Drucksache 18 / 10 886 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thorsten Weiß (AfD) vom 03. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. April 2017) und Antwort Die „Identitäre Bewegung“ in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte für von der „ldentitären Bewegung“ ausgehende „Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder“ (§ 5 Abs. 1 VSG Bln) liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz bzw. der Landesregierung vor? 2. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte für von der „ldentitären Bewegung“ ausgehende „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 VSG Bln) liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz bzw. der Landesregierung vor? 3. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte für von der „ldentitären Bewegung“ ausgehende „sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 VSG Bln) liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz bzw. der Landesregierung vor? 4. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte für von der „ldentitären Bewegung“ ausgehende „Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes ) gerichtet sind.“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 VSG Bln) liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz bzw. der Landesregierung vor? Zu 1. bis 4.: Bei der „Identitären Bewegung Berlin Brandenburg“ (IB BB) bestehen tatsächliche Anhaltspunkte , dass es sich bei ihr um eine Bestrebung gem. § 5 Abs. 2 VSG Bln handelt, da sie sich in diskriminierender und verletzender Weise gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richtet. Die ideologischen Grundlagen der IB BB sind darauf ausgerichtet, wesentliche Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beschädigen bzw. außer Kraft zu setzen. Die IB BB behauptet einen Verlust europäischer kultureller Identität durch eine vermeintliche „Islamisierung“ und Überfremdung („Der große Austausch“). Sie stützt sich dabei auf das Konzept des Ethnopluralismus. Dieser Ansatz, der auf Vordenker der so genannten Neuen Rechten zurückgeht, wird auch als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet, da er nicht biologistisch argumentiert. Er konstruiert vielmehr das vermeintlich „Fremde“ anhand von Merkmalen wie Kultur oder Religion und zieht daraus die unbedingte Konsequenz einer Trennung von Ethnien und Religionsgemeinschaften. Die sich daraus ergebende Unterscheidung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder kulturellen Wurzeln ist ein klassisches Merkmal extremistischer Ideologie. Die IB definiert die Identität und Wertigkeit eines Menschen aufgrund seiner ethnischen Herkunft. Die Identität ist in dieser Logik vor allem durch die jeweiligen kulturellen Eigenheiten eines Volkes geprägt. Mittelpunkt der Ideologie der „Identitären Bewegung“ ist ein kollektivistisches Verständnis von „Freiheit, Heimat, Tradition“, das primär auf Ausgrenzung, Abwertung und Ungleichheit setzt und das sich damit kategorisch gegen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung richtet. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 886 2 5. Liegen dem Amt für Verfassungsschutz bzw. der Landesregierung Erkenntnisse vor, wonach die „Identitäre Bewegung“ in Wort und/oder Schrift und/oder Tat die Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland infrage gestellt hätte? Wenn ja, wann genau und in welcher Form erfolgte diese Infragestellung? Zu 5.: Der Senat beobachtet extremistische Bestrebungen und gibt darüber unter anderem in dem jährlichen Berliner Verfassungsschutzbericht Auskunft. Seit dem Berichtsjahr 2014 wird die IB BB dort erwähnt. Daher wird auf die Ausführungen zu der IB BB in den Jahresberichten verwiesen. 6. Wie vielen Straftaten der „Identitären Bewegung“ in Berlin sind der Landesregierung bekannt? Welche Straftaten waren das im Einzelnen und wie viele Straftaten lassen sich hier welchen Delikten zuordnen? Zu 6.: Die „Identitäre Bewegung“ ist ein Erfassungskriterium im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK), dennoch ist eine valide quantitative Aussage dazu nicht möglich, da eine zweifelsfreie Zuordnung von Straftaten zur „Identitären Bewegung“ nicht immer möglich ist. 7. In wie vielen Fällen wurde das Anbringen von Aufklebern mit Bezug zur „Identitären Bewegung“ als Sachbeschädigung gewertet? Zu 7.: Für das Jahr 2013 wurde ein Fall der Sachbeschädigung gemäß § 303 Strafgesetzbuch (StGB) durch Anbringen von Aufklebern der Organisation „Identitäre Bewegung“ im/ durch den KPMD-PMK verzeichnet (2016 zwei Fälle). Berlin, den 13. April 2017 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Apr. 2017)