Drucksache 18 / 10 732 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hanno Bachmann (AfD) vom 16. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. März 2017) und Antwort Einsatz des Predictive Policing bei der Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welcher Weise analysiert die Berliner Polizei ihren Datenbestand, um Verbrechensmuster zu erkennen und hierauf basierend Straftaten vorzubeugen bzw. diese aufzuklären? In welcher Weise analysiert die Berliner Polizei ihren Datenbestand, um ihre Ressourcen effektiver zu nutzen? In welchem Umfang und in welchen Bereichen nutzt die Berliner Polizei hierzu insbesondere die Methoden des Predictive Policing? In welcher Höhe sind aktuell Etatmittel für die Nutzung dieser Methode bereitgestellt ? Zu 1.: Derartige Analysen werden insbesondere durch Mitarbeitende der Auswerteeinheiten durchgeführt, die in regionaler Zuständigkeit der sechs Direktionen und in fachlicher Zuständigkeit verschiedener Abteilungen des Landeskriminalamtes (LKA) gegliedert sind. Sie nutzen hierzu vor allem die Daten des Polizeilichen Landessystems zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS), die zum Teil in einer speziellen Auswertedatenbank zur Verfügung gestellt werden (Datawarehouse Führungsinformation) sowie Fallbearbeitungssysteme , vorhandene Geoinformationssystem- Anwendungen und weitere Standardsoftware für analytische Zwecke. Mit einem ersten Test im Juni 2016 in zwei Direktionen und seit Oktober in einem erweiterten Testlauf in allen Berliner Direktionen wird eine Prognosesoftware für die Bestimmung von regional erhöhten Wahrscheinlichkeiten von Wohnraumeinbrüchen eingesetzt (Kriminalitätsprognose Wohnraumeinbruch – KrimPro). Die Entwicklung des Analysemodells wurde in Teilen mit externer Unterstützung unter Ausschöpfung bereits vorhandener vertraglicher Beziehungen realisiert. Grundlage bildet ein Vertrag mit dem Software- Hersteller Microsoft, der Unterstützungsleistungen - sogenannte „Planning Services“ - enthält. Im laufenden Jahr sind weitere Anpassungen der Software vorgesehen. Die hierfür aufzuwendenden Kosten werden derzeit noch geklärt. 2. Zu welchen Ergebnissen ist man nach der probeweisen Ertestung des Programms „Precobs“ gelangt, über welche 2014 berichtet wurde? Warum wurde dieses oder auch andere am Markt angebotene Systeme nicht übernommen , sondern stattdessen eine eigene Software entwickelt ? Zu 2.: PRECOBS (Pre Crime Observation System) ist eine gewerbliche Software des IfmPt (Institut für musterbasierte Prognosetechnik) und basiert im Kern auf Forschungserkenntnissen zu musterbasiertem Täterverhalten (Near-Repeat-Prediction). Dieses Programm wurde durch die Polizei Berlin keiner belastbaren Überprüfung unterzogen , weshalb sich eine Bewertung dieser Software ebenso verbietet wie ein Vergleich mit der Berliner Programmierung KrimPro. Der wesentliche Grund für die Entscheidung der Polizei Berlin für eine Eigenentwicklung ist, dass bereits mit Unterstützung von Microsoft eine gut funktionierende Auswertedatenbasis entwickelt wurde (Datawarehouse Führungsinformation), welche kostengünstig ist, mit großer Effizienz und Betriebssicherheit funktioniert und geeignet ist, mit einer „aufsetzenden“ Softwarelösung (erneut mit Unterstützung von Microsoft) Predictive Policing zu ermöglichen. Wesentliche Gründe für die Entscheidung waren somit Kostenersparnis, Unabhängigkeit und ein Zugewinn an Expertise bei der Polizei Berlin. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 732 2 3. Auf welche Weise wird in Berlin die Erfolgsquote des Predictive policing, das seit 2016 in Einsatz ist, gemessen ? Lassen sich insbesondere die dank der Methode gesparten Ressourcen sowie verhinderten bzw. aufgeklärten Delikte quantitativ präzise bemessen? Falls ja, was sind die bisherigen Ergebnisse dieser Überprüfung? Zu 3.: Zu allen erstellten Prognosen wird erhoben, ob es innerhalb der nächsten drei Tage zu einem Einbruch in der jeweiligen Region kam (Prognosegüte). Weiterhin werden alle aufgrund der Prognosen zusätzlich geleisteten Einsatzstunden für repressive oder präventive Maßnahmen erhoben. Grundsätzlich gilt für alle derartigen Systeme, dass eine statistisch belastbare Evaluation schwierig ist. Wenn in einem prognostizierten Gebiet kein Wohnraumeinbruch festzustellen war, kann dies sowohl daran liegen, dass die Prognosequalität nicht hoch war, wie auch daran, dass die durchgeführten polizeilichen Maßnahmen erfolgreich waren. Der insbesondere durch derartige Programme zu erzielende präventive Effekt entzieht sich weitgehend einfacher Überprüfung. Erfahrungen anderer Länder deuten aber darauf hin, dass derartige Programme polizeiliche Analytik unterstützen können. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Berliner System KrimPro stützen auch für Berlin diese Einschätzung . Es ist vorgesehen, Mitte 2017 mit Hilfe der gesammelten Daten und Erfahrungen eine Auswertung und Bewertung des erweiterten Probelaufes durchzuführen. 4. Welche Anstrengungen unternimmt die Polizei ganz generell, um die ausweislich der PKS 2016 besonders niedrigen Aufklärungsquoten auf den Deliktsfeldern Wohnungsraum-, Taschen-, Fahrrad- und Kfz-Diebstahl zu erhöhen? Wird das Predictive Policing dabei eingesetzt , und wenn ja, mit welchem Erfolg? Zu 4.: Das Ziel der polizeilichen Arbeit ist die Verbesserung der Aufklärungsergebnisse in den genannten Themenfeldern . Die Polizei Berlin setzt insbesondere auf täterorientierte Ermittlungen und auf die Bekämpfung bandenmäßig und professionell agierender Tätergruppierungen . Hierzu trägt auch die Intensivierung nationaler und internationaler Zusammenarbeit bei. Weiterhin liegt ein Schwerpunkt auf der Arbeit qualifizierter operativer Einsatzkräfte, insbesondere für den Bereich Wohnraumeinbruch und Taschendiebstahl sowie einer intensivierten Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, um Verurteilungswahrscheinlichkeiten zu erhöhen. Predictive Policing kann zwar auch zur Unterstützung operativer polizeilicher Maßnahmen bis hin zu Festnahmen auf frischer Tat genutzt werden, so sind Hilfsleistungen zur Serienerkennung und Täterzuordnung denkbar. Der vorrangige Effekt ist jedoch - gemäß internationaler Erfahrungen - die Verhinderung von Einbruchstaten durch präventive Maßnahmen und durch polizeiliche Präsenz. Es geht also mehr um Straftatenverhinderung als um Aufklärung. Ein Nebeneffekt der Verhinderung schwer aufklärbarer Delikte, wie der Einbruchskriminalität , ist allerdings auch eine Erhöhung der Gesamtaufklärungsquote . In der Kriminologischen Forschung besteht weitgehend Konsens, dass insbesondere Einbruchskriminalität für Methoden des Predictive Policing geeignet ist. Ausweitungen über den bisherigen Stand hinaus werden grundsätzlich nicht ausgeschlossen und auf Geeignetheit geprüft. Berlin, den 30. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Apr. 2017)