Drucksache 18 / 10 859 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Burkard Dregger und Stephan Lenz (CDU) vom 28. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. März 2017) und Antwort Umgang mit Asylbewerbern und Ausreisepflichtigen im Land Berlin (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was sind derzeit die Bedingungen/ Voraussetzungen für die Beantragung von Haft zum Zwecke der Abschiebung in Berlin? Zu 1.: Um beim Bereitschaftsgericht des Amtsgerichts Tiergarten einen aussichtsreichen Antrag stellen zu können , mit richterlichem Beschluss Haft zur Vorbereitung und/ oder Sicherung der Abschiebung anzuordnen, müssen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 62 Absatz 1 bis 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen. 2. Wie viele Haftanträge wurden seit 2015 gestellt und sind erfolgreich/ nicht erfolgreich entschieden worden ? Zu 2.: Die Zahl der gestellten sowie der erfolgreichen oder zurückgewiesenen Anträge auf Abschiebungshaft wird bei der Berliner Ausländerbehörde statistisch nicht erfasst. 3. Wieso wendet der Senat nicht die in Bayern praktizierte engere Auslegung für die Beantragung von Haft zum Zwecke der Abschiebung an? Zu 3.: Eine in Bayern praktizierte „engere Auslegung für die Beantragung von Haft zum Zwecke der Abschiebung “ ist dem Senat nicht bekannt. Davon abgesehen obliegt die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften für die Anordnung von Abschiebungshaft nicht dem Senat von Berlin oder der Verwaltung, sondern den zuständigen Gerichten. 4. Was sind die Regularien der Härtefallkommission und wie konsequent werden diese eingehalten? Zu 4.: Die Regularien der Härtefallkommission in Berlin ergeben sich aus der Härtefallkommissionsverordnung vom 3. Januar 2005 (GVBl., S. 11), zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 22. April 2009 (GVBl., S. 245). Sie werden unter Berücksichtigung der Neufassung des § 23a Abs. 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes konsequent eingehalten. 5. Werden vollziehbar ausreisepflichtige Personen unverzüglich abgeschoben und wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Soweit ein Verbot der Abschiebung nach § 60 AufenthG nicht besteht und es auch keine rechtlichen oder tatsächlichen Abschiebungshindernisse oder andere Duldungsgründe nach § 60a AufenthG gibt, werden vollziehbar ausreisepflichtige Personen nach Ablauf der ihnen gesetzten Frist zur freiwilligen Ausreise grundsätzlich so zeitnah wie möglich abgeschoben. Diesbezügliche Ausnahmen bestehen aktuell nur im Hinblick auf Syrien (Abschiebungsstopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG) sowie Afghanistan, Irak und die Demokratische Republik Kongo (Zustimmungsvorbehalte der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vor einer Abschiebung in jedem Einzelfall). 6. Werden die gesetzlichen Möglichkeiten der Familientrennung und der Abholung aus der Schule im Falle einer Abschiebung aktuell im Land Berlin genutzt bzw. falls diese Familientrennungen nicht durchgeführt werden , warum nicht? Zu 6.: Auch bei einer Rückführungsmaßnahme ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie grundsätzlich die Familieneinheit zu wahren. Dem gesetzlichen Auftrag wird folgendermaßen nachgekommen : Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 859 2 Sofern beim Abschiebungsvollzugs festgestellt wird, dass ein Familienmitglied bei geplanter gemeinsamer Rückführung fehlt und nicht aufgeklärt werden kann, wo sich das/die nicht angetroffene/n Familienmitglied/er aufhalten bzw. – auch wenn der Aufenthaltsort ggf. klar ist – die Familieneinheit für den Vollzug der Abschiebung nicht mehr rechtzeitig hergestellt werden kann, wird die Rückführungsmaßnahme daher für die gesamte Familie abgebrochen. Wird festgestellt, dass sich ein Kind in der Schule oder einer Kindertagesstätte befindet, wird gleichwohl keine Abholung des Kindes aus der Schule oder Kindertagesstätte veranlasst. Kommt die Familie ihrer Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nach, kann bei weiteren Abschiebungsversuchen sodann jedoch eine Trennung der Familie erfolgen . Hierauf werden die Betreffenden von der Ausländerbehörde zuvor schriftlich hingewiesen. Eine isolierte Abschiebung oder ein Zurückbleiben von minderjährigen ledigen Kindern ohne einen sorgeberechtigten Elternteil erfolgt jedoch nicht. 