Drucksache 18 / 10 609 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 03. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2017) und Antwort Auseinandersetzung zwischen Anhängern von Hertha BSC und Eintracht Frankfurt am 25.02.2017 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Auf welcher Entscheidungsgrundlage wurde die Begegnung Hertha BSC gegen Eintracht Frankfurt am 25.02.2017 zu einem Hochsicherheitsspiel eingestuft? Zu 1.: Der Deutsche Fußball Bund (DFB) hat diese Begegnung entsprechend der Verbandsrichtlinien (§ 32 der Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundes -spielen des DFB) als „Spiel mit erhöhtem Risiko“ eingestuft und eine Sicherheitsaufsicht eingesetzt. Die polizeiliche Einstufung der Veranstaltung hängt von diversen Faktoren ab und wird von der Landesinformationsstelle Sporteinsätze vorgenommen. Das zuständige Polizeipräsidium Frankfurt am Main hat im Rahmen des bundesweiten Informationsaustausches der Polizei Berlin Informationen zukommen lassen, die Aussagen treffen über: - Anzahl und Zusammensetzung der Frankfurter Gästefans, - deren beabsichtigter Reisewege, - Verhaltensweisen der Problemfangruppen und - Fanverhältnis der Fangruppen aus Frankfurter Sicht. Ferner werden zur Einstufung der Begegnung die Erkenntnisse über die heimischen (Problem-) Fans gesammelt , zusammengeführt und bewertet. Auch zurückliegende Spielbegegnungen beider Vereine wurden bei der Lagebilderstellung berücksichtigt. In der Gesamtschau wurde diese Begegnung als „störanfällig“ eingestuft. Eine Einstufung als Hochsicherheitsspiel erfolgte demzufolge nicht. 2. Welches Sicherheitskonzept bzw. welche Sicherheitsmaßnahmen wurden zum Spieltag um-gesetzt? Zu 2.: Grundlage der polizeilichen Maßnahmen der Saisonspiele 2016 / 2017 ist ein Rahmenbefehl der Polizeidirektion 2 anlässlich von Fußballspielen im Berliner Olympiastadion. In dieser Einsatzunterlage ist u.a. festgelegt , dass bei Spielen, die als „störanfällig“ bewertet werden , der Fantrennung eine zentrale Bedeutung zukommen muss. An dieser konzeptionellen Festlegung orientiert, wurden die Einsatzmaßnahmen geplant und am Spieltag umgesetzt. Das Sicherheitskonzept für dieses Spiel liegt in der Zuständigkeit des Veranstalters. 3. Waren die Anfahrtswege und Anfahrtszeiten der anreisenden Auswärtsfans von Eintracht Frankfurt im Vorfeld und/oder am Spieltag bekannt? Zu 3.: Nein. Aus Frankfurt wurde lediglich darauf verwiesen, dass individuell mit PKW, Kleinbussen, mehreren Reisebussen oder Zügen angereist werden könnte. 4. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, dass es nach den Ausschreitungen in den letzten Jahren zwischen Anhängern von Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Union Berlin bzw. Hertha BSC nicht wieder zu Auseinandersetzungen kommt? Insbesondere: a. Wurde eine räumliche Trennung der Fangruppen angestrebt und wie sah das zugrundeliegende Konzept aus? Zu 4.a: Grundsätzlich werden bei Risikospielen zwei unterschiedliche Raumschutzbereiche zur Gäste- und Heimfanbetreuung eingerichtet. Dies geschah auch am 25. Februar 2017. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 609 2 Darüber hinaus wurde innerhalb des Olympiastadions eine sogenannte Sektorentrennung durchgeführt, welche mittels Zäunen und Sichtschutz ein Aufeinander-treffen der Fans verhindert. Durch den Veranstalter wurde die optische Sektorentrennung durch Angehörige des Ordnungsdienstes verstärkt. Auf Grund der vor dem Spiel stattgefundenen Auseinandersetzung wurde nach dem Spiel eine konsequente Fantrennung außerhalb des Stadions vorgenommen. b. Gab es Vorkehrungen, an- und abreisende Fangruppen zu begleiten, wenn ja, in welchem Zeitraum und in welchem Gebiet? Zu 4.b: Es standen ab 14:00 Uhr Einsatzkräfte am Bahnhof Spandau und im Nahbereich des Olympiastadions zur Verfügung. Ab 15:30 Uhr wurde die Begleitung der an- und abreisenden Fangruppen durch die Einsatzkräfte der Raumschutzbereiche übernommen. 