Drucksache 18 / 10 730 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Danny Freymark (CDU) vom 14. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2017) und Antwort Umzug von Flüchtlingen aus Turnhallen in feste Unterkünfte – Verordnung zur Gefahrenabwehr gem. § 55 ASOG Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um zu einer Feststellung einer Gefahrenlage nach § 1 Abs. 1 ASOG zu kommen? 3. Welche Unterschiede sind zwischen der jetzigen Gefahrenlage und der Gefahrenlage zu Beginn der Interimsausschreibung festzumachen? 4. Wenn es keinen Unterschied gibt, warum erfolgte die Verordnung zu diesem Zeitpunkt? 5. Warum scheint die Gefahrenlage nur jeweils punktuell aufzutreten oder wird die Abwendung der unmittelbar akuten Gefahr bei den Bewohnern, die in den Turnhallen verbleiben, unterlassen? Zu 1., 3., 4. und 5.: Die in den Sporthallen vom Senat für die Geflüchteten im Dezember 2016 konstatierte Gefahrenlage galt es im Einzelfall durch eine Entscheidung des örtlich und sachlich zuständigen Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nach §§ 16, 17 ASOG zu beseitigen. Es ging darum, die qualitativ besseren Gemeinschaftsunterkünfte (GU) zeitnah nach Fertigstellung nutzen zu können. Weil das Land Berlin keine eigene Betriebs -organisation besitzt, wurde ihr Betrieb im Juni 2016 ausgeschrieben. Nachdem die ursprünglichen Ausschreibungen im September bzw. Oktober 2016 aufgehoben werden mussten, erfolgte so schnell wie möglich die erneute Ausschreibung im Rahmen eines Interimsvergabeverfahrens im Dezember 2016. Diese GUs waren zu diesem Zeitpunkt bereits teilweise fertiggestellt. Sie konnten bezogen werden. Um die eingetretene Gefahr für die öffentliche Sicherheit bis zu einer wirksamen Vergabe zu beenden, traf die Senatsverwaltung/LAF die vorgenannte Entscheidung. Zur Bejahung der Gefahrenlage waren folgende Erwägungen maßgeblich: Die hohe Zahl an Flüchtlingen, die innerhalb eines kurzen Zeitraums in Berlin Schutz suchten, konnte nur durch die kurzfristige Einrichtung von Notunterkünften in Turnhallen und anderen großen Hallen untergebracht und versorgt werden. Diese Unterkünfte sind/ waren als kurzzeitige Unterkünfte konzipiert. Die Lebensbereiche der dort untergebrachten Personen oder Familien sind/ waren üblicherweise nur durch Laken voneinander getrennt. Akustisch haben/ hatten die Untergebrachten weder die Möglichkeit, das eigene Leben abzuschirmen, noch sich gegenüber dem Lärm anderer Untergebrachter zu schützen . Die sanitären Anlagen sind/ waren nur auf einen kurzfristigen Einsatz hin ausgerichtet. Nachhaltig hygienische Zustände können/konnten sie nicht herstellen. Dort wohnen/ wohnten insbesondere auch Familien und Kinder. Mit der zunehmenden Dauer der Unterbringung wird/ wurde die Situation für sie und für alle anderen untergebrachten Flüchtlinge unerträglich. Die Situation in den Unterkünften verschlechterte sich kontinuierlich . Die Träger der Einrichtungen berichten/berichteten überein-stimmend, dass bei immer mehr Personen erhebliche psychische Probleme auftreten, die Depressionen, Psychosen und bedrohliche Wutanfälle umfassen. Einige der Untergebrachten haben Suizidversuche unternommen; eine Suizidneigung wird/ wurde als wachsendes Problem wahrgenommen. Auch entstehen/entstanden Machtstrukturen , die Gewalt, Diebstahl und Erpressung mit sich bringen und in einer Turnhalle nicht nachhaltig unterbunden werden können. Anders als in der Fragestellung angenommen, wurde keine Rechtsverordnung nach § 55 ASOG erlassen sondern jeweils entsprechende Bescheide erlassen. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 730 2 2. Wie oft und bei welchen Unterkünften wurden diese Kriterien während der Interimsausschreibung für Flüchtlingsunterkünfte in Anspruch genommen und sind weitere Inanspruchnahmen vorgesehen? Zu 2.: Für die Aufnahme des Betriebs der Flüchtlingsunterkünfte in der Heerstr., Wollenberger Str., Wittenberger Str. und Gerlinger Str. wurden Entscheidungen des LAF auf der Grundlage der §§ 16, 17 ASOG getroffen. Weitere entsprechende Entscheidungen sind nicht vorgesehen . 