Drucksache 18 / 10 943 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 30. März 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2017) und Antwort Organisierte Kriminalität in Berlin – Drogenhandel Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Großrazzien mit Bezug zum Drogenhandel gab es von 2010 bis heute in Berlin? (Aufstellung nach Polizeiabschnitten erbeten.) Zu 1.: Der Begriff „Razzia“ ist einheitlich in der Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100 - Führung und Einsatz der Polizei – VS – NfD) definiert, jedoch gibt es keine Festlegungen, ab welcher Größenordnung von einer „Großrazzia“ auszugehen ist. Bei Razzien handelt es sich nicht um Maßnahmen, die geeignet wären, um den organisierten Drogenhandel erfolgreich zu bekämpfen. Entsprechend führt die Polizei Berlin keine Razzien zur Bekämpfung des bandenmäßig organisierten Drogenhandels im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) durch. 2. Welche Drogenarten wurden dabei in welchem Umfang konfisziert? (Aufstellung nach Marihuana, Kokain , Amphetamine, Crystal Meth sowie weitere erbeten) Zu 2.: Es können keine Aussagen zu Betäubungsmitteln (BtM), die ausschließlich bei Razzien beschlagnahmt wurden, getroffen werden. Es können lediglich Angaben zu den tatsächlich in Berlin festgestellten Gesamt-Sicherstellungsmengen gemacht werden, deren Zahlen der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen sind. Aufgrund gemeinsamer Fallbearbeitungen durch die Polizei Berlin und des Zollfahndungsamtes (ZFA) Berlin-Brandenburg werden die Sicherstellungsmengen seit 2013 zusammengefasst dargestellt. Aufgrund fehlender Vergleichbarkeit sind Angaben für die Jahre 2010 - 2012 nicht möglich. Rauschgiftart 2013 2014 2015 2016 Heroin in kg 30,3 33,8 8,9 92,0 Kokain in kg 18,4 177,1 410,6 24,1 Cannabisharz in kg 130,5 49,6 39,0 72,9 Marihuana in kg 307,0 214,2 240,2 340,5 Hanfpflanzen (in Stückzahl) 11.288 11.416 28.383 5.549 Lysergsäurediethylamid (LSD) (in Stückzahl) 867 1.069 603 15.299 Amphetamin in kg 157,3 46,5 58,2 50,8 Amphetaminderivat (in Stückzahl) 22.888 27.746 31.005 66.198 psilocybinhaltige Pilze in kg 0,4 0,3 0,2 0,8 Crystal in kg 0,7 0,9 6,0 1,4 (Quelle: Falldatei Rauschgift) Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 943 2 3. Von welchem Marktwert kann hinsichtlich der unter 1. und 2. aufgeführten beschlagnahmten Drogen ausgegangen werden? (Aufstellung nach Drogenarten erbeten .) Zu 3.: Auf Grundlage der unter Frage 2 aufgeführten Gesamtübersicht aller Sicherstellungen von BtM in Berlin im Rahmen von Strafermittlungsverfahren wird der Marktwert der beschlagnahmten Drogen anhand von überwiegend - bei Strafverfahren in Berlin bekannt gewordenen - Straßenverkaufspreisen dargestellt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um valide Angaben , da nur vereinzelt überprüfbare Preise bekannt werden . Darüber hinaus wird bei den Marktpreisen in der Regel nach Straßen- (EURO/g bzw. EU- RO/Konsumeinheit) und Großhandelspreisen (EURO/kg bzw. EURO/1.000 Stück) unterschieden. Bei der nachfolgenden Berechnung wurde lediglich die Gesamtsicherstellungsmenge mit dem Straßenhandelspreis multipliziert. Keine Berücksichtigung findet hierbei der Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel und damit das szeneübliche Versetzen hochprozentiger Suchtstoffe mit Streckmitteln im jeweiligen Einzelfall, die erst dann den Konsumenten erreichen. Die Tabelle kann daher den tatsächlichen Straßenverkaufswert nur bedingt widerspiegeln. „Marktwert“ in EURO 2013 2014 2015 2016 Heroin 1.212.000 1.352.000 356.000 2.760.000 Kokain 920.000 8.855.000 24.636.000 1.446.000 Cannabisharz 1.305.000 496.000 390.000 510.300 Marihuana 3.070.000 2.142.000 2.402.000 3.405.000 Lysergsäurediethylamid (LSD) 4.335 5.345 3.015 76.495 Amphetamin 1.573.000 465.000 582.000 508.000 Amphetaminderivat 228.880 166.476 310.050 661.980 psilocybinhaltige Pilze 4.000 3.000 2.000 8.000 Crystal Keine Info. 135.000 780.000 168.000 Gesamtwert (EURO) 8.317.215 13.619.821 29.461.065 9.543.775 4. Wie viele Drogenhändler-Ringe konnten von 2010 bis heute in Berlin aufgelöst werden? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 4.: Der Begriff „Drogenhändler-Ring“ wird von der Polizei Berlin nicht verwandt. Schließen sich mindestens drei Straftäter zur fortgesetzten Begehung des unerlaubten Anbaus, der Herstellung oder des Handels zusammen , wird gegen sie als Mitglied einer Bande ermittelt . Die bandenmäßige Begehung von Straftaten ist ein Kriterium der vom Bundeskriminalamt herausgegebenen Definition für Organisierte Kriminalität. Als Grundlage der Antwort werden daher die beim Landeskriminalamt Berlin geführten Ermittlungskomplexe, die als Organisierte Kriminalität eingestuft wurden, herangezogen. Dem Kriminalitätsbereich Rauschgift können 46 Ermittlungskomplexe für den Zeitraum von 2010-2016 zugeordnet werden. Eine Differenzierung für die einzelnen Jahre ist nicht eindeutig vorzunehmen, da Verfahren teilweise über mehrere Jahre fortgeschrieben und bearbeitet werden. Ob in Folge der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit diesen Verfahrenskomplexen „Drogenhändlerringe“ nachhaltig aufgelöst werden konnten, kann von der Polizei Berlin nicht abschließend beurteilt werden. 5. Welche Rolle spielt die Rockerkriminalität beim Drogenhandel in Berlin? Zu 5.: Drogenhandel ist bei relevanten Rockerclubs unter anderen ein Zweig der Geldbeschaffung und nimmt nicht immer zwingend eine herausragende Stellung ein. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 943 3 6. Welche Rolle spielen beim Drogenhandel kriminelle Clans in Berlin? Zu 6.: Der Begriff „kriminelle Clans“ wird von der Polizei Berlin nicht verwandt, da der Begriff „Clan“ keiner verbindlichen Definition unterliegt und sich Strafverfahren immer gegen einzelne Straftäterinnen und Straftäter – unabhängig von ihrer Familienzugehörigkeit – richten . Eine Familienzugehörigkeit wird statistisch nicht erfasst. 7. Wie viele Verfahren gab es in diesem Bereich von 2010 bis heute in Berlin? (Aufstellung nach Verhaftungen und Verurteilungen erbeten.) Zu 7.: Im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität wurden bei der Staatsanwaltschaft Berlin zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 26. April 2017 wegen Drogenhandels insgesamt 12.514 Verfahren geführt. Es handelt sich dabei nur um Verfahren, in denen wegen mindestens eines Delikts ermittelt wurde, für das das Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorsieht. Dies sind das gewerbsmäßige unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (29 Abs. 3 BtMG), das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a BtMG), das bandenmäßige unerlaubte Handeltreiben (§ 30 BtMG) bzw. das bandenmäßige unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a BtMG). Die genannten Verfahren richteten sich gegen insgesamt 14.766 Beschuldigte. Gegen 1.801 dieser Beschuldigten wurde Untersuchungshaft vollzogen. Insgesamt kam es gegen 2.760 Angeklagte zu einer rechtskräftigen Verurteilung. Es wurde dabei gegen 4 Angeklagte auf eine Erziehungsmaßregel, 1094 Angeklagte auf eine Freiheitsstrafe mit Bewährung, 654 Angeklagte auf eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung, 778 Angeklagte auf eine Geldstrafe, 27 Angeklagte auf eine Gesamtfreiheitsstrafe mit Bewährung, 29 Angeklagte auf eine Gesamtfreiheitsstrafe ohne Bewährung, 71 Angeklagte auf eine Gesamtgeldstrafe, 22 Angeklagte auf einen Jugendarrest, 48 Angeklagte auf eine Jugendstrafe mit Bewährung, 27 Angeklagte auf eine Jugendstrafe ohne Bewährung, 1 Angeklagten auf einen Strafarrest mit Bewährung und 5 Angeklagte auf einen Strafvorbehalt erkannt. Für den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2012 können keine verlässlichen Daten genannt werden, weil das Aktenverwaltungssystem MESTA (Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation) erst zum 1. Dezember 2012 in Betrieb genommen wurde. Berlin, den 28. April 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai 2017)