Drucksache 18 / 11 044 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 18. April 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. April 2017) und Antwort Behörden auf Speed – Überlastung der Verwaltungsgerichte mit Asylverfahren Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nach Presseberichten (Die Zeit vom 30.03.2017 – Behörden auf Speed) werden die Verwaltungsgerichte mit Klagen gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge „überschüttet“. Dies läge „an der hohen Zahl an Entscheidungen, mitunter auch an der Qualität der Bescheide“. Seit der Beauftragung von „McKinsey“ wird ein sog. „integriertes Flüchtlingsmanagement“ angewandt. Unter anderem wurden Anhörung von Antragsstellern und Entscheidungen über die Asylgewährung personell voneinander getrennt. Aus dem aktuellen Geschäftsbericht des OVG Berlin des Jahres 2016 ergeben sich für das Verwaltungsgericht Berlin folgende Zahlen: Der Bestand von Asylverfahren ist seit dem 31.12.2015 von 756 Verfahren auf 7.776 Verfahren am 31.12.2016 gestiegen (Seite 14 Kurzbericht ). Über die Hälfte aller Eingänge (10.559 von 22.019) beim Verwaltungsgericht Berlin sind demnach Asylverfahren . Der Verfahrensbestand des VG Berlin hat sich von 8.194 auf 15.314 Verfahren ebenfalls fast verdoppelt. 1. Mit welchen konkreten Maßnahmen reagiert der Senat auf den hohen Anstieg der Asylverfahren bei den Eingangszahlen im VG Berlin? 2. Wie hoch ist die derzeitige Zahl an Richterstellen im VG Berlin? Ist kurz und mittelfristig eine signifikante Erhöhung dieser Stellen vorgesehen, wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie hoch ist die zusätzliche Belastung für den Berliner Landeshaushalt? Zu 1. und 2.: Der Senat hat durch den Doppelhaushalt 2016/2017, den Nachtragshaushalt 2017 und im Wege der Haushaltswirtschaft das Verwaltungsgericht (VG) Berlin um 23 Stellen im R-Bereich verstärkt, so dass das Verwaltungsgericht Berlin über insgesamt 117 Stellen verfügt . Die 10 Stellen, die in diesem Zusammenhang neu geschaffen wurden, führen zu jährlichen Kosten von 703.308 €. Der Senat wird die weitere Entwicklung der Geschäftsbelastung des Verwaltungsgerichts Berlins beobachten und unter Berücksichtigung der Belange anderer Bereiche die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. 3. Wie viele Neueinstellungen von Richtern und Richterinnen auf Probe für das Geschäftsjahr 2017 und 2018 sind derzeit geplant? Zu 3.: Derzeit sind für 2017 insgesamt 92 Neueinstellungen von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auf Probe geplant. Für 2018 ist geplant, die durch Eintritt in den Ruhestand voraussichtlich frei werdenden 26 Stellen neu zu besetzen. Im Übrigen ist der Doppelhaushalt 2018/2019 abzuwarten. 4. Ausgehend vom Geschäftsbericht des OVG Berlin: Wieviel Prozent der eingegangenen Asylverfahren im Jahr 2016 wurden gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Klage- / Antragsgegner gerichtet? Wie viele dieser Klagen / Eilerfahren waren erfolgreich bzw. wurden abgewiesen? Zu 4.: Von den im Jahr 2016 eingegangenen Verfahren waren 99,08 % gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gerichtet. Von diesen im Jahr 2016 eingegangenen Verfahren gegen das BAMF wurden bis Ende 2016 vom Verwaltungsgericht Berlin insgesamt 1.601 Verfahren streitig entschieden. Abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden insgesamt 1.273 Verfahren, erfolgreich waren 310 Verfahren, teilweise erfolgreich waren 18 Verfahren. Abgeordnetenhaus Berlin – 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 11 044 2 5. Steht der Berliner Senat mit der Bundesregierung in Kontakt, um sicherzustellen, dass die Asylverfahren beim BAMF rechtssicher gestaltet werden und somit die Arbeitsbelastung der Verwaltungsgerichte der Länder in Zukunft gemindert wird? Wenn ja, welche konkreten Initiativen und Anfragen wurden an das BAMF bzw. die Bundesregierung gestellt? Wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahren bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht rechtssicher ausgestaltet sind. 6. Wie bewertet der Senat die Trennung von „Anhörung “ und „Entscheidung“ innerhalb des BAMF im Zusammenhang mit der höheren Arbeitsbelastung der Verwaltungsgerichte ? Zu 6.: Die Organisation des Asylverfahrens obliegt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) der Leitung des BAMF. Dem Senat steht es nicht zu, interne Verfahrensabläufe einer Bundesbehörde zu bewerten. 7. Bestehen Planungen für Bundesratsinitiativen des Senats, die rechtlichen Hürden an die Ablehnung von Asylanträgen zu vereinfachen? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Diesbezüglich werden vom Senat derzeit keine weiteren Veränderungen verfolgt, da kein Handlungsbedarf besteht. 8. Warum unterstützt der Berliner Senat nicht den Plan der Bundesregierung, die Magreb-Länder (Tunesien, Algerien und Marokko) als „sichere Herkunftsländer“ zu klassifizieren? Zu 8.: Mit der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat wird vermutet, dass ein Asylbewerber dort keiner Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes ausgesetzt ist. In der Folge wird ein Asylantrag in der Regel als offensichtlich unbegründet abgelehnt, außer es werden Tatsachen vorgetragen , die eine Ausnahme begründen. Hinsichtlich der Länder Marokko, Tunesien und Algerien wird kritisch auf die angespannte Menschenrechtslage in den Staaten hingewiesen . Insbesondere die Situation von bestimmten Personengruppen wie Journalisten, Frauen und Homosexuelle lässt Zweifel an einer entsprechenden Einstufung als sicherer Herkunftsstaat aufkommen. Berlin, den 28. April 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mai 2017)