6. Durch welche Alternativen zum Erlass einer Verordnung nach dem ASOG hätte die Gefahrenlage für alle Bewohner von Unterkünften in Turnhallen noch abgewendet werden können? Zu 6.: Alternativen zur Abwendung der Gefahrenlage in den vier genannten Konstellationen wurden bis zum Abschluss der Interimsvergabeverfahren nicht gesehen. Andere Optionen für die Aufnahme des Betriebes bestanden ebenso wenig. Amtshilfe zur sofortigen Inbetriebnahme konnte nicht in Anspruch genommen werden; eigene Mittel der Verwaltung standen nicht zur Verfügung . 7. Warum stellt die Nutzung der mehreren hundert freien bestehenden Plätze in festen Unterkünften im Land Berlin keine Abwendung der Gefahrenlage dar? Zu 7.: Freie Kapazitäten bestanden zu diesem Zeitpunkt nur in anderen Notunterkünften. Diese Plätze hätten lediglich einer vorübergehenden Nutzung dienen können und hätten zur Abwendung der Gefahrenlage nicht beigetragen . Wichtig war, den Geflüchteten eine qualitativ bessere Unterkunft mit einer längerfristigen zeitlichen Perspektive zu bieten. 8. Welche Bedingungen hinsichtlich des Schadenersatzes wurden mit den Betreibern der ASOG-Maßnahme vereinbart, die vom Standard-Betreibervertrag abweichen, insbesondere aber nicht ausschließlich bezogen auf Laufzeiten , erstattungsfähige Kosten und Nachlaufkosten? Zu 8.: Die Entschädigung richtet sich nach den §§ 59, 60 ASOG. Wegen der Inanspruchnahme der Betreiberin bzw. des Betreibers durch das Land Berlin ist das Land für den Ersatz des gesamten, tatsächlich entstehenden Schadens verantwortlich (§§ 59, 60 ASOG). Der Schaden wird abgerechnet und Liquidität wird in diesem Zusammenhang laufend abschlagsweise zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des zu erstattenden Schadens sind u. a. die entstandenen Personalkosten (Bruttoarbeitgeberkosten ) enthalten. Des Weiteren wurde festgelegt, dass falls die Inanspruchnahme nach diesem Verwaltungsakt vor Ablauf von sechs Monaten nach Belegung endet und soweit noch im Rahmen der Inanspruchnahme eingestelltes oder weiterbeschäftigtes Personal weiterbeschäftigt werden muss, das nicht anders eingesetzt werden kann, die hieraus entstehenden Kosten Bestandteil des zu ersetzenden Schadens sind, als ob die Inanspruchnahme danach sechs Monate gedauert hätte. Des Weiteren wurde festgelegt, dass die Betreiberin bzw. der Betreiber auf Basis des Personalschlüssels und einer angenommenen Belegung von 80 % der maximal zur Verfügung stehenden Plätze eine Schadenskalkulation erstellt, in der die voraussichtlichen monatlichen Kosten für den Betrieb der Unterkunft für einen Zeitraum von sechs Monaten enthalten sind. Die Betreiberin bzw. der Betreiber hat auch in diesem Rahmen dem Land frei werdende Plätze und nicht belegte Plätze täglich bis spätestens 8 Uhr zu melden. Die Abrechnung des Schadens erfolgt nach dem vereinfachten Abrechnungsverfahren entsprechend der Abrechnungsmodalitäten für die Abrechnung aktuell in Betrieb befindlicher Notunterkünfte mit der oben bereits angefügten Maßgabe, dass falls die Inanspruchnahme nach diesem Verwaltungsakt vor Ablauf von sechs Monaten nach Belegung endet, dass Personalkosten , für das im Rahmen der Inanspruchnahme nach diesem Verwaltungsakt eingestellte oder weiterbeschäftigte Personal, das von der Betreiberin bzw. vom Betreiber nicht anders eingesetzt werden kann, als Kostenbestandteil des zu ersetzenden Schadens, als ob die Inanspruchnahme nach diesem Verwaltungsakt sechs Monate gedauert hätte, im Rahmen der Auslaufkosten angemessen auszugleichen ist. Falls unvorhergesehene Ereignisse eintreten, durch die zusätzlicher Schaden entsteht, wird der hierfür zu leistende Schadensersatz gesondert festgesetzt . Berlin, den 31. März 2017 In Vertretung Daniel Tietze _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2017)