Drucksache 18 / 10 660 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Förster (FDP) vom 07. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2017) und Antwort Akteneinsichtsrecht der Berliner Abgeordneten in den Bezirken Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind nach Auffassung des Senats Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses bei Vorgängen in den Berliner Bezirken mit dem gleichen Akteneinsichtsrecht ausgestattet, dass die Bezirksverordneten haben oder geht dieses sogar noch darüber hinaus? Wenn ja, in welchen Punkten? 2. Stimmt der Senat mir zu, dass Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, die die Legislative des Landes Berlin vertreten, im Vergleich zu Bezirksverordneten, die Teil der Verwaltung der in Berlin nicht selbstständig rechtsfähigen kommunalen Ebene sind, bei der Akteneinsicht in den Bezirken gegenüber Bezirksverordneten jedenfalls nicht schlechter gestellt sein sollten? 3. Wenn 2) nein, wie gestaltet sich das Akteneinsichtsrecht der Mitglieder des Abgeordnetenhauses nach Meinung des Senats konkret aus? Zu 1. bis 3.: Nach Artikel 45 Abs. 2 Verfassung von Berlin (VvB) hat jeder Abgeordnete das Recht, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung zu nehmen. Die Einsichtnahme darf abgelehnt werden , soweit überwiegende öffentliche Interessen einschließlich des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung oder überwiegende private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern. Die Entscheidung ist dem Abgeordneten schriftlich mitzuteilen und zu begründen . Das Einsichtsrecht in Akten oder sonstige amtliche Unterlagen der Verfassungsschutzbehörde bleibt den Mitgliedern der für die Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde zuständigen Gremien nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften vorbehalten. Laut der Gesetzesbegründung (Drs. 18/5038) ist der Begriff der Verwaltung im Sinne des sechsten Abschnitts der VvB zu verstehen und umfasst die gesamte unmittelbare und mittelbare Verwaltung, damit auch alle Akten der Bezirksverwaltung. Das Recht zur Kontrolle der Bezirksämter ist damit nicht auf die Bezirksverordneten beschränkt. Die Verfassungsnorm kennt zwei Gruppen von Ablehnungsgründen : überwiegende öffentliche Interessen an der Geheimhaltung und überwiegende private Interessen an der Geheimhaltung. Überwiegende öffentliche Interessen beinhalten, wie es in Art. 45 Abs. 2 VvB ausdrücklich heißt, den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dieser Kernbereich umfasst einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ -, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung (BVerfGE 67, 100 [139]; BVerfGE 77, 1 [59]). Zu den überwiegenden öffentlichen Interessen gehören ferner nach der Gesetzesbegründung der Schutz der Strafverfolgung sowie der präventiven polizeilichen Ermittlung . Andere überwiegende öffentliche Interessen können dann gegeben sein, wenn Gründe des Geheimschutzes oder der Schutz der Rechtsdurchsetzung, also insbesondere der Erfolg bevorstehender behördlicher Maßnahmen, bzw. der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses entgegenstehen. Überwiegende private Interessen sind nach der Gesetzesbegründung insbesondere solche des Schutzes personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . Diese Ablehnungsgründe müssen jeweils „überwiegend “ sein. Dies ist anzunehmen, wenn sie dem Informationsinteresse der oder des Abgeordneten vorgehen und die Gründe die Geheimhaltung zwingend erfordern. Wenn diese Gründe vorliegen, „darf“ die Einsichtnahme nach dem Wortlaut der Verfassung abgelehnt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 660 2 Das Akteneinsichtsrecht für Bezirksverordnete ist einfachgesetzlich in § 11 Abs. 2 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) normiert, der folgendermaßen lautet: „Jedem Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung ist vom Bezirksamt Einsicht in die Akten zu gewähren . § 17 Absatz 2 bleibt unberührt. Die Einsicht in die Akten darf nur verweigert werden, wenn der Akteneinsicht schutzwürdige Belange Dritter oder ein dringendes öffentliches Interesse entgegenstehen. Die Verweigerung der Akteneinsicht ist schriftlich zu begründen . Einem Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung , bei dem ein Ausschließungsgrund nach Absatz 3 vorliegt, darf die Akteneinsicht nicht gewährt werden.“ Dieses Akteneinsichtsrecht bezieht sich grundsätzlich auf alle Akten der Bezirksverwaltung. Die Gewährung der Einsicht in die Akten darf bereits dann verweigert werden, wenn der Akteneinsicht schutzwürdige Belange Dritter oder ein dringendes öffentliches Interesse entgegenstehen. Die Ablehnungsgründe müssen nicht – wie bei Einsichtsverlangen von Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses – „überwiegend“ sein. Das Akteneinsichtsrecht der Bezirksverordneten ist damit weitgehend an das Akteneinsichtsrecht der Bürgerinnen und Bürger nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG Bln) angenähert. Allerdings wird dem Informationsinteresse einzelner Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung aufgrund ihrer Rechtsstellung in der Regel ein höheres Gewicht einzuräumen sein als dem allgemeinen Informationsinteresse der Bürgerinnen und Bürger nach dem IFG Bln, wenn eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und den Belangen Betroffener vorzunehmen ist und sofern die Information zur Ausübung des Mandats benötigt wird. In persönlicher Hinsicht ist das Akteneinsichtsrecht eines Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung darüber hinaus dahingehend beschränkt, dass ihm dann keine Akteneinsicht gewährt werden darf, wenn in Bezug auf dieses Mitglied Gründe vorliegen, die zu einem Ausschluss seiner Person vom Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) führen würden (vgl. §§ 20, 21 VwVfG). Gleiches gilt für Bezirksverordnete in Angelegenheiten, in denen sie als Dienstkräfte einer Senatsverwaltung vorbereitend oder entscheidend unmittelbar Aufgaben der Bezirksaufsicht oder einer möglichen Eingriffsentscheidung (§ 3 Abs. 2 Buchstabe b BezVG) gegenüber einer Bezirksverwaltung wahrnehmen oder wahrgenommen haben. Die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses sind daher bei der Akteneinsicht in den Bezirken gegenüber Bezirksverordneten nicht schlechter gestellt. Berlin, den 23. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mrz. 2017)