Drucksache 18 / 10 670 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 08. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2017) und Antwort Modellversuch Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA) – Wie weiter? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Hat sich der Modellversuch in der geplanten Umsetzung bewährt? Zu 1.: Der Modellversuch IBA hat sich in seinem stufenweisen Aufbau, der Wahl geeigneter Instrumente und dem neuartigen Zusammenspiel von Berufsschule, Betrieben und Bildungsbegleitung bewährt. Phase des Schulversuchs Jahre Schulen Klassen Schülerinnen und Schüler Bildungsbegleitung Genehmigungsschreiben I. Start 2013-2015 6 24 578 - 08.11.2013 II. Verlängerung/ Ausweitung 2015-2017 14 64 1.542 30 08.05.2015 Die in der Phase I erkannten Bedarfe (erforderliche Bildungsgangbegleitung, Praktikumsverpflichtung und Praktikumsausweiterung) wurden in der Phase II konsequent aufgegriffen und zielorientiert umgesetzt. Die zielgenauere Maßnahmenplanung unterstützte das Erreichen der beiden Hauptziele: - Verstärkung der Anschlussorientierung in Richtung Dualer Ausbildung, - Vereinfachung des Bildungsgangangebotes im Bereich der Berufsausbildungsvorbereitung durch einen Bildungsgang mit drei Abschlussoptionen (BBR = Berufsbildungsreife , eBBR = erweiterte Berufsbildungsreife, MSA = Mittlerer Schulabschluss) und stärkerem betrieblichen Lernangebot. 2. Wie sind die bisherigen Ergebnisse des Modellversuchs ? Zu 2.: Die von den beteiligten Bildungsträgern erfassten Anschluss- und Abschlussdaten des IBA-Schuljahres 2016/2017 dokumentieren sehr positive Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der Anschlussorientierung (siehe Tabelle): Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 670 2 Anschlüsse: - dokumentierter Verbleib als Teilziel von IBA 2015/2016 mit 1.177 dokumentierten Teilnehmerinnen/Teilnehmer Soll in % (Vorgabe des Europäischen Sozialfonds = ESF- Standard)* Ist in % Dokumentierte Anschlüsse in berufliche und schulische Bildung 40 % 66 % davon - in duale und schulische Ausbildung Der ESF- Standard sieht hier keine Differenzierung vor! 38 % - in duale Ausbildung 24 % - in schulische Ausbildung 14 % - in Berufsvorbereitung, Einstiegsqualifizierung (EQ) 9 % - weitere Anschlüsse [Fachoberschule (FOS), Berufliches Gymnasium (BG), Freiwilligendienst] 15 % - in sozialversicherungspflichtige Arbeit 4 % *Anmerkung: Der ESF-Standard ist Bestandteil des Vertrages zwischen der ECG (Verwaltungsinstanz der Mittel des Europäischen Sozialfonds) und den Bildungsträgern im Instrument 17: „(Betriebs)-pädagogische Begleitung.an beruflichen Schulen“ des Landes Berlin und damit erfolgsorientierte Grundlage für die Verlängerung der Bildungsbegleitung über 2017 hinaus. Parallel zu der Anschlussorientierung konnten ca. 60 % der Schülerinnen und Schüler (SuS) ihre Abschlüsse verbessern bzw. ca. 20 % erstmalig schulische Abschlüsse erreichen. 3. Wie ist der strukturelle und methodische Aufbau des Modellversuchs zu bewerten? Zu 3.: Allgemein: Alle methodischen und strukturellen Veränderungen werden durch schulübergreifende Workshops und schulbezogene Beratungstage über einen Zeitraum von zwei Jahren sukzessive eingeführt. Wesentliche strukturelle Veränderungen: Die Praktikumsphasen werden ausgeweitet und zur Pflicht erklärt. Alle Schülerinnen und Schüler werden durch die Bildungsbegleiterinnen /Bildungsbegleiter (u.a. Akquise geeigneter Praktikumsplätze, Beratung und Begleitung insbesondere vor, während und nach der Praktikumszeit) unterstützt, parallel erfolgt die Beratung der anbietenden Betriebe und Schulen. Zur Steigerung der Wertigkeit beruflicher Handlungskompetenzen erhält das neue Fach „Betriebliche Lernaufgabe “ Zeugnis- und Abschlussrelevanz. Bewertung: Die Praktikumspflicht, die erhöhten Praktikumszeiten und die Bildungsbegleitung erlauben den Schülerinnen und Schülern sowohl einen intensiveren und gezielteren Zugang und Kontakt zu den Betrieben als auch eine umfassendere Einschätzung ihrer beruflichen Möglichkeiten. Wesentliche methodische Veränderungen: Die Einführung einer Kompetenzerfassung und - dokumentation anhand strukturierter und generalisierter Kompetenzlisten im Betriebspraktikum und im berufsbezogenen Unterricht ermöglicht die Spiegelung der Selbstwahrnehmung der Schülerinnen