5. War den Sicherheitsorganen bekannt, dass eine Gruppe von über 100 Anhängern von Eintracht Frankfurt am Samstagvormittag am Berliner Hauptbahnhof ankommen soll? Wenn ja, welche Maß-nahmen wurden ergriffen? Zu 5.: Der Polizei war bekannt, dass diverse Bahnverbindungen mit dem Ziel Hauptbahnhof genutzt werden könnten. Aus diesem Grund traf die Bundespolizei entsprechende Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich. 6. Wann haben Sicherheitsbehörden erfahren, dass Gruppen bzw. eine große Gruppe von Eintracht Frankfurt- Anhängern in Richtung Berlin Wedding unterwegs war? Welche Maßnahmen wurden unternommen? Zu 6.: Eine Fanbewegung in diesem Bereich war nicht bekannt; auch eine derartige Absicht nicht. Durch Einsatzkräfte des Funkwageneinsatzdienstes wurden gegen 12:45 Uhr Kleingruppen im Bereich Perleberger Str. / Birkenstraße, in Berlin Moabit, festgestellt und nach einer kurzen Beobachtungszeit dieser Gruppen umgehend Unterstützungskräfte angefordert. Ein direkter Bezug zur späteren Fußballbegegnung konnte erst im Verlauf der weiteren Maßnahmen hergestellt werden. 7. Ist der Marsch von Anhängern von Auswärtsmannschaften in Richtung von lokalen Fantreffs ein üblicher Vorgang? Zu 7.: In der Vergangenheit fanden grundsätzlich keine gezielten Märsche auswärtiger Fangruppen in Richtung hiesiger „Fantreffs“ statt. Auch Berliner Fans suchen in der Regel bei Auswärtsspielen nicht die bekannten Fantreffpunkte der dortigen Heimfans auf. 8. Wie viele private oder öffentliche Fantreffs sind der Polizei bekannt (aufgeschlüsselt nach Vereinen)? Zu 8.: Durch die Fans werden anlassbezogen diverse Lokalitäten im Stadtgebiet und vor allem im direkten Umfeld der jeweiligen Spielstätte besucht, ohne den Eindruck zu erwecken, diese Lokalität als einen regelmäßigen Fantreffpunkt anzusehen. Der Berliner Landesinformationsstelle Sporteinsätze sind folgende regelmäßige „Fantreffs“ relevanter Fangruppierungen bekannt: - Die Ultras von Hertha BSC nutzen den bekannten Fantreffpunkt „Andracor“ (Beusselstr. 51, 10553 Berlin). - Die Fans des 1. FC Union Berlin nutzen die Lokalitäten „Union Tanke“ (Alte Kaulsdorfer Str./ Am Bahndamm, 12555 Berlin) sowie „Abseitsfalle“ (Hämmerlingstraße 80-88, 12555 Berlin) im Umfeld des Stadions „An der Alten Försterei“ in der Vor- und Nachspielphase. - Als Fantreffpunkt der Anhänger des BFC Dynamo fungiert das BFC-Vereinsheim (Steffenstraße, 13053 Berlin) auf dem Gelände des Sportforums Hohenschönhausen. 9. Wie lange hat es gedauert, bis die ersten Polizisten in die Situation der Auseinandersetzungen eingreifen konnten? Zu 9.: Auf Grund der frühen Feststellung noch vor Beginn der Auseinandersetzungen und des sofortigen Anforderns weiterer Kräfte in den Bereich Beusselstraße / Wyclef-straße konnten die ersten Einsatzkräfte bereits wenige Minuten nach Beginn der Auseinandersetzung eingreifen und Freiheitsentziehungen durchführen. 10. Wie lange hat es gedauert, bis die Einsatzhundertschaften vor Ort waren und die Lage unter Kon-trolle war? Zu 10.: Die ersten Einsatzkräfte der Einsatzhundertschaft trafen gegen 13:00 Uhr am Ein-satzort ein. Nach diversen Festnahmen durch Einsatzkräfte konnte gegen 13:30 Uhr die Lage stabilisiert werden. 11. Entspricht dieser Zeitraum den kalkulierten Zeiträumen bei einem Spiel mit dieser Einstufung? Zu 11.: Hierzu kann keine Aussage getroffen werden, da derartige Zwischenfälle zu einem solch frühen Zeitpunkt im Verhältnis zum Spielbeginn bzw. dem daran ausgerichteten vorherigen Beginn des Einsatzes abseits des Olympiastadions aufgrund des konspirativen Vorgehens unvorhersehbar sind, selten vorkommen und nicht zum Einsatzkonzept des Rahmenbefehls gehören. