Drucksache 18 / 10 783 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 14. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. März 2017) und Antwort Privatschulen dürfen keine elitären Clubs sein: Sonderungsverbot nach Art. 7 IV 3 GG (I) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Hatte Berlin in der Vergangenheit ein Privatschulengesetz und wenn ja, wann wurde dieses eingeführt , wann wurde dieses abgeschafft und welche Verordnungen basierten auf diesem Gesetz? Zu 1.: Das Privatschulgesetz vom 9. Dezember 1959 in der Fassung vom 13. Oktober 1987 wurde mit Inkrafttreten des Schulgesetzes vom 26. Januar 2004 (Gesetzund Verordnungsblatt S. 26) zum 1. Februar 2004 aufgehoben . Seit diesem Zeitpunkt sind die Regelungen über Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) im Schulgesetz enthalten (§§ 94 ff. Schulgesetz). Auf dem Privatschulgesetz basiert noch die Zweite Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz, die weiterhin in Kraft ist. 2. Welche Berliner Rechtsgrundlage (Gesetz und/oder Verordnungen) erlaubt es Trägern, eine nichtstaatliche Schule unter welchen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Berlin zu gründen und welche Genehmigungsvoraussetzungen existieren in Berlin und wo bzw. inwieweit sind diese landesrechtlich geregelt? Zu 2.: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Gründung einer Schule in freier Trägerschaft sind den §§ 94 - 104 Schulgesetz zu entnehmen. Hierbei sind insbesondere die Genehmigungsvoraussetzungen des § 98 Schulgesetz für Ersatzschulen zu beachten. 3. Inwieweit beaufsichtigt der Senat die fortlaufende Erfüllung dieser Genehmigungsvoraussetzungen? Zu 3.: Die Genehmigung als Ersatzschule ist nach Maßgabe der in § 98 Schulgesetz geregelten Voraussetzungen zu erteilen. Anhand der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einzureichenden Antragsunterlagen wird das Vorliegen der Voraussetzungen geprüft. Nach Aufnahme des Schulbetriebes erfolgt die Prüfung der dauerhaften Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen durch die zentrale Schulaufsicht für Schulen in freier Trägerschaft im Rahmen von Schul- und Unterrichtsbesuchen . Das gilt auch für die Überprüfung der Gewährleistung einer dauerhaften Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen als Bedingung für die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule. 4. Existiert in Berlin eine landesgesetzliche Regelung des Sonderungsverbots, die über den Wortlaut des Art. 7 IV 3 GG hinausgeht, um dem Regelungsauftrag des Art. 7 IV 2 GG gerecht zu werden? 5. Ist das verfassungsgemäße Sonderungsgebot in Berliner Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften konkretisiert und wenn ja, wo und inwiefern? Zu 4. und 5.: Das grundgesetzliche Sonderungsverbot wird von § 98 Absatz 3 Nummer 4 Schulgesetz aufgenommen und durch § 3 Zweite Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz konkretisiert. Danach wird eine Sonderung der Schülerinnen und Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Erziehungsberechtigten nicht gefördert , wenn entsprechend den Vorgaben der Vorschrift es einen vollen oder teilweisen Schulgelderlass für Minderbemittelte gibt, eine Geschwisterkindermäßigung vorhanden ist und „minderbemittelten Schülerinnen und Schülern für besondere Anschaffungen, Umlagen und Beiträge Nachlass oder Befreiung gewährt wird“. Mit der Genehmigung bekommen die Träger und die Schulen ein Informationsblatt zum Schulgeld und zur Einhaltung des Sonderungsverbots ausgehändigt, das nähere Konkretisierungen hinsichtlich des Einstiegsschulgeldes enthält. Im Genehmigungsschreiben selbst ist festgelegt, dass die Höhe des Schulgeldes den Rahmenbedingungen der Rechtsprechung entsprechen muss und das Eingangsschulgeld bis zu einem jährlichen Familieneinkommen von 29.420 € (brutto) nicht höher als 100 € sein darf und nur schrittweise einkommensabhängig steigen darf. