Drucksache 18 / 10 985 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 07. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. April 2017) und Antwort Wie lässt sich der zweite Rettungsweg mittels Drehleiter gewährleisten, wenn die Aufstellfläche zu klein ist? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass die Berliner Feuerwehr zur Sicherung des zweiten Rettungsweges bei neuen Gebäuden und Dachgeschossausbauten auf einer 5,5 m x 11 m großen Aufstellfläche für Feuerwehrfahrzeuge besteht? Zu 1.: Das trifft zu. Zur Sicherstellung des zweiten Rettungsweges sind bei Nutzungseinheiten, die mehr als 8 Meter über der Geländeoberfläche liegen, Hubrettungsfahrzeuge erforderlich. Technisch bedingt sind nach DIN EN 14043: 2014-04 zum Erreichen der Nennrettungshöhe in der geforderten Zeit Aufstellflächen von 11 m Länge und 5,5 m Breite erforderlich. 2. Welche Auswirkungen hat die erhobene Forderung nach einer Aufstellfläche in der angegebenen Größe auf die Genehmigungsverfahren für neue Wohngebäude (z.B. Lückenschlüsse) und Dachgeschossausbau in den Bezirken ? Zu 2.: Durch die Aufstellflächen im öffentlichen Straßenland wird die Berliner Feuerwehr in die Lage versetzt, den zweiten Rettungsweg über Hubrettungsfahrzeuge und somit ohne Mehrkosten für den Bauherren sicherzustellen . Steht die Aufstellfläche für die Feuerwehr-Drehleiter auf der öffentlichen Straße nicht zur Verfügung und kann diese auch nicht auf dem Grundstück angelegt werden, muss der zweite Rettungsweg baulich realisiert werden, z. B. durch eine hofseitig angeordnete Außentreppe, oder es wird ein Sicherheitstreppenraum gemäß den Ausführungsvorschriften über den Bau von Sicherheitstreppenräumen (AV SiTrR Bln) vom 19.12.2016 ausgeführt. 3. Wie sichert die Feuerwehr den zweiten Rettungsweg bei in der Vergangenheit genehmigten und vollzogenen Dachgeschossausbauten, wenn eine Aufstellfläche von 5,5 m x 11 m im öffentlichen Straßenland nicht realisierbar und kein zweiter baulicher Rettungsweg vorhanden ist? Zu 3.: Die Berliner Feuerwehr kann den zweiten Rettungsweg in diesen Fällen nicht über Hubrettungsfahrzeuge garantieren. 4. Trifft es zu, dass die Breite der Aufstellfläche von 5,5 m daraus resultiert, dass beidseitig des Feuerwehrfahrzeuges Stützen ausgefahren werden, die ein Kippen des Drehleiter-Fahrzeuges bei ausgefahrener Drehleiter verhindern soll? Zu 4.: Das ist zutreffend. Die ausgefahrenen Stützen beidseitig stellen sowohl den Aktionsradius als auch die Standsicherheit der Drehleiter her. 5. Wann war der letzte Feuerwehreinsatz in Berlin, bei dem ein Schwenk der ausgefahrenen Drehleiter in einem vollen Kreis, 360° um das Fahrzeug herum, notwendig war, beispielsweise bei Löscharbeiten auf beiden gegenüberliegenden Straßenseiten gleichzeitig? Zu 5.: Derartige Informationen werden nicht statistisch erfasst. 6. Rechnet der Senat mit Szenarien, die in Zukunft Löscharbeiten auf beiden gegenüberliegenden Straßenseiten gleichzeitig notwendig erscheinen lassen? Zu 6.: Nein. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10985 2 7. Wenn (6.) nein, welche Aufstellfläche für Feuerwehrfahrzeuge ist nötig, um in einem Aktionszirkel von 180° um das Feuerwehrfahrzeug herum den zweiten Rettungsweg bei Dachgeschossausbauten zu sichern? Zu 7.: Es wird die in Frage 1 genannte Aufstellfläche benötigt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Leiterpark bei quer zur Fahrtrichtung stehender Leiter über die Fahrzeugaussenkanten hinausragt, was in etwa der Länge der ausgefahrenen Stützen entspricht. Erst die volle, beidseitige Abstützung ermöglicht den zur Personenrettung notwendigen hindernisfreien Schwenkbetrieb, der nur über die volle Aufstellfläche erreicht wird. Die folgenden zwei Abbildungen veranschaulichen in Anlehnung an die Richtlinie „Flächen für die Feuerwehr“, warum eine Breite von 5,5 m für die Aufstellfläche erforderlich ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 10985 3 8. Welche Alternativen empfiehlt der Senat für Fälle, in denen die o.g. Aufstellfläche nicht gewährleistet werden kann? Zu 8.: Siehe Antwort zu Frage 2. 