Drucksache 18 / 10 713 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Fuchs und Katina Schubert (LINKE) vom 14. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2017) und Antwort Situation von geflüchteten Menschen mit Behinderungen (II): Versorgung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Traumazentren oder vergleichbare Einrichtungen existieren in Berlin, die sich auf die besonderen Belange und Bedürfnisse von anerkannten Flüchtlingen, Asylsuchenden und Geduldeten mit Behinderungen spezialisiert haben? Zu 1.: In Berlin existiert kein „Traumazentrum“ im Sinne eines psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge und Folteropfer, das sich explizit oder ausschließlich auf Personen mit Behinderungen konzentriert. Die beiden in Berlin ansässigen psychosozialen Zentren Xenion und das Behandlungszentrum für Folteropfer (bzfo) beraten, betreuen und behandeln Personen mit psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Traumatisierung unabhängig von weiteren Kriterien wie körperlichen Einschränkungen . Menschen mit Behinderung werden in das Angebot der Traumazentren eingeschlossen. Um die Situation von Geflüchteten mit Behinderung in diesem Kontext zu berücksichtigen, arbeitet im Rahmen des gemeinsamen Projektverbundes Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (BNS) das Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (BZSL) eng mit den beiden psychosozialen Zentren zusammen. Das BZSL übernimmt innerhalb des BNS die Fachstellenarbeit für Geflüchtete mit Behinderungen. Die Fachstelle bietet neben sozialrechtlicher Beratung und Betreuung auch Psychotherapien für Geflüchtete mit Behinderungen an. Weitere Angebote, die sich an Geflüchtete mit Behinderungen richten, werden im Rahmen des Regelsystems geleistet. So existieren traumabezogene Diagnose- und Behandlungsangebote für primär andere Zielgruppen z. B. bei den Alexianern (Zentrum für Psychotraumatologie), am St. Joseph Krankenhaus sowie der Traumaambulanz am St. Hedwig-Krankenhaus, dem Bundeswehrkrankenhaus (Psychotraumazentrum) und der Unfallbehandlungsstelle Berlin der Berufsgenossenschaften (Psychotraumatologische Akutsprechstunde). Ferner haben die Charité und alle anderen psychiatrischen Kliniken und ambulanten Behandlungsorte (Psychiatrische Institutsambulanzen und niedergelassene Psychiaterinnen und Psychiater sowie psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ) die Traumafolgestörung als eine mögliche Erkrankung in ihrem Behandlungsspektrum. Bei Niedergelassenen kann dies auch vereinzelt ein Behandlungsschwerpunkt sein. Die Psychiatrie verfolgt hier in der klinisch stationären und teilstationären Pflichtversorgung nicht den Ansatz einer störungsspezifischen Spezialisierung , sondern einer fachgerechten Behandlung aller psychischen Erkrankungen. Speziell auf Menschen mit einer geistigen Behinderung und einer psychischen Erkrankung ist das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge in Lichtenberg eingestellt, jedoch gibt es hier nach Kenntnis des Senates keinen expliziten Traumaschwerpunkt. 2. Welche weiteren Traumazentren oder vergleichbare Einrichtungen, die sich auf die besonderen Belange und Bedürfnisse von anerkannten Flüchtlingen, Asylsuchenden und Geduldeten mit Behinderungen spezialisiert haben, sind bis wann geplant? Zu 2.: Derzeit sind keine Traumazentren mit einer ausdrücklichen Schwerpunktsetzung auf Menschen mit Behinderungen geplant. 3. Wie viele anerkannte Flüchtlinge, Asylsuchende und Geduldete mit Behinderungen wurden in den Jahren seit 2012 seit Ankunft in Berlin als schwerbehindert registriert ? (Bitte nach Jahr, Geschlecht, Altersgruppen, körperlichen , geistigen und psychischen Beeinträchtigungen sowie chronischen Erkrankungen aufschlüsseln.) Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 713 2 4. Wie viele anerkannte Flüchtlinge und Geduldete mit Behinderungen haben nach Kenntnis des Senats in den Jahren seit 2012 seit Ankunft in Berlin einen Schwerbehindertenausweis beantragt und wie viele haben einen erhalten? (Bitte nach Jahr der Beantragung bzw. Erteilung , Geschlecht und Altersgruppe aufschlüsseln.) Zu 3. und 4.: Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens einer Schwerbehinderteneigenschaft und von Nachteilsausgleichen nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) werden von der verantwortlichen Stelle lediglich die Daten erhoben, die zur Durchführung der gesetzlichen Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich sind und die den Zwecken dienen, für die die Daten erhoben worden sind (siehe hierzu auch §§ 67a, § 67c Sozialgesetzbuch Zehntes Buch). Der aufenthaltsrechtliche Status gehört nicht zu diesen Daten, daher können hierzu keine Angaben gemacht werden. 