Drucksache 18 / 10 537 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten June Tomiak (GRÜNE) vom 27. Februar 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Februar 2017) und Antwort Anschläge auf religiöse Institutionen II - Synagogen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Melde-dienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik “ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren . Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – ggf. bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unterals auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen . Zur Beantwortung der Anfrage werden die Daten des Zeitraums Januar bis Dezember 2016 (Tag der Erhebung: 1. März 2017) zugrunde gelegt, bei denen als Tatörtlichkeit beziehungsweise Angriffsziel der Katalogbegriff „Religion“ beziehungsweise als geschädigte Organisation eine Religionsgemeinschaft erfasst wurde. Eine weitere Differenzierung nach Synagogen wurde manuell vorgenommen . Dabei wurden auch die Fälle zum Nachteil von jüdischen Einrichtungen manuell herausgefiltert, sofern dies anhand der Sachverhaltsdarstellung ersichtlich war. Eine automatisierte Recherche ist aufgrund fehlender Katalogbegriffe nicht möglich. Die Fragestellungen enthalten keine Definitionen der genutzten Begrifflichkeiten „An-griffe“ beziehungsweise „Anschläge“. Insofern wurde zur Beantwortung auf begangene Straftaten aller Art zum Nachteil von Synagogen oder jüdischen Einrichtungen abgestellt. Aufgrund des Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz und der damit verbundenen polizeilichen Maßnahmen sind im KPMD-PMK erhebliche Erfassungsrückstände zu verzeichnen, die bislang noch nicht aufgearbeitet werden konnten. Valide Fallzahlen für das Jahr 2016 liegen demnach nicht vor. Gleichwohl handelt es sich um die Fallzahlen, die auch im Jahresbericht PMK für das Jahr 2016 Verwendung finden. 1. Wie viele Angriffe/ Anschläge/ Sachbeschädigungen / Einschüchterungsversuche wurden nach Kenntnis des Senats im Jahr 2016 auf Synagogen, jüdische Vereine, Verbände, Friedhöfe oder sonstige Gebäudekomplexe, die mit Menschen jüdischen Glaubens assoziiert werden könnten, begangen? Bitte aufschlüsseln nach Tatzeit, Name der Einrichtung, Bezirk, Deliktart sowie Kategorisierung des Vorfalls in polizeilichen Meldesystemen. Falls möglich, bitte kurz Geschehnisse umreißen. 2. In wie vielen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, in wie vielen Fällen konnten ein*e oder mehrere Täter*innen ermittelt werden, in wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen? Bitte aufschlüsseln und mit jeweiligem Vorfall verknüpfen. Zu 1. und 2.: Die Beantwortung erfolgt in Tabellenform , siehe Anlage 1. Die Sortierung in der Tabelle erfolgt nach der Tatzeit. Alle verwendeten Abkürzungen werden dort im Anschluss in der Legende erläutert. Die Begrifflichkeit „Einschüchterungsversuche“ stellt kein Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 537 2 Kriterium des KPMD-PMK dar und kann deshalb nicht ausgewertet werden. Statistische Erhebungen zu Verurteilungen in Fällen von Angriffen, Anschlägen sowie Sachbeschädigungen und Einschüchterungsversuchen auf religiöse Institutionen werden nicht durchgeführt. Daher ist dazu keine Auskunft möglich. 3. Hält der Senat zusätzliche Sicherungsmaßnahmen an der jüdischen Glaubensgemeinschaft zuzurechnenden Gebäuden gemäß aktueller Einschätzung der Sicherheitslage für notwendig? Falls ja, welche Maßnahmen werden seitens des Senats zum Schutz der individuellen Freiheit der Religionsausübung getroffen? Zu 3.: Aufgrund der derzeitigen Beurteilung der Gefährdungslage für Synagogen oder jüdische Einrichtungen werden keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen als die bisher getroffenen für notwendig erachtet. Eine Beurteilung der Gefährdungslage erfolgt fort-laufend und berücksichtigt auch aktuelle Entwicklungen. Sollten gefährdungsrelevante Aspekte polizeiliches Handeln erforderlich machen, werden durch die Polizei Berlin, in Abstimmung mit anderen Behörden und Institutionen, lageangepasste Maßnahmen initiiert bzw. durchgeführt. 