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 609 3 12. Zu wie vielen a. Identitätsfeststellungen, Platzverweisen und Ingewahrsamnahmen kam es im Zuge der Ereignisse? Zu 12.a: Es kam im Nachgang der Tat zur Identitätsfeststellung von insgesamt 95 Personen, denen ein Tageshausverbot durch den Veranstalter für das Olympiastadion ausgesprochen wurde. Zu einer anschließenden Ingewahrsamnahme und auch zu Platzverweisen kam es nicht. b. Neueintragungen oder Eintragsänderungen in den Dateien Sportgewalt Berlin und/oder Gewalttäter Sport kam es (bitte nach Art, Einstufung und Vereinsaffinität differenzieren)? Wurden die Betroffenen hierüber jeweils informiert? Zu 12.b: Die Eintragung bzw. Änderung von Datensätzen in der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ bzw. der Landesdatei „Sportgewalt Berlin“ ist noch in der Prüfung der Polizei Berlin. Eine Information Betroffener entfällt daher derzeit. 13. Wie lange dauerten die freiheitsentziehenden Maßnahmen jeweils an? Wann, auf welche Veranlassung hin und wo wurden diese beendet? Zu 13.: Die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zur Identitätsfeststellung der betroffenen Personen wurden gegen 17:00 Uhr im Bereich Beusselstraße durch die bearbeiten-den Einsatzkräfte beendet, nachdem alle erforderlichen polizeilichen Maßnahmen abgeschlossen waren und feststand, dass eine richterliche Vorführung nicht durchgeführt wird. 14. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen des Geschehens im Wedding wegen welcher Tatvorwürfe eingeleitet (bitte nach Anzahl und Tatbeständen aufschlüsseln )? Zu 14.: Es wurden bislang ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Besonders schweren Landfriedensbruchs und drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen eingeleitet. 15. Wie viele Personen wurden auf welcher Rechtsgrundlage für welchen Zeitraum in dem Restaurant Preußisches Landwirtshaus festgehalten? Zu 15.: Im Preußischen Landwirtshaus wurden keine Personen festgehalten. Mit Zustimmung des Wirts befanden sich in dieser Lokalität ca. 70 Frankfurter Fans, welche dort das Spiel verfolgten. Auf Bitten der Polizeiführerin wurden sechs Frankfurter Angehörige des Ordnungsdienstes aus dem Olympiastadion zur Gaststätte entsandt, um dort als „Stabilisatoren“ zu wirken. Des Weiteren befanden sich vor der Gaststätte Einsatzkräfte, um ein erneutes Aufeinandertreffen rivalisierender Fangruppierungen zu verhindern. 16. Ist von den Berliner Ermittlungsbehörden geplant, personenbezogene Daten an Dritte weiterzugeben? Wenn ja, an wen und auf Basis welcher gesetzlichen Regelungen ? Zu 16.: Es ist beabsichtigt, die personenbezogenen Daten der festgestellten Personen an Hertha BSC zwecks Prüfung zivilrechtlicher Maßnahmen weiterzugeben. Die Übermittlung der Daten erfolgt auf Grundlage des § 45 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Berlin. 17. Wie bewertet der Senat die Aussage von einzelnen Anhängern von Hertha BSC, welche beim Vorfall im Wedding von einem überfallartigen Szenarium, ausgelöst durch Anhänger von Eintracht Frankfurt, sprechen? Zu 17.: Der genaue Hergang, die Motivation und der Hintergrund der Taten sind Gegenstand der derzeit laufenden Ermittlungsverfahren, zu denen der Senat von Berlin keine Stellung nimmt. 18. Wie viele Polizisten waren am Spieltag zur Sicherung des Sportereignisses im Einsatz? Zu 18.: Während des geplanten Einsatzes anlässlich des Fußballspiels befanden sich 496 Einsatzkräfte im Dienst. Des Weiteren befanden sich parallel Kräfte der Bundespolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich im Einsatz. Im Rahmen der Auseinandersetzung vor dem Fußballeinsatz in der Beusselstraße waren 174 Einsatzkräfte eingesetzt. 19. Liegen dem Senat Erkenntnisse vor, dass es sich um ein gezieltes Treffen bzw. eine Verabredung zwischen den Fangruppen gehandelt haben kann? Zu 19.: Diesbezüglich liegen dem Senat von Berlin keine Erkenntnisse vor. Berlin, den 21. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mrz. 2017)