellen g. in Bezug auf die Aushänge zum Ablauf in den Ämtern h. in Bezug auf die Barrierefreiheit der Auslegestellen i. weitere relevante Aspekte, die jedem/jeder Bürger /-in eine einfache Teilnahme ermöglichen sollen Zu 1.: Die Durchführung eines Volksbegehrens richtet sich nach den Vorschriften des Abstimmungsgesetzes (AbstG). Diese Vorgaben hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mehrfach konkretisiert. Auf diese Entscheidungen wird verwiesen (vgl. u. a. VerfGH Berlin, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 86/08 -, Beschluss vom 18. Mai 2000 - 78/99 -). Dementsprechend bestimmt die Landesabstimmungsleiterin nach § 21 Absatz 1 Satz 1 AbstG einheitlich Tage und Zeiten, an denen in amtlichen Auslegungsstellen die Eintragungen vorgenommen werden können. Für die Auslegung wurden folgende Zeiten bestimmt: Montag von 8 bis 15 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 11 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag von 8 bis 13 Uhr. Darüber hinaus kann in den Bürgerämtern, die zu Auslegungsstellen bestimmt wurden, die Eintragung zu den für diese Ämter geltenden Öffnungszeiten vorgenommen werden. Die amtlichen Auslegungsstellen werden nach § 21 Absatz 1 Satz 2 AbstG von den verantwortlichen Bezirksabstimmungsleitungen nach Maßgabe des § 21 Absatz 2 Satz 1 AbstG und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin festgelegt. Insgesamt wurden für das aktuelle Volksbegehren 35 amtliche Auslegungsstellen vorgesehen. Die Auslegungsstellen sind gut erreichbar und mit nur wenigen Ausnahmen barrierefrei. Alle sind ausreichend ausgeschildert und mit Aushängen versehen. Die Durchführung eines Volksbegehrens ist eine regelmäßig wiederkehrende Aufgabe, die von der Verwaltung in bewährter Weise durchgeführt wird. Die Dienstkräfte werden allgemein über ein stattfindendes Volksbegehren informiert und gegebenenfalls im erforderlichen Maß in die Aufgaben eingewiesen. Die Ausgabe von Vordrucken erfordert auch keine besondere Schulung. Die Erklärungsvordrucke liegen regelmäßig frei zugänglich aus. Wartezeiten, wie durch die Fragestellung suggeriert , sind nicht üblich. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 533 2 2. Sieht der Senat einen Verbesserungsbedarf bei den Durchführungsstandards von Volksbegehren? a. Wenn ja, in welcher Form und bis wann will er Veränderungen herbeiführen? b. Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Der Senat sieht gegenwärtig keinen Anlass, die bewährten und sachgerechten Verfahrensweisen bei der Durchführung von Volksbegehren zu ändern. 3. Wann spricht der Senat von einer ordnungsgemäßen Durchführung eines Volksbegehrens unter besonderer Berücksichtigung der oben genannten Punkte? Zu 3.: Der Senat hat keinen Anlass, an der ordnungsgemäßen Durchführung der Volksbegehren durch die unabhängige Landesabstimmungsleiterin und die Bezirksabstimmungsleitungen zu zweifeln. 4. Hat der Senat ein Interesse, dass alle Berliner/- innen, egal in welchem Bezirk sie leben, gleiche Teilnahmemöglichkeit an Volksbegehren haben? a. Wenn ja, was tut er dafür? b. Wenn nein, warum nicht? Zu 4.: Ja. Die Teilnahme der Berlinerinnen und Berliner am Volksbegehren ist auf verschiedenen Wegen unabhängig vom jeweiligen Wohnsitz sichergestellt. Es besteht ein ausreichendes Angebot an amtlichen Auslegungsstellen in den Bezirken. Im Weiteren besteht für stimmberechtigte Personen die Möglichkeit, den amtlichen Erklärungsbogen beim Bezirkswahlamt anzufordern oder im Internetangebot der Landesabstimmungsleiterin herunterzuladen und ausgefüllt an ein Bezirkswahlamt oder die Trägerin zu übersenden. Die gesetzlich ermöglichte freie Sammlung liegt dagegen ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Trägerin. Zu diesem Zweck erhält sie unterstützend von der Landesabstimmungsleiterin eine angemessene Zahl von amtlichen Unterschriftslisten und –bögen. Es ist gerade nicht Sache des Senats und der Berliner Verwaltung, um Unterstützung für ein Volksbegehren zu werben. Die Mobilisierung der Bevölkerung für ein Volksbegehren obliegt grundsätzlich einer Trägerin. 5. Wie viele Beschwerden über die Durchführung des „Volksbegehren über den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel „Otto-Lilienthal“ (TXL)“ gab es beim Senat, der Landesabstimmungsleiterin, den Bezirksämtern und anderen Einrichtungen des Landes Berlin? Wie viele dieser Beschwerden betrafen organisatorische Mängel? Um welche Mängel handelte es sich? Wie viele dieser Mängel wurden innerhalb einer 2 Wochen-Frist behoben? Gab es Beschwerden zu organisatorischen Mängeln, die nicht behoben wurden? Wenn ja, wie hoch war die Anzahl und warum wurden sie nicht behoben? Zu 5.: Es sind zwei Beschwerden des FDP- Landesverbands Berlin bei der Landesabstimmungsleiterin eingegangen. Weitere Beschwerden sind der Landesabstimmungsleiterin , den Bezirksämtern und der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht bekannt. Den zwei Beschwerden wurde seitens der Landesabstimmungsleiterin umgehend nachgegangen. Gegenstand der Beanstandungen waren unzulängliche Ausschilderungen von Auslegungsstellen, eine erschwerte Zugänglichkeit zu Unterschriftslisten, zerrissene und damit unbrauchbare Unterschriftslisten und lange Wartezeiten für die Formularausgabe. Im Ergebnis der Überprüfung konnten die genannten Mängel vor Ort nicht festgestellt werden (siehe auch Antwort zu 1.). 6. Wie bewertet der Senat die Kritik von Initiatoren von Volksbegehren, wonach diese den Senat eher als Behinderer anstatt Beförderer von Bürgerbeteiligung sehen, insbesondere, wenn geforderte Positionen nicht der aktuellen Senatslinie entsprechen? Sollte das Instrument des Volksbegehrens nicht auch als politischer Seismograph genutzt werden, um mehr Menschen in der Stadt einzubeziehen, auch wenn dies Kompromissbereitschaft und Kreativität des Senats erfordert? Zu 6.: Der Senat fühlt sich der Bürgerbeteiligung in besonderer Weise verpflichtet. Dieses spiegelt sich auch in den Richtlinien der Regierungspolitik wieder, die für diese Legislaturperiode unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner vorsieht. Der Senat verwahrt sich gegen die Unterstellung, Volksbegehren zu behindern. Berlin, den 15. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Mrz. 2017)