4. Wie viele Pressemitteilungen der Polizei Berlin mit Bezug auf die unter 1. und 2. genannten Fälle wurden veröffentlicht? a) Welche Kriterien müssen im Einzelfall erfüllt sein, damit die Polizei Berlin eine Pressemitteilung herausgibt? Zu 4.: Zu einem Diebstahl von zwei Gedenktafeln in einem jüdischen Gymnasium wurde eine Pressemitteilung durch die Polizei Berlin veröffentlicht. Entscheidende Gesichtspunkte für die Veröffentlichung einer Pressemeldung sind in der Regel die Schwere der Tat, die Aktualität der Ereignisse und mögliche Besonderheiten in den jeweiligen Deliktsformen. Ein weiteres Kriterium kann auch ein besonders großes Interesse der Öffentlichkeit sein. In den letzten Jahren konnte festgestellt werden, dass für Meldungen/ Nachrichten der Faktor Aktualität als besonders relevant gilt. Dies kann dazu führen, dass bei „verspätet“ eingehenden bzw. bekannt gewordenen Sachverhalten trotz meldewürdigen Inhalts keine Pressemitteilung veröffentlicht wird. Darüber hinaus ist es erforderlich, in allen Fällen, bei denen die Veröffentlichung einer Pressemeldung Einfluss auf die weiteren Ermittlungen haben könnte, diese mit den für die Ermittlungen zuständigen Dienststellen der Schutz- bzw. Kriminalpolizei sowie der zuständigen Staatsanwaltschaft Berlin abzustimmen. Berlin, den 13. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2017) Anlage 1 – Schriftliche Anfrage Nr.: 18/10537 – Tabelle zu Frage 1 und 2 Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name Presse Nicht zuzuordnen § 86a StGB ohne 11.01.2016 08:55:00 Unbekannte Täter zeichneten an die Tafel eines jüdischen Gymnasiums ein Hakenkreuz und die Zahl "88". Es ist in Betracht zu ziehen, dass es sich bei dem Täter um einen Schüler des Gymnasiums handelt. Eine rechtsgerichtete Motivation erscheint daher sehr unwahrscheinlich . Große Hamburger Str. Mitte nein Jüdisches Gymnasium nein PMK - rechts § 130 StGB asm; 11.01.2016 22:00:00 Der Beschuldigte sandte an einen weitgefassten Empfängerkreis, der vorwiegend aus jüdischen Einrichtungen im Bundesgebiet besteht, verschiedene Emails mit volksverhetzendem Inhalt . Senftenberger Ring Märkisches Viertel ja diverse jüdische Einrichtungen nein Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name Presse Nicht zuzuordnen § 86a StGB ohne 25.01.2016 10:25:00 Unbekannte Täter zeichneten im jüdischen Gymnasium mit Kreide ein Hakenkreuz an die Wandtafel. Es ist in Betracht zu ziehen, dass es sich bei dem Täter um einen Schüler des Gymnasiums handelt. Eine rechtsgerichtete Motivation erscheint daher sehr unwahrscheinlich . Große Hamburger Str. Mitte nein Jüdisches Gymnasium nein Nicht zuzuordnen § 86a StGB ohne 09.02.2016 10:35:00 Unbekannte Täter zeichneten Hakenkreuze an die Wand einer jüdischen Schule. Da diese Schule von Wachpolizisten und privaten Sicherheitskräften während des Schulunterrichts bewacht wird, ist in Betracht zu ziehen, dass es sich bei den Tätern um Schüler handelt. Eine rechtsgerichtete Motivation erscheint daher sehr unwahrscheinlich. Große Hamburger Str. Mitte nein Jüdisches Gymnasium nein Phänomen Zähldelikt Thema Tatzeit Sachverhalt Straße Ortsteil geklärt Name Presse PMK - rechts § 242 StGB asm; 18.04.2016 09:00:00 Unbekannte Täter entwendeten zwei Gedenktafeln der jüdischen Schule. Lassenstr. Grunewald nein Hildegard- Wegscheider- Gymnasium ja PM Nr. 1013/16 PMK - rechts § 86a StGB asm;V/P; 26.04.2016 Die Geschädigte stellte in der Schule fest, dass unbekannte Täter ein Hakenkreuz in die Innenseite ihre Jacke gezeichnet hatten. Bei der Schule handelt es sich um ein jüdisches Gymnasium . Große Hamburger Str. Mitte nein Jüdisches Gymnasium Moses Mendelssohn nein PMK - rechts § 305 StGB asm; 02.06.2016 07:00:00 Unbekannte Täter beschädigten eine Verkleidungsplatte des jüdischen Friedhofes. Schönhauser Allee Prenzlauer Berg nein Jüdischer Friedhof nein PMK - rechts § 303 StGB asm; 04.10.2016 08:00:00 Unbekannte Täter zeichneten einen Davidstern an die Außenmauer vom jüdischen Gymnasium. Große Hamburger Str. Mitte nein Jüdisches Gymnasium nein Legende: Abkürzung Bezeichnung Abkürzungen in den Spaltenköpfen Phänomen Phänomenbereich Thema Themenfeld bzw. Unterthema eines Falls Abkürzungen in den Spalten (außer Spalte „Thema“) Nicht zuzuordnen Bereich „Sonstige/Nicht zuzuordnen“ Abkürzung Bezeichnung Abkürzungen in den Spaltenköpfen PMK - rechts Politisch motivierte Kriminalität - rechts StGB Strafgesetzbuch Abkürzungen in der Spalte „Thema“ asm antisemitisch ohne Staatsschutzkriminalität ohne explizite politische Motivation V/P Verherrlichung Propaganda S18-10537 ~2788551