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 783 2 6. Inwieweit kontrolliert der Senat die Aufnahmepraxis an Privatschulen und wo bzw. inwieweit ist landesgesetzlich geregelt, dass der Senat die Aufnahmepraxis kontrolliert? Zu 6.: Die freie Auswahl der Schülerinnen und Schüler fällt unter die durch die Privatschulfreiheit geschützten Tätigkeiten der Schulen in freier Trägerschaft, sodass die Kontrolle der Aufnahmepraxis an den Schulen sich auf die Einhaltung der Genehmigungs- und Anerkennungsvoraussetzungen gem. § 95 Absatz 2 Schulgesetz beschränkt . 7. Ist durch eine landesgesetzliche Regelung festgelegt , wie hoch das durchschnittliche Schulgeld und wie hoch sonstige Beiträge für den Besuch an Privatschulen sein dürfen? Zu 7.: Landesgesetzliche Regelungen zur Höhe des durchschnittlichen Schulgeldes und zur Höhe sonstiger Beiträge existieren nicht. 8. Wenn nein, existiert in Berlin ein transparentes Verfahren zur Ermittlung der Schulgeldhöchstgrenze und wenn ja, auf welcher landesrechtlichen Grundlage? Zu 8.: Ein Verfahren zur Ermittlung einer Schulgeldhöchstgrenze existiert nicht. 9. Welche sonstigen Beiträge neben dem Schulgeld dürfen Privatschulen in Berlin für den Besuch ihrer Schule erheben und inwieweit ist diese Erhebung durch eine landesgesetzliche Regelung geregelt? Zu 9.: Die Schulen in freier Trägerschaft sind frei, sonstige Beiträge zu erheben, solange diese Beiträge nicht ein verdecktes Schulgeld darstellen. Als Kriterien für einen zulässigen Beitrag kann herangezogen werden, ob es sich um einen freiwilligen Beitrag handelt. Bei obligatorischen Beiträgen ist zu berücksichtigen, ob vergleichbare Beiträge an öffentlichen Schulen erhoben werden. Explizite landesgesetzliche Regelungen gibt es hierzu nicht. 10. Existiert eine landesrechtliche Regelung, die das Schulgeld und sonstige Beiträge einkommensabhängig staffelt und wenn ja, wie sehen diese landesrechtliche Regelung und diese Einkommensstaffelung aus? Zu 10.: Das in der Antwort zu 4. und 5. genannte Informationsblatt zum Schulgeld und zur Einhaltung des Sonderungsverbots sieht vor, dass das Eingangsschulgeld von maximal 100 € „einkommensabhängig progressiv schrittweise gesteigert werden kann.“ Eine weitergehende landesrechtliche Regelung existiert nicht. 11. Existiert eine landesrechtliche Regelung, die die Befreiung von Schulgeld und sonstigen Beiträgen für Geringverdiener und Hilfeempfänger nach SGB II und SGB XII vorschreibt und wenn ja, inwiefern? Zu 11.: Erfasst werden Geringverdienerinnen und Geringverdiener sowie Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfänger nach SGB II und SGB XII durch § 3 Zweite Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz. Danach ist unter a) vorgesehen, dass ein Zehntel des Schulgeldsolls zum vollen oder teilweisen Schulgelderlass für „Minderbemittelte“ zur Verfügung gestellt wird. Gemäß § 3 b) Zweite Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz ist eine Geschwisterkindermäßigung vorgesehen, „sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Erziehungsberechtigten dies rechtfertigen und ein entsprechender Antrag gestellt wird“. Zudem wird nach § 3 c) Zweite Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz „minderbemittelten Schülerinnen und Schülern auch für besondere Anschaffungen, Umlagen und Beiträge Nachlass oder Befreiung gewährt“. Leistungsberechtigte nach SGB II und SGB XII sind hier nicht explizit genannt, unterfallen aber der Vorschrift, die vor dem Sozialgesetzbuch (SGB) erlassen wurde. Berlin, den 30. März 2017 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Apr. 2017)