Drucksache 18 / 10 804 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Georg P. Kössler (GRÜNE) vom 24. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. März 2017) und Antwort Berliner Clubkultur – Interessenausgleich bei Nutzungskonflikten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Wenn am Montagmorgen der Bass noch in den Knochen steckt und man in der Bahn sitzt, denkst man vielleicht : Yeah. Mein Heimweg ist nicht weit, denn mein Lieblingsclub ist mitten in der Stadt. Und das soll so bleiben . Unsere Oasen der (Sub-)Kultur sind in Berlin immer häufiger bedroht, weil die Stadt voller, enger und teurer wird. Dabei steigt aber auch die Nachfrage nach Clubkultur jeglicher Couleur. Es ist Aufgabe der Berliner Politik, einen fairen Interessenausgleich zwischen Clubs, Anwohner *innen und Umwelt zu gewährleisten und dabei die Vielfalt unserer einmaligen Kulturmetropole zu erhalten. Dieses Ziel hat sich die Rot-Rot-Grüne Koalition in ihrem Koalitionsvertrag (S. 123) explizit gegeben. Frage 1: Welche Konzepte zur Flächensicherung von Clubs, Kultur- oder Livespielstätten, sowie Open Airs plant der Senat bei Konflikten mit anderen Nutzungsformen wie etwa Wohnbebauung? Antwort zu 1: Städtebauliche Konzepte zur Flächensicherung von Clubs, Kultur- oder Livespielstätten, sowie Open Airs werden vom Senat nicht geplant, weile diese nicht erforderlich sind, denn das bestehende und nachfolgend aufgezeigte „Regelwerk“ zur Bewältigung der Nutzungskonflikte ist ausreichend. Das Rundschreiben Nummer 3/2014 – An emittierende Anlagen heranrückende Wohnbebauung (Einzelvorhaben ) - vom 21. August 2014 der damaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und das eingeführte Clubkataster der Musicboard Berlin GmbH gewährleisten eine verträgliche Bewältigung der Konflikte zwischen Wohnbebauung und den Berliner Clubbetrieben . Das Rundschreiben Nummer 3/2014 ist ein praxisgerechter Leitfaden für die Berliner Baugenehmigungsbehörden zur Bewältigung der Konflikte zwischen Wohnbebauung und Clubbetrieben. Das Clubkataster dient dabei als Handreichung für die Behörden, um zu erkennen, wo potentielle Lärmemittenten vorhanden sind und wo es gilt, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, so dass der Clubbetrieb nicht gefährdet wird. Insbesondere sind im Bebauungsplanverfahren bei der Abwägung die Clubstandorte zu berücksichtigen. Mit dem Musicboard Berlin hat der Senat eine Errichtung geschaffen, die in Kooperation mit der Clubcommission Anlaufstelle für bedrohte Clubbetriebe ist. In Konfliktfällen steht der Musicboard Berlin für eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessen (Clubbetrieb, Wohnbauherr und Genehmigungsbehörde) zur Verfügung . Die Clubcommission hat mit der „Pop in Kiez- Toolbox“ ein Angebot an die Clubbetreiber bereitgestellt, das aktiv Konflikt-Prävention und Konfliktbewältigung hinsichtlich des Themas Lärm im Kiez ermöglicht. Frage 2: Wird der Senat Ausweichstandorte für Clubs bereitstellen, falls diese aufgrund von Lärmbeschwerden schließen müssen, besonders in Fällen in denen bereits ein langjähriger Clubbetrieb stattfand? Antwort zu 2: Im Rahmen des Konzepts der neuen Liegenschaftspolitik achtet der Senat darauf, dass zur Verfügung stehende Räume auch künftig für die Berliner Clubkultur zur Verfügung stehen. Landes- oder bezirkseigene Liegenschaften werden durch die Portfolioanalyse nach ihrem kulturellen, stadtentwicklungs- oder bildungspolitischen Bedarf und Potential überprüft (vgl. Drucksache 17/20201). Zum Beispiel auch im Fall des „Knaack- Clubs“ konnte ein Ausweichstandort im Bezirk Pankow gefunden werden (vgl. Drucksache 17/11604). Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 804 2 Frage 3: Kann der Senat ausschließen, dass für die neu geplanten Wohnquartiere bestehende Einrichtungen der Clubkultur weichen müssen? Wenn nein, was unternimmt der Senat, um einen fairen Ausgleich der Interessen zu gewährleisten? Antwort zu 3: Der Senat hat keine Kenntnis über aktuelle Konflikte zwischen den neu geplanten Wohnquartieren und bestehenden Einrichtung der Clubkultur. Bei praxisgerechter Anwendung des Rundschreibens Nummer 3/2014 durch die Baugenehmigungsbehörde und Vermittlung durch den Musicboard Berlin kann ein fairer Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen gewährleistet werden. Frage 4: Welche Bauvorhaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, der Berlinovo oder der BIM gefährden nach Kenntnis des Senates bestehende Einrichtungen der Clubkultur und was unternimmt der Senat, um einen fairen Ausgleich der Interessen zu gewährleisten? Antwort zu 4: Über die Gefährdung von bestehenden Einrichtungen der Clubkultur durch Bauvorhaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, der Berlinovo oder der BIM hat der Senat keine Kenntnis. Zum fairen Ausgleich der Interessen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 5: Im Londoner „Grassroots Music Venues Rescue Plan“ wurde geplant das „Agent of Change- Principle“ einzuführen, welches den Erstnutzer*innen zusichert, dass nachträgliche Kosten (bspw. für den Bau von Lärmschutzwänden) durch neu hinzukommenden Nutzer*innen getragen werden. Hat der Senat vergleichbares im Sinne eines gesetzlichen Bestandschutzes in Berlin vor? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was? Antwort zu 5: Eine solche generelle Regelung ist in Berlin nicht erforderlich. In den erforderlichen Fällen (z.B. bei fehlender Rücksichtnahme durch Wohnungsbau) können entsprechende Kostentragungspflichten der Wohnbauherren in einem städtebaulichen Vertrag vereinbart werden. Frage 6: Das 2015 eingeführte Clubkataster gibt eine Übersicht über viele Kulturstätten, Vergnügungsstätten sowie Schank- und Speisewirtschaften. Inwiefern plant der Senat das Verzeichnis in städtebauliche Prozesse einzubeziehen? Antwort zu 6: Das Clubkataster ist Grundlage des Verwaltungshandelns der Berliner Behörden und muss im Bebauungsplanverfahren im Rahmen der Abwägung und im Baugenehmigungsverfahren als Grundlage zur Genehmigungsentscheidung (z.B. bei der Prüfung des Rücksichtnahme Gebots) berücksichtigt werden. Frage 7: Plant der Senat die Einrichtung eines Lärmschutzfonds und wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie? (Also in welcher Art bzw. Größe, wer richtet ihn ein und bis wann wird er einsetzbar sein?) Antwort zu 7: Der Senat plant keine Einrichtung eines Lärmschutzfonds, weil dieser aus Sicht des Senats nicht erforderlich ist (vgl. zur Problembewältigung Antworten zu Frage 1 und 5). Frage 8: Wie hat sich Berlin in der Bundesratsberatung der Novellierung des Baugesetzbuches (BT Drs. 18/10942) und der damit einhergehenden Änderung der Vorschriften für passiven Lärmschutz gegen Gewerbelärm (im Rahmen der TA Lärm) positioniert? Antwort zu 8: Die Möglichkeit des passiven Lärmschutzes wurde in § 9 Absatz 1 Nummer 24 Baugesetzbuch neu eingeführt. Der passive Lärmschutz bezieht sich nicht nur auf Gewerbelärm. Diese Regelung hat das Land Berlin im Bundesrat befürwortet. Durch die Änderungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes- Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm –TA Lärm) wurde kein passiver Lärmschutz geregelt. Berlin, den 10. April 2017 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Apr. 2017)