7. Wie stellt sich die Landesregierung die Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes im Zusammenhang mit der Aufenthaltsbeendigung vor? Zu 7.: Die Richtlinien der Regierungspolitik sehen einen Paradigmenwechsel bei der Aufenthaltsbeendigung vor. Um Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, zur Rückkehr in ihre Herkunftsstaaten zu bewegen, wird künftig noch stärker auf die Förderung der freiwilligen Ausreise gesetzt. Wird jedoch trotz eingehender Beratung oder auch finanzieller Anreize die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nicht genutzt oder ist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Überwachung der Ausreise erforderlich, wird die vollziehbare Ausreisepflicht – dem gesetzlichen Auftrag entsprechend – auch weiterhin im Wege der Abschiebung durchgesetzt. Dabei werden Rückführungsmaßnahmen so durchgeführt, dass insbesondere Abschiebungen aus Schulen, Jugendeinrichtungen und Krankenhäusern sowie – zumindest im ersten Abschiebungsversuch – die Trennung von Familien nicht mehr stattfinden. Es ist festzustellen, dass diese Maßgaben bislang keinen mindernden Einfluss auf die Abschiebungszahlen haben. 8. Werden ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige, die das Angebot zur freiwilligen Ausreise nicht wahrnehmen , einen Sonderstatus erhalten? Zu 8.: Da die Ausreisepflicht – wenn auch unter stärkerer Betonung des Vorrangs und der Förderung der freiwilligen Ausreise – konsequent durchgesetzt wird, besteht für die Einräumung eines wie auch immer gearteten „Sonderstatus“ keine Veranlassung. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Nach welchem Zeitraum werden ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige, die das Angebot zur freiwilligen Ausreise nicht wahrnehmen, zwangsweise abgeschoben? Zu 9.: Ob und in welchem Zeitraum die Ausreisepflicht zwangsweise durch eine Abschiebung durchgesetzt werden kann, ist jeweils vom Einzelfall sowie Herkunftsstaat abhängig und derart unterschiedlich, dass eine allgemeingültige Auskunft nicht erteilt werden kann. 10. Wie sollen längere Aufenthalte von Ausreisepflichtigen finanziert werden, wenn der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen oder eine Abschiebung nicht unverzüglich durchgeführt wird? Zu 10.: Die Gewährung von Leistungen an vollziehbar ausreisepflichtige Personen erfolgt nach Recht und Gesetz . 11. Mit Kosten in welcher Höhe ist in diesem Zusammenhang zu rechnen? Zu 11.: Die erfragten Kosten können für einen variablen Personenkreis mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer als Gesamtsumme nicht berechnet werden. Des Weiteren wird auf die Beantwortung von Frage 5 zur Schriftlichen Anfrage Nr. 18/10 183 vom 03. Januar 2017 verwiesen. 12. Werden Personen, die nach der Erstregistrierung in das beschleunigte Verfahren gelangen, nach der Beendigung der Einspruchsfristen und der Frist zur freiwilligen Ausreise, auch unverzüglich abgeschoben? 13. Wie viele Personen befinden sich aktuell im Land Berlin im „Beschleunigten Verfahren“ bzw. wird dieses Verfahren in Berlin angewendet? Zu 12. und 13.: Im Land Berlin werden keine beschleunigten Verfahren nach § 30a AsylG durchgeführt. Eine Vereinbarung nach § 5 Abs. 5 AsylG zwischen dem Land Berlin und dem Leiter des Bundesamts für Migration wurde bislang nicht getroffen. Berlin, den 12. April 2017 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Apr. 2017)