5. Welche Maßnahmen plant der Senat, um anerkannten Flüchtlingen und Geduldeten mit Behinderungen die Bewilligung eines Schwerbehindertenausweises zu erleichtern und wann sollen diese umgesetzt werden? Zu 5.: Der Senat hat alle Möglichkeiten geprüft, um über die regelhaften Modalitäten der Beantragung von Schwerbehindertenausweisen hinaus den Zugang zur Erlangung eines Schwerbehindertenausweises für anerkannte Flüchtlinge bzw. Geduldete erreichen bzw. erleichtern zu können. Auf Initiative des Senats konnte eine bundeseinheitliche Regelung im Sinne der betroffenen Antragstellerinnen und Antragsteller gefunden werden, wonach ein länger als sechs Monate dauernder Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne §§ 2 und 69 SGB IX gewertet werden kann, hilfsweise wenn zusätzlich bereits ein Wohnungsbezug erfolgt ist, und damit ein Feststellungsverfahren nach dem SGB IX ohne Anfragen beim BAMF begonnen werden kann. Das trug deutlich zu einer Verfahrensbeschleunigung bei. In der Vergangenheit war hierzu grundsätzlich in allen Einzelfällen eine entsprechende Anfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erforderlich, das jedoch aufgrund der Arbeitsbelastung nicht in der Lage war, auf diese Anfragen in einem angemessenen Zeitraum zu reagieren. 6. Mit welchen Maßnahmen gewährleistet der Senat, dass Flüchtlinge, Asylsuchende und Geduldete mit Behinderungen eine behinderungsspezifische Versorgung nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) mit entsprechenden Hilfsmitteln erhalten, oder welche Maßnahmen sind bis wann hierzu geplant? 7. Mit welchen konkreten Maßnahmen will der Senat gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen schnellstmöglich nach ihrer Ankunft in Deutschland die für sie notwendigen Hilfsmittel erhalten? Zu 6. und 7.: Das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (BNS) und der Senat kooperieren seit einigen Jahren und haben ein Verfahren entwickelt , das u. a. für Menschen mit Behinderung die Verbindung zu einer Fachberatungsstelle erleichtern soll. Zugleich sind durch ein Rundschreiben zu § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das auf die Versorgung besonders Schutzbedürftiger eingeht, die Leistungsbehörden über die zu gewährenden Leistungen informiert worden . Daneben hat es Schulungen für die Leistungsbehörden gegeben und schriftliche Informationen, um für die Belange der besonders schutzbedürftigen Personenkreise zu sensibilisieren. Seit der flächendeckenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte werden alle Hilfsmittel direkt verordnet oder ggf. nach Prüfung durch die betreuende Krankenkasse erbracht. Damit ist gewährleistet, dass alle aus medizinischer Sicht erforderlichen Hilfsmittel auch gewährt werden. 8. Inwieweit steht die gesundheitliche Versorgung von Asylsuchenden und anderen Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG mit Behinderungen in Berlin im Einklang mit den Vorgaben der Asylaufnahmerichtlinie (2013/33/EU)? Zu 8.: Die Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen sieht u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten Antragstellerinnen und Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung, gewähren. Diese Vorgabe wurde bereits im Rahmen des Behandlungsscheines erfüllt. Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ist die Versorgung stabilisiert und das Verwaltungsverfahren verkürzt worden. 9. Inwiefern und wann plant der Senat, den Status von geflüchteten Menschen mit Behinderungen gesondert zu erheben? Zu 9.: Der Senat plant keine gesonderte Erhebung des Status geflüchteter Menschen, da diese nicht den datenschutzrechtlichen Bestimmungen der §§ 67a, 67c Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) entsprechen würde. 10. Wie viele Asylsuchende und Geduldete mit Behinderungen haben in Berlin in den Jahren seit 2012 Leistungen nach dem AsylbLG im Bereich medizinischer und gesundheitlicher Versorgung in Anspruch genommen? (Bitte nach Jahr sowie § 4 und § 6 AsylbLG aufschlüsseln .) Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 713 3 Zu 10.: Die Anzahl der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigten Menschen mit Behinderung wird in der Leistungsstatistik ebenfalls nicht ausgewiesen. Auch die Anzahl aller leistungsberechtigten Menschen, die Leistungen nach den §§ 4 oder 6 AsylbLG in Anspruch genommen haben, lässt sich anhand der Statistik nicht ermitteln, da die Leistungen weit überwiegend durch Ausgabe von Behandlungsscheinen oder über die elektronische Gesundheitskarte sichergestellt werden, ohne dass in der Leistungsstatistik verzeichnet wird, ob damit tatsächlich der Arzt aufgesucht wird. Die im Rahmen des Gesundheits- und Sozialinformationssystems (GSI) veröffentlichten Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Leistungen, die außerhalb der Regelabrechnung (außerhalb des Behandlungsscheinverfahrens bzw. der eGK) in Anspruch genommen worden sind. Die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Quelle: GSI Stand Anzahl der Empfänger/innen von Leistungen nach § 4 Anzahl der Empfänger/innen von Leistungen nach § 6 31.12.2012 123 685 31.12.2013 137 735 31.12.2014 102 811 31.12.2015 114 1.294 31.10.2016 413 1.669 (GSI= Gesundheits- und Sozialinformationssystem) Berlin, den 31. März 2017 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2017)