Drucksache 18 / 10 908 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg und Katalin Gennburg (LINKE) vom 06. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. April 2017) und Antwort Entwicklungen der Enteignungen und enteignungsgleichen Eingriffe im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Anträge auf Enteignungen sind seit dem 01.01.2012 bei der Enteignungsbehörde Berlin eingegangen (bitte aufschlüsseln nach Jahren und wenn möglich Bezirkszugehörigkeit des betroffenen Enteignungsgegenstandes sowie danach, ob es sich bei dem Antragsteller um eine Person des öffentlichen oder des Privatrechts bzw. mehrheitlich öffentlich beherrschte Unternehmen handelte)? Antwort zu 1: Vom 01.01.2012 bis 31.03.2017 sind bei der Enteignungsbehörde des Landes Berlin insgesamt 100 Anträge auf Enteignung eingegangen. Enteignungen umfassen hier auch die diesem zuzurechnenden Verfahren , wie die Durchführung von Entziehungs-, Entschädigungsfeststellungs - und Besitzeinweisungsverfahren. Die Aufgliederung nach Jahren, Bezirkszugehörigkeit und Differenzierung der Antragstellenden in eine Person des Öffentlichen Rechts (ÖR) oder Privatrechts (PR) ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle. 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Verfahren je Bezirk Antragsteller ist Person … des ÖR … des PR Friedrichshain- Kreuzberg 1 1 1 Treptow-Köpenick 4 3 27 34 34 Mitte 1 3 2 6 3 3 Lichtenberg 14 3 17 17 Neukölln 20 1 1 22 22 Tempelhof-Schöneberg 1 1 2 1 1 Pankow 10 8 18 10 8 Summe der Verfahren pro Jahr 6 40 34 11 8 1 100 70 30 Frage 2: Wie wurden die vorbezeichneten Anträge beschieden und auf jeweils welche Entschädigungssumme (einschließlich etwaiger Zinsen) wurde bei den ganz oder teilweise erfolgreichen Anträgen jeweils erkannt und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Enteignung jeweils? Antwort zu 2: Differenzierte Aussagen lassen sich hierzu nur eingeschränkt treffen, auch weil sie in ihrer nachgefragten spezifischen Art und Weise statistisch nicht erfasst werden. Grundsätzlich ist die Beantragung eines Enteignungsverfahrens das letzte Mittel, wenn alle gütlichen Verhandlungen mit den Betroffenen seitens des Vorhabens- bzw. Maßnahmenträgers nicht zum Erfolg geführt haben. Die Enteignungsbehörde ist gesetzlich verpflichtet, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, was in den meisten Fällen auch gelingt. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Enteignungsbehörde über den Antrag und setzt zugleich die vom Entschädigungsverpflichteten zu leistende Entschädigung fest. Durch Enteignung können das Eigentum Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 908 2 an Grundstücken und andere Rechte an Grundstücken entzogen oder belastet werden. Gleiches gilt für die vom Eigentümer ausgehende Entziehung oder Belastung des Eigentums an Grundstücken. Ferner können durch Enteignung Rechte entzogen werden, die zum Erwerb, Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen, oder die den Verpflichteten in der Benutzung von Grundstücken beschränken. Wie in der nachfolgenden Tabelle dargestellt, wurden von den vorbezeichneten 100 Anträgen 45 beendet, davon 19 beschieden. 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Gesamt erledigte Vorgänge Erledigung durch Einigung 9 5 1 9 2 26 Erledigung durch Entscheidung 4 1 12 2 19 Gesamt 13 6 13 11 2 45 Die Erledigungen betrafen u.a. den Entzug des unmittelbaren Besitzes an Grundeigentum und Wohnungen, den Entzug von Grundeigentum, den Entzug sowie die Begründung von Rechten an Grundstücken, die Feststellung von Entschädigungen und Ablehnungen von Entschädigungsforderungen . Die Entschädigungssummen, die durch die Enteignungsbehörde festgesetzt bzw. durch Einigungen zwischen den Beteiligten vereinbart wurden, weisen eine Bandbreite von ca. 1.500,00 € bis ca. 500.000,00 € auf. Es ist darauf hinzuweisen, dass in dem angefragten Zeitraum auch diverse Anträge erledigt wurden, deren Antragstellung vor dem 01.01.2012 lag und die daher hier nicht aufgeführt sind. Rechtsgrundlagen waren §§ 85, 112, 116 Baugesetzbuch , §§ 21, 22 Allgemeines Eisenbahngesetz, §§ 18 f,19 Bundesfernstraßengesetz, §§ 24, 25 Berliner Straßengesetz , §§ 16, 19 Luftverkehrsgesetz und § 44 Bundeswasserstraßengesetz . Frage 3: Auf welche Gesamtsumme (einschließlich Zinsen) belaufen sich kumuliert sämtliche seit dem 01.01.2012 kassenwirksam gewordene Entschädigungszahlungen ? Antwort zu 3: Grundsätzlich gilt, dass eine Entschädigungszahlung niemals von der Enteignungsbehörde geleistet wird. Die Erfüllung der angeordneten Entschädigungsleistung erfolgt ausschließlich zwischen dem Entschädigungsverpflichteten , hier dem Vorhabens- bzw. Maßnahmenträger, und dem Entschädigungsberechtigten, im Regelfall dem Grundstückseigentümer. Da die Entschädigungszahlungen nicht nur vom Land Berlin, sondern auch von anderen juristischen Personen, wie z.B. der DB Netz AG, der DB Station & Service AG, der Bundesrepublik Deutschland etc. zu leisten sind, kann eine aktuelle kumulierte Gesamtsumme nicht angegeben werden. Frage 4: Wie lange betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit zwischen Eingang der Anträge und der Erledigung ? Antwort zu 4: Die durchschnittliche Bearbeitungszeit zwischen Eingang der Anträge und deren Erledigung betrug in dem angefragten Zeitraum in den Verfahren mit einer Entscheidung der Enteignungsbehörde ca. 8 Monate und in Verfahren ohne Entscheidung der Enteignungsbehörde ca. 14 Monate. Diese durchschnittliche Bearbeitungszeit ist jedoch nicht aussagekräftig, weil nur für einen temporären Ausschnitt ein rechnerischer Mittelwert gebildet wird, der der tatsächlichen Dauer der Bearbeitung nicht entspricht. Aufgrund der Komplexität jedes einzelnen Verfahrens beträgt die tatsächliche Bearbeitungsdauer meist mehrere Jahre. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen der Enteignungsbehörde regelmäßig von den Verfahrensbeteiligten genutzt wird. Diese nimmt wiederum mehrere Jahre in Anspruch . Berlin, den 21. April 2017 In Vertretung S e b a s t i a n S c h e e l ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Apr. 2017)