Drucksache 18 / 10 950 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hendrikje Klein und Katrin Möller (LINKE) vom 10. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2017) und Antwort Kinder- und Jugendbeteiligung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die gegenwärtigen Möglichkeiten der Kinder- und Jugendbeteiligung in Berlin auch angesichts der Aussagen des 15. Kinder- und Jugendberichts über deren wachsende Bedeutung? Zu 1.: Der Senat begrüßt den 15. Kinder- und Jugendbericht mit dem Leitmotiv „Jugend ermöglichen“. Der Bericht knüpft an die wichtigen Debatten um die Profilierung und Weiterentwicklung von Politik mit und für Jugendliche und junge(n) Erwachsene(n) an und beschreibt die wesentlichen Herausforderungen des institutionellen Gefüges des Jugendalters beim Aufwachsen. Mit der leitenden Perspektive des Berichts „Jugend ermöglichen“ sieht sich der Senat in seiner Haltung, die aktive Beteiligung junger Menschen in den verschiedenen Lebensbereichen zu fördern sowie ihr Recht auf Selbstorganisation an allen sie und ihre Zukunft betreffenden Entscheidungen zu unterstützen, bestätigt. Die Stärkung der Kinder- und Jugendbeteiligung in Berlin ist seit langem ein jugendpolitischer Schwerpunkt und über das Achte Soziale Gesetzbuch (SGB VIII) hinaus gesetzlich im § 5 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) verankert. Auch in den „Richtlinien der Regierungspolitik“ der laufenden Wahlperiode benennt der Senat das Ziel der Förderung einer aktiven Beteiligung junger Menschen in allen Lebensbereichen als wesentliche Schwerpunktaufgabe. Dementsprechend sind der Erhalt und der Ausbau der in Berlin vielfältig vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sowie die institutionelle Verankerung von Partizipation und Förderung von wirksamer Mitbestimmung weiterhin von besonderer Bedeutung. 2. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat im Hinblick auf die qualitative und quantitative Entwicklung der Kinder- und Jugendbeteiligung auf Landesebene sowie in den Berliner Bezirken? 3. Welche konkreten Bestrebungen gibt es seitens des Senats, Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen im Land Berlin zu stärken? 4. Welche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte und konkrete Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Bezirkspolitik haben Kinder und Jugendliche in den Bezirksverordnetenversammlungen ? 5. Welche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte und konkrete Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Landespolitik haben Kinder und Jugendliche im Berliner Abgeordnetenhaus? Zu 2., 3., 4. und 5.: Ein wesentlicher Ankerpunkt für eine aktive Beteiligung ist die Kinder- und Jugendarbeit. Zur Stärkung der Kinder- und Jugendbeteiligung und deren qualitativer Weiterentwicklung sollen die fachlichen Zielstellungen und Rahmenbedingungen für die Kinder- und Jugendarbeit so gestaltet werden, dass Konzepte , Programme und Verfahren sich an den Zielen der bundesweit entwickelten verbindlichen „Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 3. Auflage 2015) orientieren. Die Berücksichtigung dieser Qualitätsstandards ist eine Aufgabe der fachlichen Steuerung bei der Förderung von Projekten und Programmen auf Bezirks- und Landesebene. Ferner soll sowohl gegenüber den Kindern und Jugendlichen als auch gegenüber den pädagogischen Fachkräften und der Öffentlichkeit verstärkt über Beteiligungsrechte und Möglichkeiten der strukturellen Verankerung der Kinder- und Jugendbeteiligung informiert werden. Da trotz der von der Landesarbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII „Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen “ erarbeiteten „Standards für Koordinierungsstellen und Beteiligungsbüros der Kinder- und Jugendmitbestimmung in Berlin“, die den Bezirken zur Umsetzung empfohlen wurden, noch nicht in allen Bezirken gleichermaßen verlässliche Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit vorhanden sind, wird u.a. im Zusammen- Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 950 2 hang mit der Erarbeitung eines Jugendfördergesetzes zu prüfen sein, wie dies zukünftig gesichert werden kann. Eine Umfrage unter den Bezirken hat ergeben, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme von Kindern und Jugendlichen auf die Bezirkspolitik sehr unterschiedlich sind. So haben z.B. in einigen Bezirken Kinder und Jugendliche durch das bezirkliche Kinder- und Jugendparlament direkte Mitwirkungsrechte in Form eines Antragsrechts in der Bezirksverordnetenversammlung. In anderen Bezirken beteiligt der Jugendhilfeausschuss Kinder und Jugendliche themenbezogen mit der Möglichkeit der Anhörung . Auf Landesebene hat der Landesjugendhilfeausschuss junge Menschen zur Mitarbeit in der Steuerungsrunde des Jugend-Demokratiefonds benannt. Weitere Einflussmöglichkeiten bestehen im Rahmen der Jugendverbände, des jugendFORUMs, der U18-Wahlen und des Berliner Jugendportal jup! 6. Durch wen und wie werden Kinder und Jugendliche über ihre Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Beteiligungsmöglichkeiten in Berlin und in den Bezirken informiert und bei der Inanspruchnahme beraten und begleitet? Zu 6.: Die Drehscheibe Kinder- und Jugendpolitik Berlin der Stiftung Sozialpädagogisches Institut (SPI) stellt auf Landesebene eine Informationsseite zu Beteiligungsrechten und Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung (mitbestimmen-in-berlin.de). jup! Berlin, das Landesportal für Jugendliche, informiert Jugendliche über Beteiligungsrechte und Beteiligungsmöglichkeiten . Im Handbuch Qualitätsmanagement der Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen ist die Information junger Menschen über Rechte und die Begleitung entsprechender Projekte festgelegt. Darüber hinaus obliegt es u.a. den Bezirken, die Information, Beratung und Begleitung von Vorhaben der Kinder- und Jugendbeteiligung zu organisieren . 