9. Welche Kosten entstehen bei Wohngebäuden zusätzlich (geschätzt), wenn statt der Möglichkeit des Anleiterns ein baulicher zweiter Rettungsweg errichtet werden muss? Zu 9.: Angaben zu zusätzlichen Kosten liegen dem Senat nicht vor. Bei der Ausführung eines Sicherheitstreppenraumes nach der AV SiTrR Bln entstehen aufgrund der gestellten Anforderungen erhöhte Kosten insbesondere für die Türen zu den Wohnungen oder Vorräumen , die pro Tür ca. 1000 € betragen. 10. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, in o.g. Fällen die jeweilige Parkordnung in der Straße so zu ändern , dass die Aufstellfläche der Feuerwehr gewährleistet ist? Zu 10.: Dies ist nicht nur die einfachste, sondern auch günstigste Möglichkeit für den Bauherrn. Änderungen der Parkordnung, um zum Beispiel ein straßenverkehrsbehördlich angeordnetes Querparken in ein Längsparken zu ändern, erfolgen auf Grundlage der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). § 45 StVO ermächtigt dabei die Straßenverkehrsbehörden die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das VG Berlin hat dazu am 12.12.2016 (VG 11 K 90.16) in erster Instanz für einen ähnlichen Fall zur Anordnung von Haltverboten zum einen entschieden, dass ein Bauherr nach der StVO keinen Anspruch darauf hat, dass straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen allein zu seinen Gunsten getroffen werden. Des Weiteren hat das Gericht festgestellt, dass zwar § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit oder von betroffenen Einzelpersonen in verkehrseinschränkender Weise vorzugehen und zur Abwehr von Gefahren, die im Brandfall von parkenden Fahrzeugen ausgehen, tätig zu werden, um ggf. auch Haltverbote anordnen zu können. Jedoch hat es solche Anordnungen insoweit als rechtswidrig erachtet, als ein neu zu errichtendes Gebäude bzw. ein neuer Dachgeschoßausbau die Gefahr eines ungenügenden Brandschutzes erst selbst erschafft. Es wurden Rechtsmittel eingelegt; die Rechtskraft der Entscheidung bleibt abzuwarten. 11. Welche Rettungsmöglichkeiten nutzt die Feuerwehr im Falle von Bestandsgebäuden, z.B. auch mit Hinterhöfen , wenn zu wenig Stellfläche für das Anleitern vorhanden ist und die Anlegeleitern zu kurz sind? Zu 11.: Die Berliner Feuerwehr besitzt tragbare Leitern , die eine Rettungsmöglichkeit bis einschließlich dem 3. Obergeschoss ermöglichen. Für alle darüber liegenden Geschosse kann die Berliner Feuerwehr somit keinen 2. Rettungsweg nach der Bauordnung Berlin gewährleisten. Die Feuerwehr tut ihr Möglichstes, die Nutzer über den ersten Rettungsweg (Treppenraum) zur retten. Dies geschieht jedoch nur unter deutlich erschwerten Bedingungen und stark erhöhten Gesundheitsgefährdungen. Die Rettungsmöglichkeiten und –raten in diesen Objekten sind derart eingeschränkt, dass insbesondere bei Mehrfamilienhäusern und altersgerechten Wohngruppen mit einer Vielzahl von Verletzten und auch mit einer Prioritätensetzung der zu Rettenden gerechnet werden muss. Kompensationsmaßnahmen dieser Art können ausschließlich durch einen deutlich erhöhten Kräfteansatz von Feuerwehreinheiten erfolgen. Berlin, den 25. April 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Mai 2017)