und Schüler mit den Standards der betrieblichen Ausbildung. Das neue Unterrichtsfach „Betriebliche Lernaufgabe“ dient als Referenz für die vollständige Handlung im betrieblichen Praktikum (Planung, Handlung, Reflexion, Präsentation und Dokumentation). Bewertung: Die Kompetenzerfassung der fachlichen und personalen Handlungsorientierungen der SuS an den schulischen und betrieblichen Standorten erlaubt eine stärkere neigungsorientierte Zuführung in adäquate Praktikumsstandorte . Die anschließende Steuerung der vorhandenen Potenziale der SuS durch die Bildungsbegleitung und Lehrkräfte in geeignete Anwendungsbereiche schaffte reale Vorstellungen von späteren dualen Ausbildungsplätzen und anschließenden Berufen. Die Selbstwahrnehmung der SuS wurde mit den realen Arbeitsplatzerfordernissen gespiegelt. 24 % der SuS traten direkt anschließend eine duale Ausbildung und weitere 14 % eine schulische Ausbildung an. 4. Hat sich der Ansatz bewährt, die pädagogische Arbeit der Schulen durch zusätzliche Bildungsbegleitung zu unterstützen? Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 670 3 Zu 4.: Der Ansatz der Unterstützung der Lehrkräfte durch zusätzliche Bildungsbegleitung hat sich grundsätzlich sehr bewährt. Die Akquise geeigneter Praktikumsplätze , die individuelle Begleitung und Beratung vor, während und nach der Praktikumszeit, sowie die Beratung der anbietenden Betriebe und Schulen erfordert Kompetenzen , die i.d.R. in den Schulen nicht oder nur unzureichend vorhanden sind. Die zusätzlichen Bildungsbegleiterinnen/ Bildungsbegleiter aus überwiegend sozialwissenschaftlichen Professionen haben die folgenden Aufgaben: - Akquise von zusätzlichen Praktikumsbetrieben für die Durchführung der Praktikumsphasen in allen teilnehmenden Schulen, - Akquise von geeigneten Praktikumsbetrieben, passend zur jeweiligen Schülerklientel der Schule und zum jeweiligen Berufsfeld, - Intensivierung der Beratungskultur aller teilnehmenden SuS hinsichtlich anschließender ausbildungsrelevanter Perspektiven bzw. weiterer Schulabschlüsse , - Stärkung der Beratungsfunktion der Lehrkräfte, - Erstellung von unterstützenden Werkzeugen für die Beratungssituationen, passend zu den jeweiligen Bedürfnislagen der Schülerinnen und Schüler, - Erfassung der Verbleibsdaten bis sechs Monate nach Verlassen von IBA. In ihrer nicht leistungsbewertenden Funktion unterstützen sie die Aufgaben der Lehrkräfte. Sie agieren als externe Akteure und vervollständigen die multiprofessionellen Teams an den schulischen Standorten. Die notwendigen Ressourcen in der Anbahnung und Auswertung eines passgenauen Praktikums mit individuell erstellten Bewerbungsunterlagen sind im Arbeitsauftrag der Lehrkräfte in den Vor- und Nachphasen des Praktikums nicht abgedeckt. 5. Hat sich die Zusammenlegung von Berufsqualifizierenden Lehrgängen_BQL und einjähriger Berufsfachschul -BFS bewährt? Zu 5.: Im Modellversuch werden sowohl Schülerinnen und Schüler ohne als auch mit Schulabschluss bis zum eBBR aufgenommen. Die Schülerinnen/Schüler kommen mit unterschiedlichen Bildungszielen in die IBA-Klassen: - eher abschlussorientiert 26 %, - eher anschlussorientiert 24 %, - eher anschlussorientiert und abschlussorientiert 36 %, - eher planlos 14 % (Erhebungsdaten aus dem IBA-Schuljahr 2016/2017 mit insgesamt 1.177 dokumentierten Teilnehmerinnen /Teilnehmern). Die Schulen gestalten die Unterrichtssituationen und Klassenzusammensetzungen je nach Standort und Berufsfeld unterschiedlich. Die Schülerinnen und Schüler, die eine Anschlussperspektive in der Berufsausbildung und einen Schulabschluss anstrebten, schlossen am erfolgsreichsten ab (diese SuS erreichten zu 45 % einen betrieblichen Ausbildungsplatz). Damit ist die Mischung beider Schülergruppen zielführend. Eine abschließende Evaluation steht noch aus. 6. Konnten die im Modellversuch implementierte Zielsetzung der Integration der Schülerinnen und Schüler in duale Berufsausbildung wahrnehmbar erhöht werden? Zu 6.: Aus den Vorjahren liegen wegen fehlender Verbleibsdaten keine direkten Vergleichszahlen für Berlin vor. Die in dem Schulversuch IBA erstmalig dokumentierten Übergänge in die duale Ausbildung lagen im Schuljahr 2016/2017 bei 24 % (siehe Tabelle unter Punkt 2). Berlin, den 21. März 2017 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mrz. 2017)