7. In welchen Ausbildungsberufen bzw. Studiengängen (z.B. pädagogische Berufe, Verwaltung, Polizei, Politik, Recht, Stadtentwicklung und –planung u.a.) sind die UN-Kinderrechtskonvention sowie die Kinder- und Jugendbeteiligung im Curriculum fest verankert? Zu 7.: Im „Rahmenlehrplan für Unterricht und Erziehung “ der staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik kommt dem Thema Partizipation als Querschnittsaufgabe eine besondere Bedeutung zu. Die Ausbildung zur Erzieherin /zum Erzieher vermittelt eine Grundhaltung, die eine Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Entscheidungen des öffentlichen Lebens ermöglichen soll, mit dem Ziel einer demokratischen Teilhabe an der Gesellschaft. In diesem Sinn zieht sich die Querschnittaufgabe durch alle Lernfelder der Ausbildung . Die UN-Kinderrechtskonvention ist dabei als rechtliche Rahmenbedingung eine wichtige Grundlage. Ebenso ist das Thema Partizipation, einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingung der UN- Kinderrechtskonvention, Bestandteil der Handbücher der einschlägigen Studiengänge der Kindheitspädagogik und der Sozialen Arbeit an den Berliner Hochschulen. An der Alice-Salomon Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin ist die UN- Kinderrechtskonvention sowie die Kinder- und Jugendbeteiligung in den grundständigen Studiengängen „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ und im weiterbildenden Masterstudiengang „Kinderschutz - Dialogische Qualitätsentwicklung in den Frühen Hilfen und im Kinderschutz “ verankert. An der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin wird im Bachelorstudiengang „Gehobener Polizeivollzugsdienst“ die Kinderrechtskonvention insbesondere im Modul „Grund- und Menschenrechte “ behandelt. Im Modul „Kriminalität im Lebenslauf “ findet zudem eine ausführliche Beschäftigung mit dem Thema Strafbegehung und Viktimisierung mit Blick auf das Alter sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen und Bezügen zur polizeilichen Sachbearbeitung von Jugendsachen statt. Im Studiengang „Rechtspflege“ wird u.a. die Einbeziehung von Kindern in familienrechtliche Entscheidungen und deren Recht auf Gehör in gerichtlichen Verfahren thematisiert. Die Technische Universität Berlin teilte mit, dass die UN-Kinderrechtskonvention sowie die Kinder- und Jugendbeteiligung , wenngleich nicht fest im Curriculum des Studiengangs „Stadt- und Regionalplanung“ verankert, so doch im Rahmen von Lehrveranstaltungen thematisiert werde. Am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin besteht in den Studiengängen Bildungs- und Erziehungswissenschaft (Bachelorstudiengang ) und Demokratiepädagogische Schulentwicklung und soziale Kompetenzen (weiterbildender Masterstudiengang ) eine curriculare Verankerung. Im Bachelorstudiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft sind Themen der UN- Kinderechtskonvention (teilweise) in den Lehrveranstaltungen der folgenden Pflichtmodule enthalten: Modul 4 „Institutionalisierung von Bildung und Erziehung“ und im Modul „Rechtliche Grundlagen pädagogischen Handelns “. Im Masterstudiengang Demokratiepädagogische Schulentwicklung und soziale Kompetenzen sind es die Module A „Konzepte Demokratietheorie/Pädagogik“ und C „Demokratische Schulentwicklung“. 8. Welche Möglichkeiten zur Qualifizierung in Sachen Kinder- und Jugendbeteiligung werden vom Land Berlin bzw. von Dritten für die unterschiedlichen Akteure , auch für Kinder, Jugendliche und junge Menschen, angeboten und hält der Senat diese für bedarfsgerecht und ausreichend? Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10 950 3 9. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat, die Angebote und Möglichkeiten zur Qualifizierung in Sachen Kinder- und Jugendbeteiligung für die berufliche Praxis aber auch für ehrenamtlich Tätige auszubauen und dafür zu werben? Zu 8. und 9.: Das landeseigene Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) hat in seinem Programm ein umfangreiches Angebot zu Fragen der Kinder- und Jugendbeteiligung. So gibt es Fortbildungen , die das Thema Kinderrechte explizit schon im Titel ausweisen (z.B. „Die verstehen das doch noch nicht! - Pädagogische Haltung und Kinderrechte im Kita- Alltag“; „Partizipation und gesellschaftliches Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit“). Darüber hinaus werden viele Fortbildungen angeboten, die u.a. die Themen Menschenrechtsbildung , Kinderrechts- sowie UN- Behindertenrechtskonvention mit behandeln. Die vorgehaltenen Angebote sind ausreichend, bei verändertem oder vermehrtem Bedarf wird zeitnah reagiert und nachgesteuert . Qualifizierungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche bestehen insbesondere in den im Landesjugendring organisierten Jugendverbänden sowie bezirklichen Initiativen wie dem Peerhelper-Projekt im Bezirk Neukölln und den Kinder- und Jugendparlamenten in Charlottenburg-Wilmersdorf und in Tempelhof- Schöneberg. Darüber hinaus gibt es Fort- und Weiterbildungsangebote von freien und kirchlichen Trägern, die sich teilweise auch an ehrenamtlich Tätige richten. Berlin, den 26. April 2017 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Apr. 2017)